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Sie ist mehr als 90 Jahre alt

Cristo Redentor – die Geschichte der riesigen Jesus-Statue in Rio de Janeiro

Cristo Redentor
Seit mehr als 90 Jahren ist die gigantische Statue Cristo Redentor auf dem Corcovado-Berg das Wahrzeichen von Rio de Janeiro. Jährlich besuchen sie mehrere Millionen Menschen Foto: Getty Images
Robin Hartmann Autorenkopf
Freier Autor

8. Juni 2023, 6:53 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Die riesige Jesus-Statue Cristo Redentor auf dem Corcovado-Berg in Rio de Janeiro ist seit mehr als 90 Jahren das Wahrzeichen der Stadt am Zuckerhut. Heute ist sie nicht nur eine der meistfotografierten Touristenattraktionen überhaupt, sondern gilt auch als eines der modernen Sieben Weltwunder. TRAVELBOOK erzählt die kaum bekannte Geschichte ihrer Entstehung.

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Es gibt auf der Welt nur ein paar wenige Wahrzeichen, bei deren Anblick wohl selbst jedes Kind wüsste, in welcher Stadt sie sich befinden. Ein solches ist ohne Zweifel der Cristo Redentor, die gigantische Jesus-Statue auf dem Corcovado-Berg in Brasiliens Hafenstadt Rio de Janeiro. Von nahezu überall in der Stadt und kilometerweit darüber hinaus sichtbar, thront Christus der Erlöser, so sein übersetzter Name, seit mehr als 90 Jahren über der Metropole am Zuckerhut. Längst ist er auch ihr Wahrzeichen, und wird von mehreren Millionen Menschen jährlich besucht. So beeindruckend ist er auch noch fast ein Jahrhundert nach seiner Einweihung, dass er 2007 unter die modernen Sieben Weltwunder gewählt wurde.

Die Geschichte des Cristo Redentor beginnt laut „BBC“ in den turbulenten Jahren des Ersten Weltkrieges. Auch in Brasilien befürchtet man angesichts dieser humanen Katastrophe eine Zunahme der Gottlosigkeit. Kirche und Staat sind seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts endgültig getrennt, als Brasilien zu einer Republik wurde. Doch ein ganz besonderes Symbol soll Rio, damals die Hauptstadt des Landes, auch wieder zur Hochburg des christlich-katholischen Glaubens machen. Und so stellt die Erzdiözese der Metropole 1921 den Antrag, auf dem Corcovado eine riesige Jesus-Statue errichten zu dürfen.

Eine riesige Statue

Cristo Redentor
Von quasi überall in der Stadt zu sehen: Der Cristo Redentor ist ein wichtiger Fixpunkt in Rio de Janeiro Foto: Getty Images

Bereits in den 1850er-Jahren hatte es „Encyclopedia Britannica“ zufolge erste Bestrebungen für den Bau eines solchen Denkmals gegeben. Diese setzte man allerdings nie um. Nun bittet die Bevölkerung von Rio Präsident Epitácio Pessoa um die Erlaubnis, endlich ihren Cristo Redentor bauen zu dürfen. Dieser gewährt sie, und so findet am 4. April 1922 die Grundsteinlegung für das Monument statt. Das Datum markiert gleichzeitig die 100-Jahr-Feier der Unabhängigkeit Brasiliens von dem ehemaligen Besatzerland Portugal. Bereits im Februar desselben Jahres hatte es eine Ausschreibung gegeben, um ein geeignetes Design für Rios neues Wahrzeichen zu finden.

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Diese hatte der Architekt Heitor da Silva Costa gewonnen, doch sein ursprünglicher Entwurf wurde nie realisiert. Er wollte den Cristo Redentor ursprünglich mit einem Kreuz in der einen und einer Weltkugel in der anderen Hand darstellen. Gemeinsam mit dem Künstler Carlos Oswald arbeitet er dann aber die Version aus, die wir heute kennen. Dabei ist Jesus nicht nur als Figur dargestellt, sondern symbolisiert durch seine Körperhaltung auch selbst das Kreuz. Da Silva Costa plant zu diesem Zeitpunkt bereits eine große Statue, die in einem Radius von vier Kilometern um den gut 700 Meter hohen Corcovado zu sehen sein soll.

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Die Inspiration kam aus Frankreich

Allein, die Umsetzung seines visionären Cristo Redentor bereitet ihm anfangs starkes Kopfzerbrechen. 1924 reist er daher nach Frankreich, um sich bei führenden Köpfen der Ingenieurskunst Rat zu holen. Da Silva Costa möchte zwecks Machbarkeitsstudie ein Modell des Erlösers anfertigen lassen. Den Zuschlag dafür erhält schließlich der französisch-polnische Bildhauer Paul Landowski, der seinem brasilianischen Kollegen ein Jesus-Modell in Originalgröße aus Ton baut. Beziehungsweise nur dessen Kopf und Hände. Was aber auch alles andere als ein Leichtes ist, denn ersterer ist fast vier Meter groß, die Hände gut drei Meter. Landowski fertigt in seinem Studio auch eine vier Meter große Version des späteren Christus an. All diese Teile verschifft man anschließend nach Rio, um ihn dort aus verstärktem Beton hoch über der Stadt zu errichten.

1926 beginnen die Bauarbeiten, doch Da Silva Costa geht durch eine weitere Künstlerkrise. Er möchte das bereits fertige Stahlgerüst seines Cristo Redentor auf keinen Fall mit Beton verkleiden, den er als viel zu rau und primitiv empfindet. Die zündende Inspiration erhält er, als er auf den Pariser Champs-Elysees einen mit kleinen Kacheln verkleideten Brunnen sieht. Er entscheidet sich dazu, seinen Jesus nach genau demselben Prinzip zu „gewanden“. Als Material wählt er Speckstein aus einer Mine in Ouro Preto, einer Stadt im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Bis heute ist der Erlöser auf dem Corcovado bedeckt mit sechs Millionen dieser kleinen Kacheln, jede 3x3x4 cm groß und fünf Millimeter dick.

Cristo Redentor
Der Cristo Redentor überblickt die Bucht von Guanabara, die Stadt Rio und den Atlantik. Nirgends in der City ist der Ausblick so beeindruckend wie hier Foto: Getty Images

30 Meter hoch, 1145 Tonnen schwer

Am 12. Oktober 1931 wird Da Silva Costas Cristo Redentor schließlich feierlich eingeweiht, und wegen seiner Größe und Einzigartigkeit mehr oder weniger sofort zum Wahrzeichen Rios. 30 Meter hoch ist die Statue, die ihrerseits noch einmal auf einem acht Meter hohen Sockel thront. Sie hat ein Gewicht von 1145 Tonnen und eine Spannweite von 28 Metern von Fingerspitze zu Fingerspitze. Wer sie auf dem Corcovado besucht, hat einen unvergleichlichen Ausblick auf die Stadt, die Bucht von Guanabara und den Atlantik. Ich erinnere mich, dass es bei einem Besuch 2013 auch dieses Panorama war, das mich mehr noch als die Statue selbst in ihren Bann zog.

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Hoch ging es früher nur über 200 Stufen den Berg hinauf, seit 2002 auch mit Rolltreppen, Panorama-Aufzügen und einer kleinen Bahn. Ich entschied mich ob der Hitze für den Zug, den Trem do Corcovado, der laut eigenen Angaben pro Jahr 600.000 Menschen auf den Berg befördert. Die Fahrt kostet heute 93,50 Real, umgerechnet gut 17 Euro. Darin sind Hin- und Rückfahrt inbegriffen. Der Zugang zur Statue an sich ist kostenlos, weshalb sie täglich auch mehrere Tausend Menschen besuchen möchten. Mir kam das Gedränge damals, das man natürlich als Besucher in Kauf nehmen muss, insgesamt mitunter etwas würdelos vor. Zumal fast alle Menschen, die sich vor dem Cristo Redentor fotografieren ließen, die Pose seiner ausgestreckten Hände nachahmten.

Cristo Redentor
Christus der Beschützer/Cristo Protetor ist seit 2022 die größte Jesus-Staue der Welt in der brasilianischen Stadt Encantado im Süden des Landes Foto: Getty Images

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Ein noch größerer Jesus

Aber dieser unfassbare Ausblick! Ich blieb mehr als eine Stunde auf dem Berg, während derer meine Spiegelreflexkamera ununterbrochen klickte, um alles auch ja aus jedem Winkel einzufangen. Mein Tipp: Gehen Sie etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang auf den Berg, dann ist die Stimmung besonders spektakulär. Ich gebe offen zu, dass ich mir in dieser Zeit nicht allzu viel aus dem Cristo Redentor machte, denn ich finde seinen Anblick von Weitem und von unterhalb des Berges aus der Stadt wesentlich beeindruckender. Wie ein echtes Wahrzeichen und einen Orientierungs-Fixpunkt kann man ihn von zahllosen Orten in der Stadt erblicken. Und so haben die Erbauer des riesigen Jesus den Menschen von Rio das Gefühl geschenkt, der Erlöser würde immer über sie wachen. Und der Stadt einen der einzigartigsten Touristenmagneten auf der ganzen Welt.

Doch auch wenn der Cristo Redentor bereits seit 2007 zu den neuen Sieben Weltwunder zählt, die größte seiner Art ist ist die Statue nicht. Diesen Rekord hielt eine Zeit lang die Christus-König-Statue im polnischen Świebodzin/Schwiebus. Doch mittlerweile hält den Superlativ eine andere brasilianische Stadt, nämlich Encantado im Bundesstaat Rio Grande do Sul. Deren Cristo Protetor, also Beschützer, ragt mit 37,5 Metern Höhe in den Himmel. An Bekanntheit wird er seinen viel älteren Cousin in Rio aber wohl kaum überflügeln können.

Themen Brasilien Rio de Janeiro Südamerika
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