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Touristenmagnet in der Hauptstadt

Der Reichstag in Berlin – die Geschichte des ikonischen Regierungsgebäudes

Reichstag
Der Berliner Reichstag ist seit fast 130 Jahren ein Ort, an dem immer wieder deutsche Geschichte geschrieben wurde. Heute ist er Sitz des Bundestags. Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

12. November 2023, 6:46 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Mehr als nur einmal stand der Berliner Reichstag seit seiner Eröffnung 1894 im Mittelpunkt deutscher und auch der Weltgeschichte. Im Kaiserreich gegründet, von den Nationalsozialisten und den Sowjets als Symbol der Macht missbraucht, dient er heute dem Deutschen Bundestag als Ort, an dem die Geschicke des Landes entschieden werden. Und ist auch zu einem der größten Touristenmagneten der Hauptstadt geworden.

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Der Platz der Republik in Berlin dürfte wohl zu den bekanntesten Adressen in der deutschen Hauptstadt zählen. Denn hier thront, seit 1894, ein mächtiger Kuppelbau, der längst zu einer Ikone und einem Symbol der Bundesrepublik geworden ist. Doch seitdem hier erstmals Politiker tagten und über die Geschicke des Landes berieten, hat der Reichstag eine mehr als bewegte Geschichte hinter sich. Und diese ist bei weitem nicht immer positiv konnotiert gewesen, im Gegenteil. Heute jedoch steht das stolze Gebäude wie kein anderes für ein selbstbewusstes, wiedervereinigtes Deutschland und beherbergt den Deutschen Bundestag. Quasi nebenbei ist es seit seiner Neueröffnung auch einer der größten Touristenattraktionen der Hauptstadt.

Der 9. Juni 1884 ist in Berlin laut der offiziellen Seite des Reichstag ein verregneter Montag. Und so nimmt wohl nur ein eher kleiner Kreis von geladenen Gästen an der Grundsteinlegung eines Gebäudes teil, das heute zu den ikonischsten unseres Landes zählt. Seit der Reichsgründung 1871 tagt das Parlament des Kaiserreiches in einem eigentlich als Provisorium vorgesehenen Bau an der Leipziger Straße, und damit soll endlich Schluss sein. Die Suche nach einem Ort für einen repräsentativen Neubau war jedoch lange Jahre ergebnislos verlaufen. Erst zwei Jahre zuvor war das Grundstück auf dem Königsplatz, der heute Platz der Republik heißt, frei geworden. Die anschließende Ausschreibung für den Bau des Reichstags hatte der Architekt Paul Wallot gewonnen.

Hier wurde Geschichte geschrieben

Reichstag
Der Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Hier wird über die Geschicke des Landes beraten Foto: dpa Picture Alliance/photothek | Felix Zahn

Jener benötigt nun zehn Jahre für das Prestigeprojekt mit seinen vier Türmen und der schon damals charakteristischen, gewaltigen Kuppel. Am 5. Dezember 1894 legt Wallot den Schlussstein, bereits am Tag darauf trifft sich das Parlament zum ersten Mal in dem neuen Haus. Unter der aus Metall und Glas gefertigten, an ihrer höchsten Stelle 75 Meter hohen Kuppel tagen fortan regelmäßig 397 Abgeordnete, es ist nicht weniger als ein architektonischer Meilenstein. Der heute legendäre Schriftzug „Dem deutschen Volke“ wird erst 1916 angebracht, da Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich sich jahrelang dagegen verwehrt.

Am 9. November 1918 rückt der Reichstag dann erstmals auch in das Bewusstsein der Welt, als hier die Geschichte Deutschlands eine dramatische Wendung erfährt. Der Erste Weltkrieg ist verloren, und so ruft der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Gebäudes die Weimarer Republik aus. Die Monarchie in Deutschland ist am Ende. Scheidemann besiegelt ihr Schicksal mit den Worten: „Das Alte und Morsche, die Monarchie, ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die Deutsche Republik!“

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Schauplatz des Schreckens

Nachdem die neu zusammengetretene Nationalversammlung zunächst in Weimar getagt hatte, bezieht sie ab 1919 dann erstmals wieder den Reichstag. Und sieht sich mit einem Platzproblem konfrontiert, denn statt 397 Abgeordneten gibt es plötzlich deren mehr als 600. Bald schon werden Klagen laut, das Gebäude sei zu klein, böte zu wenige Arbeitszimmer und Büros. Zwei 1927 und 1929 stattfindende Architekturwettbewerbe zur Erweiterung des Gebäudes verlaufen allerdings ergebnislos. Beziehungsweise werden von der sich zunehmend verschärfenden Wirtschaftskrise, die im Land um sich greift, sprichwörtlich auf Eis gelegt.

Und so erlebt der Reichstag in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 seine wohl dunkelste Stunde, als der Plenarsaal infolge von Brandstiftung niederbrennt. Die politisch erstarkten Nationalsozialisten schieben dafür dem Niederländer Marinus van der Lubbe die Schuld in die Schuhe. Noch in der selben Nacht gehen sie mit massiver Gewalt gegen alle vor, die sie als Opposition ansehen. Schon am Tag danach setzt Präsident Paul Hindenburg mit der sogenannten Reichstagsbrandverordnung die Grundrechte de facto außer Kraft. Am 23. März 1933 nimmt der Reichstag das Ermächtigungsgesetz an, welches alle Parteien außer der NSDAP offiziell verbietet.

Als Symbol missbraucht

Reichstag
Der Reichstag liegt direkt an der Spree im eindrucksvollen Regierungsviertel von Berlin Foto: Getty Images

Der Reichstag als Gebäude der politischen Treffen scheint durch seine schweren Schäden für immer Geschichte zu sein. Die Nazis tagen fortan lieber in der nahen Kroll-Oper, welche Hitler wegen seiner Kulisse auch gerne für seine demagogischen Reden missbraucht. So zum Beispiel, als er am 1. September 1939 von hier aus den Beginn des Krieges gegen Polen verkündet, der in den Zweiten Weltkrieg mündet. Den einstigen Regierungspalast nutzt man nur noch zu Verwaltungszwecken und unter anderem auch für eine Propaganda-Ausstellung. Immerhin wird die Kuppel des Gebäudes wieder hergestellt, der abgebrannte Plenarsaal jedoch nicht. Von außen aber sieht das Gebäude so aus, als wäre nie etwas geschehen.

Auch Hitler plant mit seinem Architekten Albert Speer ab 1937 eine Umgestaltung des Reichstags für seine Wahnsinnsfantasie von der Welthauptstadt Germania. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges bringt diese Ambitionen aber zum Erliegen, da alles verfügbare Geld nun in die Rüstung fließt. Am 2. Mai 1945 dann, als der Krieg bereits verloren ist, wird der Reichstag erneut Schauplatz eines Ereignisses, das sich ins kollektive Gedächtnis der Weltgeschichte eingebrannt hat. Sowjetische Truppen besetzen an diesem Tag das Gebäude und hissen auf dem Dach ihre Fahne. Die Eroberung des Gebäudes besitzt für sie besondere Symbolkraft als Zeichen ihres Sieges über Nazi-Deutschland. 1937 lassen sie die Kuppel sprengen.

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Der neue Reichstag

In den Jahren nach dem Krieg pflanzt die hungernde Berliner Bevölkerung rund um den Reichstag Grünflächen an, um sich zumindest notdürftig zu versorgen. 1955 beschließt der westdeutsche Bundestag, das geschichtsträchtige Gebäude wieder aufbauen zu lassen. Nach den Entwürfen des Architekten Paul Baumgarten verschwindet dabei die Kuppel, die vier Türme lässt man jeweils um ein Stockwerk kürzen. Der Plenarsaal wird vergrößert, Anfang der 1970er-Jahre ist das Gebäude dann fertig. Der Bundestag darf aber aufgrund der Bestimmungen der alliierten Siegermächte noch nicht wieder vollversammelt hier tagen.

Nach dem Fall der Mauer rückt der Reichstag jedoch bald wieder in den Fokus der deutschen Geschichte. Denn im Zuge der Wiedervereinigung ist schnell klar, dass der Bundestag künftig wieder hier zusammentreten soll. Am 20. Juni 1991 fällt der Beschluss, das politische Machtzentrum zurück nach Berlin zu verlegen. Der britische Architekt Lord Norman Foster erhält nun den Auftrag, dem Gebäude sein heutiges Aussehen zu verleihen. Dieser bezieht dabei auch die frühere Architektur mit ein, so dass man noch immer die Schäden des verheerenden Brands und Spuren des Zweiten Weltkrieges sehen kann.

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Kostenloser Besuch

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Die Kuppel des Reichstags ist heute ein beliebtes Ziel für Berlin-Touristen. Jährlich kommen mehr als eine Million Menschen. Foto: dpa Picture Alliance/Shotshop | K-H Spremberg

Auch 1995 sorgte der Reichstag für weltweite Schlagzeilen, als ihn der Künstler Christo für einige Zeit komplett verhüllt. Am 19. April 1999 zelebriert man unter dem damaligen Bundestagspräsident Wolfgang Thierse dann die feierliche Neueröffnung. Seitdem hat sich das Gebäude zu einem der größten Touristenmagneten der Stadt entwickelt, den laut offizieller Seite jährlich weit über eine Million Menschen besuchen. Denn Fosters gewaltige gläserne Kuppel kann man begehen, und so auf die Dachterrasse des Gebäudes gelangen, von wo aus man einen großartigen Ausblick auf Berlin hat, zum Beispiel auf das Brandenburger Tor.

Einzige Bedingung für einen Besuch ist eine vorherige Anmeldung, die man zum Beispiel bequem auf der offiziellen Webseite vornehmen kann. Der Reichstag ist täglich von 8 bis 24 Uhr geöffnet, letzter Einlass ist um 21.45 Uhr. An gewissen Tagen wie Weihnachten und Sylvester bleibt sie aber geschlossen, die genauen Daten sind ebenfalls der Webseite zu entnehmen. Hier kann man auch Führungen buchen und gar einen Antrag auf eine Teilnahme an einer Plenarsitzung als Gast beantragen. Der Eintritt ist in jedem Fall kostenlos.

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