22. Januar 2024, 6:53 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In mehr als 90 von den insgesamt 100 Stationen der U-Bahn von Stockholm können Fahrgäste Kunstwerke bestaunen. Die Idee, das Metronetz der schwedischen Schären-Stadt zur vielleicht längsten Galerie der Welt zu machen, entstand schon vor fast 70 Jahren. Mit dem Preis für einen einfachen Fahrschein haben Gäste und Besucher aus aller Welt so Zutritt zu einem einzigartigen Gesamt-Opus.
Wer reisen liebt und sich gerne Kunst anschaut, der sollte ernsthaft einen Besuch in der schwedischen Hauptstadt Stockholm in Betracht ziehen. Denn die Metropole an den Schären wartet in dieser Hinsicht mit einem beeindruckenden Superlativ auf. Hier befindet sich nicht weniger als die wahrscheinlich längste Kunstgalerie der Welt. Bestehend aus mehr als 90 „Ateliers“, für die man dennoch nur eine einzige „Eintrittskarte“ braucht. Die Rede ist von der U-Bahn von Stockholm. Hier ist fast jede Station ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk. Die Arbeit daran begann vor fast 70 Jahren.
Wie der „Guardian“ berichtet, startete der Bau neuer Stationen der U-Bahn von Stockholm im Jahr 1957. Während ein Großteil Europas sich noch von den Folgen des Zweiten Weltkrieges erholte, prosperierte Schweden bereits aufgrund seiner Neutralität in dem globalen Konflikt. Die Sozialdemokraten, die das Land damals regierten, verfügten außerdem über reichliche Ressourcen aus Steuereinnahmen, und so riefen sie die politische Agenda der Folkshemmet ins Leben. Diese Initiative, die übersetzt so viel bedeutet wie „Heimat des Volkes“, machte Schweden zu einem Wohlfahrtsstaat, und sorgte in diesem Zuge auch für einen Boom auf dem Kunstsektor.
Kunst, für jedermann zugänglich
Kunst sollte für alle Menschen zugänglich werden, und nicht nur wie bisher der kulturellen und vor allem monetären Elite vorbehalten sein. Und so beauftragte die Stadt Künstler damit, die neu entstehenden Stationen der U-Bahn von Stockholm zu einmaligen Open-Air-Galerien zu gestalten. Die Kunst sollte so ein Teil des neuen Stadtbildes werden. Das heute insgesamt 110 Kilometer lange U-Bahnnetz wurde vor allem in dieser Zeit massiv ausgebaut und erweitert, um auch die vielen Menschen zu erreichen, die im Zuge des wirtschaftlichen Booms in die Vororte von Stockholm zogen.
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Die Regierung wünschte sich, dass all diese Menschen sich auch an Kunst erfreuen könnten, und gab so den Auftrag, die vielen Stationen der U-Bahn von Stockholm zu einzigartigen Tempeln zu machen. T-Centralen, heute das Herz des Streckennetzes, war 1957 der erste Bahnhof, der dieses einzigartige Makeover erhielt. Jeden Tag steigen hier etwa eine Viertelmillion Menschen aus und um. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden an bis heute über 90 Stationen Kunstwerke, unter anderem Wandmalereien, Skulpturen, Mosaike und Installationen.
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Eine Reise durch fast 70 Jahre Kunstgeschichte
So ist eine Reise mit der U-Bahn von Stockholm auch eine Fahrt durch nunmehr fast 70 Jahre schwedischer Kunstgeschichte. Und die Werke sind nicht einfach nur schön anzusehen, sondern transportieren oft auch eine Botschaft, in der man mitunter den Zeitgeist nachvollziehen kann, der herrschte, als sie entstanden. So leuchtet die Decke der Station Solna in einem apokalyptischen Rot, an den Wänden ist auf fast einem Kilometer Länge ein Wald zu sehen. Erschaffen 1975, wollten die Künstler damit auf die damals rasch voranschreitende Abholzung des schwedischen Waldes und die Entvölkerung ländlicher Gegenden aufmerksam machen.
In den verschiedenen Stationen der U-Bahn von Stockholm kann man so auch nachvollziehen, welche Strömungen und Ideen in der Kunst zirkulierten, als die Werke entstanden. Nicht wenige der Künstler, die sich hier verewigten, wurden mit ihrer Arbeit an den U-Bahnhöfen national oder sogar weltweit bekannt. Und natürlich bleibt die wohl längste Kunstgalerie der Welt auch immer up to date. So werden mitunter ältere Werke auch durchaus schon mal durch neuere ersetzt, wenn es angemessen erscheint.
Auf der offiziellen Tourismusseite der Stadt erhält man eine sehr gute Übersicht, welche Stationen der U-Bahn von Stockholm besonders einen Besuch lohnen. Die Seite listet insgesamt 14 Bahnhöfe auf, die man als Tourist gesehen haben sollte. Das einfache Ticket, das für 75 Minuten gültig ist, kostet aktuell laut offizieller Seite der Metro 42 Schwedische Kronen, umgerechnet gut 3,70 Euro. Auch alle anderen Preise und Tarife sind dort angegeben. Günstiger kann man wohl nirgendwo sonst auf der Welt mehr als 90 Kunstgalerien auf einmal besuchen.