12. September 2022, 12:25 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Der schiefe Turm von Pisa ist weltweit bekannt. Doch es gibt Türme, die noch deutlich schiefer sind als das berühmte Bauwerk in Italien. Den Weltrekord hielt 15 Jahre lang ein Turm in Deutschland, der Kirchturm im ostfriesischen Suurhusen. Doch dieser Rekord ist nun futsch, denn ein Turm in Rheinland-Pfalz steht offiziell noch etwas schräger. Die Ostfriesen nehmen es gelassen – und haben einen Trost.
Wussten Sie, dass der knapp 60 Meter hohe schiefe Turm von Pisa lediglich eine Neigung von 4,95 Grad aufweist, wohingegen der bisherige Rekordhalter auf eine beachtliche Schieflage von 5,19 Grad kommt? Dank dieser erstaunlichen Neigung galt der rund 27 Meter hohe Glockenturm in Suurhusen jahrelang als schiefster Turm der Welt. Doch nun gibt es einen neuen Sieger.
Nur eine Nachkommastelle machte den Unterschied: Der „schiefste Turm der Welt“ steht seit Sonntag (11. September) in der Gemeinde Gau-Weinheim im Landkreis Alzey-Worms in Rheinland-Pfalz. Der Wehrturm ist noch ein wenig schiefer, als sein Konkurrent, wie eine Messung ergab – genauer gesagt 0,23 Grad. Der mittelalterliche Wehrturm in Gau-Weinheim kommt insgesamt auf 5,4277 Grad Neigung. Das Rekord-Institut für Deutschland (RID) erkannte diesen Spitzenwert nun offiziell an. Zum Tag des offenen Denkmals wurde der rheinhessischen Gemeinde dafür jetzt die Weltrekord-Urkunde überreicht.
„Der offiziell schiefste Turm der Welt ist seit einigen Jahren nicht mehr der in Pisa, auch wenn der Volksmund noch immer etwas anderes behauptet“, sagte RID-Rekordrichter Olaf Kuchenbecker. „Ich freue mich sehr, den Weltrekord heute persönlich zu zertifizieren und die Ortsgemeinde mit einer RID-Rekordurkunde auszuzeichnen.“
Der schiefe Turm von…?
Bislang kamen Tausende Besucherinnen und Besucher jedes Jahr nach Suurhusen, um den schiefen Kirchturm zu bestaunen – entsprechend stolz sind die Ostfriesen auf ihren markanten Kirchturm. Der Kirchturm in Suurhusen im Landkreis Aurich war vor 15 Jahren von Guinness World Records Deutschland als „schiefster Turm der Welt“ ausgezeichnet worden. Der rund 27 Meter hohe Turm der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde aus dem 13. Jahrhundert neigt sich um 5,19 Grad oder 2,47 Meter nach Westen.
Den Verlust des Titels nimmt die Kirchengemeinde mit ein bisschen Wehmut, aber auch gelassen. „Das ist ein fairer Wettbewerb und nur einer kann gewinnen, das ist nun mal so“, sagte der Pastor der Kirchengemeinde Frank Wessels auf Anfrage. „Wir haben 15 Jahre lang den Titel getragen, mit Stolz und mit Würde. Und wenn jetzt jemand anderes nachweisen kann, dass dort der schiefste Turm steht, dann akzeptieren wir das und gratulieren von ganzem Herzen.“
Suurhusener Kirchturm
Der Grund für die Schieflage des Suurhusener Kirchturmes liegt in den dicken Eichenstämmen, die das Fundament des Bauwerks bilden. Als im 19. Jahrhundert die benachbarten Ländereien trockengelegt wurden, sank der Grundwasserspiegel, die Stämme wurden morsch. Touristen, die mit dem Auto über Emden an die Nordseeküste fahren, kommen über die Bundesstraße 210 zwangsläufig direkt an dem auffällig schrägen Turm vorbei. Auch ohne den Titel werde die Aufmerksamkeit für den schiefen Turm der Kirchengemeinde daher wohl bleiben, mutmaßte Wessels.
In den vergangenen Jahren habe es immer wieder Einwände aus dem In- und Ausland gegeben, dass der schiefste Turm wohl nicht in Suurhusen stehen könnte, berichtete der Pastor. Nachgemessen und ein Rekord offiziell anerkannt wurde an anderen Türmen aber nicht – bis jetzt.
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„Wir sind immer noch schiefer als Pisa“
„Wenn nun ein anderer gewinnt, können wir das gut verkraften“, sagte Wessels. Auch, weil der Turm in Suurhusen seines Wissens nach noch immer der schiefste Kirchturm der Welt. Und: „Wir sind immer noch schiefer als Pisa“, betonte Wessels.
Hoffnung, dass der Suurhusener Kirchturm den Turm in Gau-Weinheim bei der Neigung nochmal überholen könnte, gibt es übrigens kaum. Jedes Jahr vermessen Studierende der Hochschule Magdeburg/Stendal das Bauwerk. Das Ergebnis: Seit zehn Jahren Messungen ist die Schieflage des Turms stabil. „Das ist ja auch gut so, denn wenn er immer schiefer werden würde, würde irgendwann auch mal ein kritischer Punkt kommen“, sagte Pastor Wessels.
Mit Material von dpa