16. November 2020, 6:19 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Das Kloster Lorsch ist aus verschiedenen Blickwinkeln spannend: Unesco-Weltkulturerbe, ein Geheimgang zu einer kilometerweit entfernten Burg, historische Baukunst und nicht zuletzt Geister. Davon gibt es gleich zwei, einer beschützt, der andere weint.
Mittelalter-, Nibelungensage- und Gruselfreunde sollten bei einer Fahrt ins Bundesland Hessen einen Stopp in Lorsch machen. Hier steht eine der wenigen noch erhaltenen Überreste vorromanischer Baukunst, die Überreste eines Klosters, das schon im Jahr 764 gegründet wurde: das Kloster Lorsch. Das steht mitten in der Stadt und wurde 1991 zum Unesco-Welterbe erklärt.
Kloster Lorsch hat eine lange Geschichte
Bereits im frühen Mittelalter erbaut, zählte Kloster Lorsch bis weit ins Hochmittelalter „zu den wichtigsten kulturellen Zentren zur Verbreitung der am Königshof entwickelten Bildungsprogramme“, heißt es auf der offiziellen Seite des Klosters. Berühmt wurde die Abtei demnach vor allem für „ihr Skriptorium und ihre umfangreiche Bibliothek, eine der größten und bedeutendsten des Mittelalters“. Außerdem kommt aus Lorsch die „älteste erhaltene medizinisch-pharmazeutische Handschrift nachantiker Zeit“, das Lorscher Arzneibuch aus dem Ende des 8. Jahrhunderts.
Gegründet wurde das Kloster um 764 von der Familie des fränkischen Gaugrafen Cancor. Ein Jahre später wurden die Überreste des Heiligen Nazarius von Rom nach Lorsch überstellt, was dem Kloster zum wirtschaftlichen Aufschwung verhalf. „In wenigen Jahrzehnten erstreckte sich der Besitz an Gütern aus Schenkungen an den Hl. Nazarius von der Nordseeküste bis nach Graubünden“, heißt es auf der Homepage.
772 übernahm Karl der Große das Kloster, gewährte ihm jedoch Immunität. So war das Kloster vorerst geschützt, allerdings musste es bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts immer wieder seine Unabhängigkeit verteidigen. 1066 ging man sogar so weit, eine eigene Burg zu seinem Schutz zu bauen, die sieben Kilometer entfernte Starkenburg in Heppenheim auf dem Schlossberg. Die ist oder war angeblich über einen Geheimgang mit dem Kloster verbunden, so dass die Mönche im Fall einer Gefahr sofort Zuflucht auf der Burg suchen konnten – was sie auch des Öfteren taten.
Melampus, der tote Wachhund
In diesem Geheimgang soll sich nicht nur der Burgschatz befinden, der Legende nach spukt hier auch der Geist eines Hundes namens Melampus, dem Beschützer der Schutzburg und des Geheimganges zum Kloster. Der große weiße Hund mit den schwarzen Pfoten gehörte einem Müller und weil Melampus so zuverlässig und bei den Burgbewohnern beliebt war, wurde er schließlich als Bote eingesetzt. Dafür nutzte er häufig den Geheimgang der Burg.
Als die eines Tages angegriffen wurde, soll der Hund die Bewohner über den Geheimgang aus der Burg gebracht haben – ob nach Kloster Lorsch oder einen eventuellen anderen Ausgang ist nicht ganz klar. Anschließend kämpfte der Hund erbittert gegen die Angreifer, wurde dabei aber so schwer verletzt, dass er sich zum Sterben in den Geheimgang zurückzog. Angeblich wurde Melampus schließlich genau dort begraben. Als der Wehrturm der Starkenburg 1924 gesprengt wurde, sollen dort Hundeknochen gefunden worden sein. Es wird erzählt, dass Melampus‘ Geist bis heute im Geheimgang verweilt und die Burg beschützt.
An den Wachhund erinnert heute eine große Holzschnitzarbeit, diverse Schilder sowie der Waldlehrpfad „Spur des Melampus“, der durch den Wald zum Schlossberg führt. Die Burg selbst wurde instand gesetzt und kann besichtigt werden.
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Die weiße Frau und das Nibelungenlied
Melampus ist anscheinend nicht der einzige Geist, der hier spukt. Auch der einer weißen Frau wurde angeblich gesichtet. Die soll um ihren Gatten trauern, der wie Melampus bei der Verteidigung der Burg starb. Seinen Tod hat die Dame anscheinend bis in ihren eigenen Tod hinein nicht überwunden, soll sie jammernd durch die Umgebung streifen. Augenzeugen wollen sie bei Sonnenaufgang gesehen haben, angeblich in einer neblig erscheinenden Gestalt.
Selbst in einer der wohl bekanntesten mittelalterlichen Sagen spielt Kloster Lorsch eine Rolle: im Nibelungenlied. Demnach ist das Kloster die letzte Ruhestätte von Drachentöter Siegfried. Keine Sage ist hingegen, dass hier die letzten ostfränkischen Könige des karolingischen Geschlechts begraben sind, wie es auf der Klosterseite heißt.
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Von der Zerstörung zum Welterbe
Da steht auch, dass das Königs- und spätere Reichskloster seine Schutzprivilegien schließlich im Jahr 1232 verlor und dann an Mainz fiel. Die Benediktinermönche wurden vertrieben, es folgten Zisterzienser und Prämonstratenser. 1461 wurde Kloster Lorsch an die Kurpfalz verpfändet und knapp ein Jahrhundert später dann aufgelöst. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Klosteranlage schließlich fast vollständig zerstört und diente in der Folge als Steinbruch.
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Was stehenblieb ist heute Welterbe, allen voran die sogenannte Königshalle (siehe Titelbild) – eins der „wenigen gut erhaltenen Gebäuden aus karolingischer Zeit“, wie es auf der Lorscher Seite steht, und laut Unesco „eine Erinnerung an die Größe der 764 unter König Pippin, dem Vater Karls des Großen, gegründeten Abtei, die damals und bis ins Hochmittelalter hinein das Zentrum der Macht, Spiritualität und Kultur des Heiligen Römischen Reiches war.“ Außerdem steht noch ein Teil der Klostermauer sowie andere Gebäudeüberreste. Das Kirchenfragment wurde wiederhergestellt.