3. Mai 2024, 13:04 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Hoch in den Hügeln über dem sauerländischen Lennetal thront die Höhenburg Altena. Die mittelalterliche Festung blickt auf eine hunderte Jahre lange, bewegte Geschichte zurück. Ihr wahrer Ruhm besteht jedoch in der Gründung der weltweit ersten ständigen Jugendherberge in ihren Gemäuern. TRAVELBOOK-Autorin Anna Löhlein war dort zu Besuch, erzählt die Geschichte der Burg und verrät ihre besten Tipps.
Erbaut im 12. Jahrhundert, wacht die majestätische Höhenburg Altena über die gesamte umliegende Region. Ursprünglich diente sie der Altertumskommission für Westfalen zufolge den Grafen von Berg als strategischer Wehrbau. Über die Jahrhunderte hinweg wurde sie immer wieder erweitert, umgebaut, teilweise durch einen Brand zerstört und wieder aufgebaut. Doch behielt die insgesamt 190 Meter lange und 40 Meter breite Festung die längste Zeit über ihre Bedeutung als feste Burganlage bei.
Im 18. Jahrhundert hat man sie schließlich endgültig entmilitarisiert. Während einige Teile der Anlagen dem Verfall überlassen wurden, dienten zeitweise andere als Armen-, Waisen und Krankenhaus. Erst 1907 wurde der Wiederaufbau der Burg beschlossen, um sie in alter Pracht auferstehen zu lassen. So bietet sie heute als ein lebendiges Denkmal einen authentischen Einblick in das Leben der mittelalterlichen Ritter und Grafen. Der Besuch auf der Burg ist aber nicht nur eine Zeitreise ins Mittelalter. Zwischen zwei Bergfrieden, Kommandantenhaus, Wehrgang und Kapelle nimmt auch eine ganz andere Erfolgsgeschichte ihren Anfang: Auf Burg Altena entstand die weltweit erste ständige Jugendherberge.
Die Erfindung der Jugendherbergen auf Burg Altena
Am 26. August 1909 unternahm der Lehrer Richard Schirrmann mit seinen Schülern eine mehrtägige Wanderung von Altena nach Aachen, wie es auf dem offiziellen Portal der Deutschen Jugendherbergen nachzulesen ist. Von einem starken Unwetter überrascht, musste die Gruppe spontan eine Unterkunft für die Nacht suchen. Damals war es üblich, dass Wanderer auch von Privatleuten einfache Nachtlager zur Verfügung gestellt bekamen, zum Beispiel in Scheunen. In dieser Nacht hatte die Gruppe jedoch nur wenig Glück, auf einem Hof wurden Lehrer Schirrmann und seine Schüler abgewiesen. Schließlich fanden sie doch noch einen Unterschlupf in einer nahegelegenen Dorfschule, die sie mit Erlaubnis der Lehrersfrau provisorisch für die Nacht herrichten konnten.
Und da aus Krisen oft glorreiche Ideen hervorkommen, wurde in dieser stürmischen Nacht die revolutionäre Vision der Jugendherbergen geboren. Schirrmann überfiel der Gedanke, dass in jedem Wandergebiet in Tagesmarschabständen einfache, preiswerte und gastliche Herbergen für junge Reisende vorhanden sein müssten. Dies war der Grundstein der Geschichte der Jugendherbergen, wie wir sie heute kennen. Als ein beliebtes Ziel für Wandergruppen bot die gerade im Wiederaufbau befindliche Burg Altena die benötigten Räumlichkeiten – so war der richtige Ort für die weltweit erste dauerhafte Jugendherberge gefunden. Mit der Eröffnung im Jahr 1914 begann so in der malerischen Burg ein neues Kapitel in der Geschichte der globalen Jugendbewegung.
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Burg Altena – eine Reise ins Mittelalter
Ob die ersten Gäste der Jugendherberge Zugang zu den anderen faszinierenden Teilen und Gebäuden der Burg hatten, ist nicht überliefert. Heute jedenfalls steht den Besuchern der Burg die gesamte Anlage offen. So liegt schräg gegenüber den Schlafräumen, einmal quer über dem Oberen Burghof, der Bergfried (Hauptturm) „Dicker Turm“. Er ist der älteste und heute noch sehr ursprüngliche Teil der Burg. Dieser Bergfried war eine Art Mehrzweckgebäude: Aussichtsturm, Flucht- und Wohnturm der Burgbewohner in Belagerungszeiten sowie Gefängnis in einem. Dieses Gefängnis diente übrigens als Verlies für besondere Gefangene, die durch eine Bodenluke, das sogenannte „Angstloch“ per Seil in den kargen, modrigen Raum hinabgelassen wurden.
Folter war an der Tagesordnung
Im feuchten Kerker unterm Kapellengebäude landeten und endeten hingegen alle anderen Übeltäter. Zwischen den hohen Mauern mit eingelassenen Eisenketten, an denen die Gefangenen gefesselt waren, schmeckt die klamme Luft geradezu nach Angst. Heute gibt hier eine Dauerausstellung anhand verschiedenster Objekte einen gruseligen Einblick in die Praxis des Folterns und in die grauenvollen Lebensbedingungen im Verlies.
Doch auch die ursprünglich erhaltenen Räume der weltweit ersten Jugendherberge selbst zählen zu den Attraktionen der Burg Altena. Mitten in der Originaleinrichtung von 1914 meint man noch die Stimmen der jungen Besucher widerhallen zu hören. Die 35 massiven 2- und 3-stöckigen Eichenholzbetten im Schlafsaal waren mit Strohmatratzen ausgelegt und konnten, falls es mal voller wurde, durch aufklappbare Seiten vergrößert werden. Als in späteren Jahren der Besuch gemischter Wandergruppen zunahm, wurde der Raum mittels einer hölzernen Wand in einen Jungen- und einen Mädchenschlafsaal geteilt. Ein zunächst zur Teilung der Schlafbereiche eingesetzter Stoffvorhang hatte zu wildesten Gerüchten geführt …
Ein Tag auf der Burg Altena – ein großer Spaß!
„Auf der Burg Altena habe ich einen sehr kurzweiligen Tag verbracht. Mir hat die Station mit originalgetreuen Kettenhemden, Ritterhelmen und Schwertern sehr gut gefallen. Hier kann man sich nach Lust und Laune einkleiden und ein Gefühl dafür bekommen, wie schwer die Ritter an ihren Outfits zu tragen hatten. Übrigens gelingt das Ausziehen eines Kettenhemdes am besten, indem man den Oberkörper tief nach vorne beugt und das metallene Kleidungsstück einfach der Schwerkraft folgend über Kopf und Arme abrollen lässt.
Besonders faszinierend für kleine, angehende Feuerwehrleute ist die Ausstellung zu Stadtbränden im Pulverturm. Rund um eine Feuerlöschspritze aus dem 18. Jahrhundert lodern hier reichlich Feuer (-Installationen) und ein projizierter Feuerwehrmann berichtet von der Brandlöschung in vergangenen Jahrhunderten. Fazit: Wohl dem, der sein Haus aus Steinen bauen konnte, also „steinreich“ war.
Ein Tipp zum Rundgang: Wer den Schildern des Rundgangs folgt, wird wirklich in jeden Winkel der Burg geführt. Am Ende wartet mein persönlicher Favorit: der „Dicke Turm“ (siehe Text). Der Aufstieg führt über eine schmale, steile Wendeltreppe, die sich weiter oben noch einmal deutlich verengt. Wer sich ganz nach oben zwängt, wird am Ende am höchsten Punkt der Burg mit einer grandiosen Aussicht belohnt.“
Erlebnisburg Altena heute
Neben der historischen Weltjugendherberge lockt die Burg mit umfangreichen Sammlungen mittelalterlicher Waffen und Rüstungen, beeindruckenden Ausstellungen, luxuriösen Wohnräumen und prächtigen Hallen. Jeder Winkel und jede Wendeltreppe erzählt Geschichten aus vergangenen Zeiten. Die Besucher können durch die alten Gemäuer schlendern, sich in Ritter-Outfits werfen, den Wehrturm besteigen, im Kerker bibbern und von den Zinnen aus weit über das Lennetal blicken.
Auch modernste Technik hat in die historischen Gemäuer Einzug gehalten: Unter anderem tauchen per Illusionstrick in mehreren Räumen unterschiedlichste „Zeitzeugen“ in Lebensgröße auf und teilen äußerst interessante Berichte über ihren Alltag sowie Anekdoten rund um die Burg. Neben einem Brunnenbauer, einem Kerkerinsassen und einem Feuerwehrmann erzählt auch Lehrer Schirrmann in dieser geisterhaften Erscheinungsform von seiner bahnbrechenden Herbergs-Idee. Das Zusammenspiel von modernster Technik und Altertum sind hier absolut gelungen. Die technischen Ergänzungen sind so clever in die Umgebung eingefügt, dass sie die mittelalterliche Atmosphäre nicht im Geringsten stören, sondern eine lehrreiche und unterhaltsame Bereicherung darstellen.
Ein weiteres Highlight ist der Erlebnisaufzug, der eine spannende (und absolut barrierefreie) Alternative zum herkömmlichen Aufstieg ist. Per Aufzug fahren Besucher direkt durch den Berg hinauf zur Burg. Dabei bieten multimediale Einblicke in die Geschichte und Bedeutung der Burg Altena einen Vorgeschmack auf die Gemäuer selbst. Und selbstverständlich gibt es – in guter Tradition – auch heute noch eine Jugendherberge auf der Burg. Die Zeiten von Strohmatratzen und einer spärlichen Anzahl steinerner Waschbecken sind natürlich längst vorbei, Schränke ersetzen Kleidertruhen, die Zimmer sind hell und jenseits jeden kettenrasselnden Burgspukes. Und doch weht auch durch diese Räume noch der Geist längst vergangener Zeiten…