19. März 2023, 15:19 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Goethe machte sich über ihn lustig, und streng genommen ist das gesamte Gebäude ein einziges Gruselkabinett. Der Mailänder Dom, seit über 600 Jahren permanent im Bau, ist dennoch zum unumstrittenen Wahrzeichen der Mailands geworden – und noch heute eines der größten Gotteshäuser der Welt. Dabei ging es bei seinem Bau sprichwörtlich mit dem Teufel zu.
Im Stadtzentrum von Mailand steht, an der prominenten Adresse Piazza del Duomo, eine der beeindruckendsten Kirchen auf der ganzen Welt. Massiv erhebt sich der Mailänder Dom über den Platz, dem er seinen Namen gab, stellt alles in seiner Umgebung wahrhaftig in den Schatten. In mehr als 600 Jahren Bauzeit ist er zu einem der größten und wichtigsten Gotteshäuser auf der ganzen Welt heran gewachsen. Und natürlich auch längst zu DER Touristenattraktion der Stadt schlechthin. Doch obwohl er eines der wichtigsten christlichen Wahrzeichen Italiens ist, haben beim Bau des Doms angeblich finstere Mächte ihre Finger mit im Spiel gehabt.
Es ist das Jahr 1386, als der Mailänder Machthaber Gian Galeazzo Visconti die Errichtung einer gewaltigen Kathedrale in Auftrag gibt. Sie soll laut der offiziellen Seite des Mailänder Doms die beiden älteren Kirchen Santa Maria Maggiore und Santa Tecla durch ein neues, größeres Gotteshaus im gotischen Baustil ersetzen. Zu diesem Zweck gründet sich ein Jahr später die Veneranda Fabbrica del Duomo, übersetzt etwa die „Ehrwürdige Dom-Werkstätte“. Sie besteht aus hunderten Architekten, Ingenieuren, Steinmetzen und Bildhauern, sämtliche natürlich die besten ihres Fachs aus ganz Europa. Auf diese Weise beginnt ein Gotteshaus Form anzunehmen, dass durch Ideen und Einflüsse von einem gesamten Kontinent geprägt ist.
Gab der Teufel den Dom in Auftrag?
Zu diesem Zeitpunkt kann natürlich noch niemand ahnen, dass der Bau des Mailänder Doms mehr als 600 Jahre dauern würde. Das erklärt auch, warum das imposante Gebäude stilistische Elemente aus gleich mehreren Epochen wie eben der Gotik, aber auch der Renaissance, des Rokoko, des Barock und des Neoklassizismus‘ in sich vereint. Der charakteristische weiß-pinkfarbene Marmor, der die Fassade der Kathedrale ziert, stammt aus den Steinbrüchen von Candoglia aus dem Val D’Ossola. Am 16.Oktober 1418 segnet der damalige Papst Martin V. den Hochaltar der Kirche, als der Bau noch mitten im Gange ist.
Skurril: Der Zeitschrift „Mare“ zufolge ist der Mailänder Dom niemand anderem als dem Teufel zu verdanken. Dieser sei demnach Gian Galeazzo Visconti an seinem Bett erschienen und habe ihm befohlen, eine Kirche mit den Abbildern von Geistern und Dämonen zu errichten. Täte er dies nicht, müsse er auf ewig in der Hölle schmoren. Der Bau wurde aber dennoch der Jungfrau Maria geweiht, und schnell zu einem beliebten Treffpunkt für die ganze Stadt. Demnach halfen bei seiner Errichtung auch Zivilisten freiwillig mit, und sogar Damen des horizontalen Gewerbes sollen einen Teil ihrer Einnahmen für den Weiterbau gespendet haben. Auf der offiziellen Seite des Doms ist davon, wenig überraschend, nichts zu lesen.
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Noch heute im Bau
Dafür aber, dass gegen Ende des 15. Jahrhunderts sogar Leonardo da Vinci eine zeitlang den Dom mitgestaltet haben soll. Da dieser im Laufe der Jahrhunderte jedoch unzählige Architekten und Baumeister gesehen hat, lassen sich einzelne Fortschritte am Bau heute meist nicht mehr klar bestimmten Personen zuordnen. Die prächtige Innenausstattung des Doms, so viel weiß man aber, ist zu großen Teilen der heute immer noch reichen und bekannten Borromeo-Familie zu verdanken. Sie stammt aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Doch auch außen wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt. So ist das Gotteshaus heute mit etwa 3000 Statuen geschmückt. Die meisten von ihnen zeigen Heilige, es ist allerdings bis heute auch noch ein leicht unkenntlich gemachtes Abbild des italienischen Diktators Mussolini dabei.
Die Jahrhunderte schreiten voran, genauso wie der Bau des Mailänder Doms. 1774 wird auf einem Turm über dem Kirchendach eine goldene Statue der Jungfrau Maria angebracht. Die sogenannte Madonnina ist heute so etwas wie die Schutzpatronin der Kathedrale. 1805 lässt sich Napoleon hier zum König von Italien ernennen. Goethe nennt den Dom verächtlich „einen ganzen Marmorberg (…) in die elendsten Formen gezwungen“. Und obwohl 1813 hier der letzte Fassadenstein gesetzt wurde, befindet sich der fast 12.000 Quadratmeter große Komplex streng genommen bis heute im Bau. Ständig sind Restaurationsarbeiten zu absolvieren, um gegen den Verfall des Gebäudes anzukämpfen. Die Veneranda Fabbrica del Duomo jedenfalls existiert und arbeitet immer noch.
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Heilige und grausige Statuen
Bei den zahllosen Touristen aus aller Welt, die den Mailänder Dom täglich besuchen, ist er aus verschiedensten Gründen beliebt. Gläubige bestaunen laut der offiziellen Tourismusseite der Stadt unter anderem die Gebeine der zahlreichen Heiligen, die hier in Glas-Särgen aufgebahrt sind. Auch einer der Nägel, mit denen Christus ans Kreuz geschlagen wurde, befindet sich dem Glauben nach hier. Nur einmal im Jahr, jeweils am Samstag vor dem 14. September, wird er der Öffentlichkeit gezeigt. Doch Viele dürften den Dom auch besuchen, um sich selbst einen Grusel-Schauer über den Rücken zu jagen. Denn etliche der mehr als 3000 Statuen hier zeigen durchaus grausame Szenarien.
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So sind unter anderem Heilige zu sehen, denen die Haut abgezogen wurde. Auch solche, denen man die Gedärme herausgerissen hat, genauso wie auf jegliche andere erdenkliche Art Gefolterte. Auf dem Hauptportal befindet sich eine bronzene Abbildung von Jesus, dessen Knie durch unzählige Berührungen quasi blank gescheuert ist. Es anzufassen, soll dem Glauben nach Glück bringen. Gäste kommen aber auch wegen des unvergleichlichen Blicks, den man von der Dachterrasse der Kirche aus über die gesamte Stadt hat. Man erreicht sie, natürlich gegen einen entsprechenden Obolus, entweder per Treppe oder Fahrstuhl.
Auf der offiziellen Webseite des Mailänder Doms lassen sich verschiedene Ticket-Pakete buchen, von denen das günstigste aktuell 7 Euro kostet. Je nach Preis sind unterschiedliche Leistungen inbegriffen. Auch gibt es ein breites Arrangement für geführte Touren durch das Gebäude, die entweder einzeln oder als Gruppe buchbar sind. Auf der Webseite kann man außerdem eine App für den Besuch herunter laden, die in zehn Sprachen verfügbar ist. Wer möchte, darf für den Erhalt des Gotteshauses auch eine Spende entrichten. So ist es zum Beispiel möglich, gegen einen entsprechenden Betrag eine der 135 Turmspitzen des Doms zu „adoptieren“. Der Dom ist laut offizieller Seite jeden Tag von 8-19 Uhr für Besucher geöffnet.