7. November 2023, 17:17 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Christ Cathedral in der kalifornischen Stadt Garden Grove ist eines der ungewöhnlichsten Gotteshäuser der Welt. 12 Stockwerke hoch, besteht seine Fassade fast vollständig aus Glas. 10.000 Glaspaneele sorgen für freie Sicht auf den Himmel. Doch in die Schlagzeilen geriet der Mega-Bau vor allem wegen eines ungewöhnlichen „Glaubenswechsels“.
Wer im US-Bundesstaat Kalifornien die Stadt Garden Grove besucht, der wird an einer ungewöhnlichen Sehenswürdigkeit einfach nicht vorbei kommen. Denn hier erhebt sich, 12 Stockwerke hoch, eine der einzigartigsten Kirchen der USA, wenn nicht der ganzen Welt. Die Fassade der Christ Cathedral besteht fast vollständig aus Glas. Woche für Woche besuchen fast 3000 Menschen die Messe hier. Millionen sind am Radio mit dabei, wenn auf Englisch, Spanisch, Chinesisch oder Vietnamesisch gepredigt wird. Dabei ist auch die Geschichte der Kristall-Kathedrale, so ihr früherer Name, wahrlich einzigartig.
Laut der offiziellen Seite der Christ Cathedral ist es das Jahr 1955, als ein junger protestantischer Pastor namens Robert Schuller mit seiner Frau in Garden Grove aufschlägt. Hier will er künftig vom Wort Gottes künden, und er tut das zunächst auf recht unkonventionelle Weise. Er hält seine Messen nämlich nicht in einer Kirche, sondern in einem alten Autokino. Seine Kanzel ist das Dach einer Imbissbude auf dem Gelände. Seine Frau begleitet seine Predigten auf einer elektrischen Orgel, die auf einem Trailer montiert ist. Willkommen ist ihm jeder, seine Botschaft: „Come as you are in the family car“ – „Komm so wie du bist im Familienwagen“.
Weltweiter Erfolg
Die Messen unter freiem Himmel haben für Schuller schon früh einen ganz besonderen Reiz. Und auch für sein stetig und schnell wachsendes Publikum. Bald hat er einen derart gewaltigen Zulauf, dass er in unmittelbarer Nähe zu dem alten Autokino die Garden Grove-Gemeindekirche bauen lässt, Kapazität 1400 Sitze. Zu diesem Zeitpunkt kann nicht mal er selbst ahnen, dass er einmal zu einem der berühmtesten Kirchenvertreter der ganzen Welt werden wird. Denn während seine Gemeinde weiter expandiert, beschließt er im Februar 1970, seine Reichweite abermals zu erhöhen. Es ist die Geburtsstunde einer der erfolgreichsten und langlebigsten Kirchen-Fernsehsendungen aller Zeiten.
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Mit „The Hour of Power“, übertragen von seinem wöchentlichen Messen aus Garden Grove, erreicht Schuller bereits Mitte der 1970er-Jahre sämtliche US-Bundesstaaten. Bis zu 20 Millionen Menschen von überall auf der Welt schalten ein, wenn er die Botschaften des Herrn verliest. Und so wünscht sich Schuller für seine „Auftritte“ auch schon bald ein angemessenes Ambiente. Gegen Ende des Jahrzehnts präsentieren ihm die bekannten Architekten Philip Johnson und John Burgee ihren Design-Vorschlag für eine absolut unkonventionelle Kirche. Ihre Fassade soll fast vollständig aus Glas bestehen und so Schullers Wunsch entsprechen, dass nichts den Blick seiner Schäfchen auf den freien Himmel stören möge.
Die Kristall-Kathedrale
Schuller ist von dem Entwurf so begeistert, dass er ausruft: „Wow! Sieht ja aus wie eine Kristall-Kathedrale“. Und diesen Namen erhält sie dann auch, Crystal Cathedral. Verkleidet mit 10.000 Glaspaneelen, ist sie quasi erbaut für die Ewigkeit. Selbst einem Erdbeben der Stärke 8 auf der Richterskala soll sie standhalten können. 1980 wird die Mega-Kirche dann eingeweiht, bietet Platz für bis zu 2800 Gläubige und 1000 Musiker. Auf einer Fläche von über 7200 Quadratmetern wird hier fortan der protestantische Glaube gepredigt, wobei Schuller der „New York Times“ zufolge den gigantischen Komplex gleich zu „Gottes Shopping-Center“ überhöht.
Vielleicht sind es genau dieser Hochmut und diese Megalomanie, die irgendwann zum Fall von Schullers Kirchengemeinde beitragen. Und so zu einem durchaus ungewöhnlichen „Glaubenswechsel“ führen. Denn irgendwann ist seine Diözese insolvent, muss Bankrott anmelden. Und ausgerechnet die katholische Kirche kauft 2011 Schullers Kristall-Kathedrale, und nennt sie nun um in Christ Cathedral. 2019 fand hier nach einer langen und 77 Millionen Dollar teuren Renovierung die erste katholische Messe statt.
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Eine Kirche für alle
Und auch die Katholiken üben mit der Christ Cathedral nicht eben Bescheidenheit, im Gegenteil. Der Marmor für den Altar stammt aus dem italienischen Carrara, ein über 400 Kilo schweres, juwelenverziertes Kreuz bildet ihr neues Herzstück. Die kirchen-eigene Orgel, liebevoll „Hazel“ genannt, ist mit ihrem 17.000 Pfeifen die fünftgrößte auf der ganzen Welt. Für viele Gläubige wird allerdings die Installation von tausenden Sonnensegeln über den Glasfenstern ein Wermutstropfen sein. Dennoch bezeichnet sich das Bistum von Orange, zu dem die Christ Cathedral gehört, als die am schnellsten wachsende Glaubensgemeinde der Vereinigten Staaten.
Der Visionär Schuller erlebte die Umwidmung „seiner “ Kristall-Kathedrale übrigens nicht mehr. 2006 von seinem Amt zurück getreten, starb er bereits 2015. Gemeinsam mit seiner Frau ruht er in der großen Gartenanlage der Christ Cathedral. Auf dem Gelände hat außerdem der Bischof von Orange seinen Sitz, wird ein kircheneigener Radiosender betrieben. Auch finden hier Kunstausstellungen und Theater-Aufführungen statt. Und so mag die Christ Cathedral zwar heute einer anderen Glaubensauslegung dienen – sie ist aber nach wie vor ein Ort für alle Menschen geblieben.