26. Februar 2023, 14:52 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die antike Stadt Chichén Itzá auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán war jahrhundertelang das kulturelle Zentrum eines mächtigen Maya-Reiches. Ihre Erbauer waren ihrer Zeit in vielen Belangen weit voraus. Auch heute noch geht von den mächtigen Tempeln eine besondere Magie aus. Doch die Anlage, die sowohl zum Unesco-Welterbe als auch zu den modernen Sieben Weltwundern zählt, ist akut gefährdet.
Auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, zwischen den Städten Mérida und Cancún gelegen, befindet sich im dichten Dschungel eines der beeindruckendsten Zeugnisse der antiken Maya-Kultur. Die Ruinen von Chichén Itzá, einer Stadt, die jahrhundertelang die Geschicke der Region prägte. Einst lag hier das wichtigste Zentrum der Macht für ein mächtiges Königreich, und dennoch wurde die damals hochmoderne Metropole scheinbar von einem auf den anderen Tag verlassen. Heute ist sie längst einer der größten Touristenmagneten in ganz Mexiko – und genau deswegen in Gefahr.
Laut der offiziellen Seite von Chichén Itzá wird die Maya-Metropole vermutlich irgendwann um das Jahr 435 nach Christus gegründet. Die ersten Siedler in dieser Gegend sind die Itzáes, was übersetzt so viel wie „Wasserzauberer“ bedeutet. Von ihnen hat der Ort auch seinen Namen. Der Maya-Begriff Chichén wiederum bedeutet demnach „der Mund der Quelle“. Diese Bezeichnung dürfte sich auf die strategisch günstige Lage der Stadt beziehen. Denn obwohl weit im Inland gelegen, befinden sich hier gleich zwei Wasserlöcher, sogenannte Cenotes. Diese waren unerlässlich für die Versorgung mit Trinkwasser, und begünstigten so das Entstehen eines mächtigen Imperiums.
Neue Zeiten, neue Götter
Der Bau von Chichén Itzá vollzieht sich in zwei Phasen. Ab etwa dem Jahr 600 entstehen die ersten der zahlreichen Monumentalbauten, die auch heute noch von dem einstigen Glanz der Stadt zeugen. Am beeindruckendsten von ihnen ist wohl das fast 23 Meter hohe Observatorium, El Caracol genannt. Von hier aus studierten die Maya den Nachthimmel, stellten Berechnungen über Sternenkonstellationen genauso an wie über die Position der Sonne, des Mondes und der Venus. Auch hatten die damaligen Bewohner von Chichén Itzá wohl schon ein recht klares Konzept von Zeit und verfügten über eine komplexe Mathematik.
Dennoch begann die Blütezeit von Chichén Itzá erst einige hundert Jahre später. Etwa um das Jahr 918 setzt der Zuzug von Mayas aus dem Norden des heutigen Mexiko ein, den sogenannten Tolteken. Sie bringen nicht nur kulturelle und architektonische Einflüsse mit, sondern auch einen neuen Götterkult. Denn 987 nimmt der König des Tolteken-Reiches Tula, Ce Acatl Topiltzin Quetzalcoatl, auch Chichén Itzá ein. Er nennt sich selbst auch K’uk’ulkan, was übersetzt so viel bedeutet wie „gefiederte Schlange“. Als Symbol der Auferstehung und Reinkarnation wird K’uk’ulkan eine der wichtigsten Maya-Gottheiten überhaupt.
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Rituelle Menschenopfer
In der Folgezeit wächst Chichén Itzá zu einem mächtigen Imperium mit weitreichenden Handelsbeziehungen heran. Schätzungsweise zwischen 35.000 bis 50.000 Menschen leben hier. Die wichtigsten Gebäude und Tempel der Stadt wie der K’uk’ulkan-Tempel, der Tempel der Jaguare und der Tempel der Krieger entstehen. Die Metropole verfügt außerdem über die größte Sportstätte in ganz Mittelamerika. Die Maya zelebrieren ein Ballspiel namens pok-ta-pok, das vor allem wegen seiner Grausamkeit noch heute bekannt ist. Denn nicht selten wurde hierbei ein Spieler der unterlegenen Mannschaft, bzw. gleich das ganze Team, getötet. Abbildungen in Stein entlang des 166 mal 68 Meter großen Spielfeldes zeigen Sieger mit den abgetrennten Köpfen ihrer Gegner.
Und auch sonst waren die Maya von Chichén Itzá wohl nicht ganz zimperlich im Umgang mit Menschenleben. So belegen Funde aus den Cenotes, dass dort wohl zumindest eine Zeit lang rituell Menschenopfer stattfanden. Die Unglücklichen wurden demnach wohl zuerst ermordet, und dann mit reichen Grabbeilagen in die Wasserlöcher geworfen. Um sich gegen Feinde zu verteidigen, schmiedet die Stadt 987 eine mächtige militärische Allianz mit den Metropolen Uxmal und Mayapán, die sich ebenfalls auf der Yucatán-Halbinsel befinden. In diesem Gefüge gibt Chichén Itzá zunächst für mehr als 200 Jahre den Ton an, doch die Geschicke beginnen sich zu seinen Ungunsten zu wenden.
Immer noch eine Kultstätte
Kriege unter verfeindeten Mikro-Reichen sind damals durchaus üblich, und so wird Chichén Itzá ab 1194 von seinen Bündnispartnern verraten und überfallen. Viele der Überlebenden fliehen nach Petén, in den Norden von Guatemala. Die verbliebenen Einwohner, die fast ausschließlich zur kulturellen Elite zählen, halten die Stadt noch einige Dekaden lang bis etwa zum Jahr 1250. Danach hört die einst so mächtige Maya-Metropole einfach auf, als Stadt zu existieren. Noch heute ist sie aber vor allem für die Nachfahren der Maya eine wichtige Kultstätte.
Dasselbe gilt wohl auch für nicht wenige der bis zu 8000 Touristen, die Chichén Itzá in der Hochsaison täglich besuchen. Seit 1988 gehört die etwa 10 Quadratkilometer große Ausgrabungsfläche zum Unesco-Welterbe. Außerdem zählt sie zu den modernen Sieben Weltwundern, die im Jahr 2000 gewählt wurden. Doch vor allem in der Vergangenheit litt die Anlage stark unter dem Massenansturm. Damals war es noch erlaubt, die zahlreichen Tempel zu besteigen und sogar ihre Räume zu betreten. Nicht wenige Besucher ließen dabei leider auch ihre ganz persönlichen Spuren zurück, markierten die heiligen Orte zum Beispiel mit ihren Namen. Die Treppen der Tempel nutzten sich zudem durch die massive Begehung immer stärker ab.
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Magische Schatten
Spätestens, seit 2006 eine US-Amerikanerin von der K’uk’ulkan-Pyramide in den Tod stürzte, ist das Besteigen und Betreten streng verboten. Der Ort, der sich heute im Besitz des Staates befindet, benötigt aber weiterhin Aufsicht und permanente Pflege. Der K’uk’ulkan-Tempel, auch „El Castillo“ (Die Burg) genannt, wird trotzdem auch heute noch zweimal im Jahr zum Zentrum einer massenhaften Pilgerschaft. Denn wenn hier im Frühling bzw. Herbst zur Tag- und Nachtgleiche die Sonne untergeht, wirft sie einen Schatten, der wie eine die Stufen des Tempel hinab kriechende Schlange aussieht. Laut offizieller Seite ist die antike Kultstätte aber auch an allen anderen Tagen des Jahres für Besucher geöffnet.
Jeweils von 8-17 Uhr kann man die Anlage dann besuchen. Der Eintrittspreis für Erwachsene beträgt aktuell 613 Pesos, umgerechnet etwas mehr als 31 Euro. Die offizielle Seite bietet auch zahlreiche mögliche Tour-Pakete an. Die Classic-Variante beinhaltet so außer dem Besuch auch noch ein Mittagessen und ein Bad in einem der Cenotes für 85 Dollar (gut 80 Euro). Die Luxury-Tour dagegen kostet 645 Dollar (knapp 610 Euro). Wer die Anlage vom Kleinflugzeug aus bestaunen möchte, muss schon gut 3000 Dollar hinlegen. Welche Option für Sie die Richtige ist, finden Sie am besten selbst heraus.