28. April 2017, 15:38 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Plitvicer Seen in Kroatien sind eines der schönsten Naturwunder auf der ganzen Welt – und gerade dadurch in Gefahr. Jedes Jahr strömen derartige Besuchermassen in den Nationalpark, dass Experten jetzt ein Limit fordern. TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann hat sich vor Ort umgesehen.
300.000 Hektar Fläche, eine einzigartige Flora und Fauna, und mittendrin insgesamt 16 Seen, die aufgrund ihres türkisblauen klaren Wassers geradezu außerirdisch schön erscheinen: Das ist der Nationalpark Plitvicer Seen in Kroatien. Wie auf einer Perlenkette reihen sich die Gewässer aneinander, verbunden teils durch Wasserfälle und eine schon im Frühling in sattem Grün blühende Natur. Kein Wunder also, dass die Unesco bereits 1979 die Plitvicer Seen zu einem der ersten Welt-Naturerbe überhaupt erklärte.
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Doch diese Schönheit hat auch ihre Schattenseiten: 1,3 Millionen Besucher stürmten der Nachrichtenagentur „dpa“ zufolge im Jahr 2016 in den Nationalpark – an manchen Tagen sollen es bis zu 13.000 Menschen gewesen sein. Ein Andrang, dem die fragile Natur der Seen auf Dauer wohl kaum Stand halten kann. Seit 1991 bereits ist es streng verboten in den Seen zu baden, weil durch das Sonnenöl und den Schweiß der Besucher das Wasser verschmutzt und Pflanzen in ihrer Entwicklung gebremst wurden. Zudem ist auch der Kalkstein Travertin, aus dem die Seenlandschaft und die Wasserfälle bestehen, extrem anfällig.
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Die Massen bedrohen die Natur
Die Touristenführerin Helena Petrovic, die bereits seit Jahrzehnten Urlauber durch den Park führt, fordert deshalb jetzt sogar ein Besucherlimit: „Ich denke, dass man die Zahl der Besucher begrenzen muss. Ein Maximum pro Stunde wäre sinnvoll.“ TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann hat den Park in der Nebensaison im April 2017 besucht – und kann sich dieser Meinung nur anschließen: Selbst zu diesem Zeitpunkt strömten bereits am frühen Morgen ganze Busladungen Touristen in den Park, die Selfies knipsend und lärmend umherzogen.
Mal abgesehen von der Bedrohung für die Natur zerstören solche Besuchermassen auch völlig die Magie eines so einzigartigen Ortes. Wenn an Aussichtspunkten links und rechts um einen herum dauerhaft Kameras klicken und Besucher auf der Jagd nach dem besten Schnappschuss schubsen und drängeln, dann kann man den Ort einfach nicht mehr richtig genießen. Auf den schmalen Holzstegen über den wunderschönen Seen herrscht bereits Anfang April ein derartiger Verkehr, dass man schon Angst hat, nur mal kurz stehen zu bleiben und einen schönen Anblick auch richtig zu genießen – immer muss man hier aufpassen, dass achtlos Vorbeiziehende einen nicht versehentlich ins Wasser stoßen.
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Besucherandrang als Lebensgrundlage
Auch hat man das Gefühl, dass viele nur gekommen sind, um den Ort auf ihrer persönlichen Bucket-List abzuhaken. Klick-klick, dann weiter, ohne auch nur einmal anzuhalten und durchzuatmen – dazu tragen leider auch die Öffnungszeiten des Parks bei. Wirklich alles kann man an einem Tag überhaupt nicht sehen, aber die meisten versuchen es trotzdem, die Stimmung ist durchweg gehetzt, und das steckt leider an. So fällt es nicht leicht, sich selbst einmal zum Innehalten zu ermahnen, dabei sind solche Momente die schönsten am ganzen Tag.
Das Skurrile: Der Nationalpark Plitvicer Seen ist der größte in ganz Kroatien und bietet abseits des Wassers auch zahlreiche spektakuläre Wanderwege – auf denen trifft man dann aber kaum andere Menschen, denn die müssen ja ihre neuen Facebook-Profilfotos knipsen. Dennoch ist hier niemand wirklich daran interessiert, die Besucherzahlen zu begrenzen. Das Problem: Die Region um die Plitvicer Seen ist sehr arm, lebt fast ausschließlich vom Seen-Tourismus. „Der Nationalpark ernährt 1200 Menschen“, erklärt Touristenführerin Petrovic. Und so wird Kroatiens Naturparadies wohl auf absehbare Zeit der Besuchermagnet des Landes bleiben – bis die Massen irgendwo anders hin weiter ziehen.