13. Juni 2024, 6:29 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Hoch über der Moselstadt Cochem thront seit mehr als 1000 Jahren weithin sichtbar eine imposante Festung. Die Reichsburg Cochem ist eine der schönsten Anlagen dieser Art in unserem Land – doch dass sie heute wieder in altem Glanz erstrahlt, ist einer tragischen Liebesgeschichte zu verdanken. Unser Autor hat hier für Sie eine Führung mitgemacht und verrät noch weitere Geheimnisse des alten Gemäuers. Unter anderem, was der französische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. damit zu tun hat.
Solange ich mich zurückerinnern kann, war ich immer schon ein Fan von alten Burgen und ihrer meist sehr bewegten Historie. Erzählungen von Eroberungen, mutigen Ritter und dunklen Verliese regten den Geist eines Großstadtkindes an, und so war ich im Urlaub immer dann besonders glücklich, wenn meine Eltern mich mitnahmen auf die Erkundung einer solchen Festung. Die Leidenschaft ist bis heute geblieben. Daher gab es für mich bei einer kürzlich unternommenen Reise entlang der Mosel natürlich auch kein Halten, als ich die wunderschöne Stadt Cochem besuchte. Denn hier thront, hoch über mit Weinreben bewachsenen Hügeln, die vielleicht beeindruckendste Anlage, die ich jemals gesehen habe. Die Reichsburg Cochem.
Übersicht
„Sieht aus wie das Schloss von Dracula“, schrieb ich meiner Schwester, als ich abends bei Regen und Nebel das erste Mal die Festung mit eigenen Augen erblickte. Fast schon bedrohlich ragten die zahlreichen Türme in den dunklen, mit schweren Wolken verhangenen Himmel, von dem Burgberg ging eine für mich fast körperlich spürbare Faszination aus. Bei der Reichsburg Cochem handelt es sich um einen Ort mit mehr als 1000-jähriger Geschichte, in die ich für ein paar Stunden bei einem Besuch eintauchen wollte. Am Ende fand ich mehr als erwartet, nämlich Geschichten, so wie ich sie als kleiner Junge gemocht habe. Die faszinierendste handelt dabei wohl von einer tragischen Liebe.
Mehr als 1000 Jahre Geschichte
Frühmorgens also mache ich mich auf zu einem Spaziergang auf die Reichsburg Cochem, die in der Sommersaison ab dem 16. März für Besucher bereits um 9 Uhr morgens öffnet. Bis 17 Uhr kann man dann laut offizieller Website an einer der zahlreichen Führungen hier teilnehmen, denn nur so ist es möglich, die Burgräume zu besichtigen. Durch die wunderschöne Fachwerkstadt steige ich hinauf zu der Anlage, vor der eine skurrile Figur wacht, die nicht nur mich an einen Frosch mit Helm erinnert. Unser sehr guter und unterhaltsamer Guide klärt uns dann später auf, dass es sich dabei in Wirklichkeit um die Wappenfigur des badischen Löwen handelt.
Die Reichsburg Cochem, so lernen wir, ist eine Festung, deren Geschichte wohl bereits irgendwann um das Jahr 1000 beginnt. Urkundlich erwähnt wird sie erstmals 1051, und etwa aus dieser Zeit stammt auch noch der Bergfried, der höchste Turm der Anlage mit seinen 3,50 Meter dicken Mauern. Von Anfang an war die Anlage als Zollburg hoch über der Mosel von übergeordneter strategischer Bedeutung, und daher auch stets stark umkämpft. Wer die Burg kontrollierte, hatte auch die Macht über den Warenverkehr auf dem Fluss. 1151 ernannte sie König Konrad III. aus dem Adelsgeschlecht der Staufer dann offiziell zur Reichsburg.
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Reichsburg Cochem: Ein Bau für die Liebe
Ihre dunkelste Stunde erlebte die Festung dann am 19. Mai 1689. Bereits ein Jahr zuvor waren infolge des sogenannten Pfälzischen Erbfolgekrieges Truppen des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. in das Rhein- und Moselland vorgestoßen, und hatten auf ihrem Feldzug eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Nun also sprengten die feindlichen Truppen tatsächlich die Reichsburg Cochem, schleiften und zerstörten auch die gesamte Stadt. Und so sah es lange Zeit so aus, als würde von der einst so stolzen Anlage nichts weiter übrig bleiben als eine Ruine. Doch nicht ganz 200 Jahre später kam dann die „Rettung“ in Gestalt eines verliebten Berliner Geschäftsmannes.
An diesem Teil der Führung hat unser Guide sichtlich den meisten Spaß, denn hier kann er glänzen, einen Spannungsbogen aufbauen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir bereits mehrere der sehr beeindruckend rekonstruierten Räume besichtigt. Überall altes, teilweise historisches Mobiliar, mächtige Kamine, Reproduktionen von Rubens und anderen bekannten Künstlern. Ein gedämmtes Licht lässt sehr gut die Atmosphäre nachvollziehen, die damals nach dem Wiederaufbau der Reichsburg Cochem hier geherrscht haben mag. All das ist dem Berliner Geschäftsmann Jacob Louis Fréderic Ravené zu verdanken, der die Burg ab 1868 für seine Frau Elisabeth Emelie von Kusserow quasi neu erschaffen ließ.
Unerwartetes Ehe-Drama
Durch den Handel mit Eisenwaren reich geworden, entdeckt Ravené bei der Planung einer Eisenbahnstrecke entlang der Mosel die Ruine der Reichsburg Cochem, stellt bereits 1867 bei der preußischen Domänenverwaltung den Kaufantrag. König Wilhelm I. gibt höchstpersönlich sein Einverständnis, und so erwirbt der Geschäftsmann das gesamte Grundstück für die symbolische Summe von 300 Goldmark. „Ravené“, so unser Guide, „gehörte damals zu den Top Ten der deutschen gesellschaftlichen Elite“. Seiner Frau möchte er seine neue Vision der alten Burg als Sommersitz schenken. Doch diese dankt es ihm nicht – im Gegenteil. Noch während der Bauphase verliebt sich die dreifache Mutter in einen Hausgast und reicht die Scheidung von Ravené ein. „Zur damaligen Zeit war das ein absolut unerhörter Vorgang. Angeblich hat sogar Reichskanzler Bismarck davon eine Notiz erhalten, so wichtig war Ravené.“
Bei der Einweihungsfeier im Jahr 1877 sitzt der Neu-Erbauer der Burg so allein zwischen seinen illustren Gästen. Nur zwei Jahre später stirbt er im tschechischen Kurort Marienbad. „Seine“ Reichsburg Cochem bleibt bis 1942 im Besitz der Familie. Seit 1978 gehört die Anlage nun der Stadt Cochem. Der Prunk, mit dem sich Ravené damals sein eigenes Märchenschloss erschuf, fasziniert noch heute. Staunen, als unser Guide in einem Raum auf einen versteckten Knopf drückt und so die Tür zu einem Geheimgang öffnet – auch das natürlich Stoff, aus dem damals meine Kinderträume waren, nur eben hier tatsächlich echt.
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So sehen Sie die Reichsburg Cochem
Etwa eine Stunde dauert die Tour durch die alten Gemäuer, dann stehen wir wieder auf dem Innenhof der Reichsburg Cochem. Und genießen von oben die einmalige Aussicht auf die Stadt und die Mosel, die sich, vorbei an grünen Hügeln, durch das Land windet. Und natürlich zieht es mich auch noch einmal hinein in die alten Gassen, denn die Festung ist nicht das einzige historische Gebäude, das sich zu besuchen lohnt. Vielmehr warten unten in der Altstadt zahlreiche, teils bis zu 600 Jahre alte Weinkeller auf Gäste. Auch wenn man, wie ich, selbst nicht trinkt, die Lieben daheim freuen sich bestimmt über einen der guten Tropfen von hier.
Wer die Reichsburg Cochem einmal selbst besuchen möchte, hat dazu das ganze Jahr über (mit Ausnahmen) Gelegenheit. An den Führungen kann man noch bis zum 1. November täglich von 9 bis 17 Uhr teilnehmen. Sämtliche Öffnungszeiten können Sie der offiziellen Website entnehmen. Neben der normalen Variante kann man unter anderem auch noch die Tour „Auf den Spuren Ravenés“ mitmachen, die durch Räume führt, die man sonst nicht zu sehen bekommt. Erwachsene zahlen für die reguläre Führung aktuell 8,50 Euro, Personen bis 17 Jahre 4,50 Euro. Auch bei den Preisen gibt die Website umfassend Auskunft.