2. Juli 2023, 12:17 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die Wartburg bei der thüringischen Stadt Eisenach ist untrennbar mit der deutschen Geschichte verbunden. Denn diese wurde genau hier mehrfach auf überaus bedeutende Weise umgeschrieben. So wurde auf der mächtigen Festung nicht nur die Idee für unseren heutigen Staat geboren, sondern auch unsere Sprache.
Nahe der Stadt Eisenach thront, 200 Meter hoch auf einem Hügel, einer der bedeutendsten Orte der deutschen Geschichte. Das kann man zu Recht sagen, denn die Wartburg hat genau diese Geschichte in der Vergangenheit gleich mehrfach entscheidend beeinflusst und mitgeprägt. Erbaut vor fast 1000 Jahren, diente sie einem legendären Revoluzzer als Versteck und inspirierte unzählige Künstler, Dichter und Musiker. Und wenn man so will, kann man die mächtige Festung sowohl als den Geburtsort unseres heutigen Staates als auch der deutschen Sprache bezeichnen.
Es ist das Jahr 1080, als laut dem Reiseführer „Varta Guide“ die Wartburg das erste Mal urkundlich erwähnt wird. Ihre Gründung geht vermutlich bereits auf das Jahr 1067 und Ludwig den Springer, den Grafen von Schauenburg, zurück. Der Legende nach soll er gesagt haben: „Wart! Berg, du sollst mir eine Burg werden!“ Der Name der Festung geht aber wohl eher auf ihre Funktion zurück, nämlich als strategisch günstig auf einer markanten Erhöhung gelegene Wachburg, die man damals auch als Warte bezeichnete. Der älteste Teil der Festung, der heute noch erhalten ist, stammt aus dem 12. Jahrhundert.
Deckname „Junker Jörg“
Etwa um 1157 ließ demnach Ludwig II. den sogenannten Palas der Wartburg erbauen. Mit seinem prunkvollen Festsaal, in dem heute noch Aufführungen stattfinden, gilt er als einer der besterhaltenen romanischen Bauten nördlich der Alpen. Der holzgetäfelte Raum, der auch eine beeindruckende Akustik bietet, war wegen seiner Schönheit sogar die Inspiration für einen anderen Bau. Der Königssaal im Schloss Neuschwanstein ist ihm nachempfunden. Auch die östliche Ringmauer und Teile des Torhauses sind aus dieser Zeit noch erhalten geblieben.
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Schon früh wurde die Wartburg Heimat bedeutender Persönlichkeiten und Schauplatz der Geschichtsschreibung. So lebt im 13. Jahrhundert eine Zeit lang Elisabeth von Thüringen hier, die nach ihrem Tod wegen ihres Engagements für die Armen heiliggesprochen wird. Die bedeutendste Persönlichkeit, deren Schicksal unmittelbar mit dem der Feste verbunden ist, lebte dort unter einem Decknamen. Getarnt als „Junker Jörg“ tritt einer der prägendsten Menschen der deutschen Geschichte seinen Aufenthalt auf er Wartburg an. Gemeint ist damit niemand geringerer als der protestantische Reformator Martin Luther.
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Die Geburt der deutschen Sprache
Vier Jahre, nachdem er an der Schlosskirche zu Wittenberg seine 95 religiösen Thesen angenagelt hat, ist er ein von der immer noch vorherrschenden katholischen Kirche gefürchteter und verfolgter Mann. Im Mai 1521 flüchtet Luther daher auf die Wartburg, die zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr ist als eine bessere Ruine. Ludwig II. hatte sie aus repräsentativem, aber stark wetteranfälligem Sandstein erbauen lassen. Hier findet der Reformator also in einer Schutzhaft Zuflucht, und beginnt im Dezember 1521 mit seinem bedeutendsten Werk. Innerhalb von nur 11 Wochen übersetzt er das Neue Testament aus der altgriechischen Originalversion, und schafft damit nicht weniger als das Fundament für die heutige deutsche Sprache.
Denn natürlich ist die Bibel das meistverbreitete Buch überhaupt, und so setzt sich Luthers Schriftdeutsch langsam auch in der Gesellschaft fest. Die sogenannte Lutherstube, in der der legendäre Kirchenmann damals arbeitete, ist bis heute ein beliebtes Ziel für protestantische Pilger aus aller Welt. Knapp 300 Jahre später dann wird die Wartburg zum Schauplatz eines anderen Ereignisses, das die Geschicke des Landes auf bedeutende Weise beeinflussen soll. Denn 1817 findet hier das heute legendäre Wartburgfest statt.
Protest für ein neues Deutschland
Dabei handelt es sich keinesfalls um eine fröhliche Feierlichkeit, wie der Name vielleicht vermuten lässt. Im Gegenteil. Laut der Seite des Deutschen Historischen Museum kommen vielmehr etwa 500 Studenten von 11 Universitäten zusammen, um öffentlich ihrem Unmut Luft zu machen. Sie sind unzufrieden mit der Politik der Mächtigen und der Aufteilung des heutigen Deutschland in zahllose Kleinstaaten, und fordern nicht weniger als einen einzigen Nationalstaat, eine Verfassung und die Gewährung von Bürgerrechten. Als Schauplatz ihres Treffens haben sie in Gedenken an Luther die Wartburg gewählt. Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach erteilt höchstpersönlich seine Erlaubnis.
Auf der Wartburg kommt es bei dem Treffen jedoch auch zu zweifelhaften Aktionen wie der Verbrennung von Büchern und anderen Symbolen der verhassten Obrigkeit. Die Versammlung schlägt in der deutschen Studentenschaft hohe Wellen, die in der Ermordung des Dichters August von Kotzebue einen traurigen Höhepunkt finden. Bereits 1819, ein Jahr nach der Versammlung also, werden die Burschenschaften, also die Studentenverbindungen, als staatsgefährdend eingestuft und rigoros überwacht. Unter anderem schleust man an den Universitäten Spitzel ein, um jegliches subversives Treiben zu unterbinden.
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Heute Unesco-Welterbe
Die Wartburg war im Laufe ihrer Geschichte aber auch Inspiration für zahlreiche Künstler. So wollte Dichterfürst Goethe hier nach seinem ersten Besuch 1777 ein Kunstmuseum einrichten. Der Komponist Richard Wagner ließ sich zu seinem Stück „Tannhäuser“ inspirieren, das seit 2003 laut der offiziellen Seite im Festsaal der Burg aufgeführt wird. Ihre heutige Form erhielt die Festung ab 1838 unter Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach. Er ließ sie mit dem Ziel bauen, ein nationales Monument zu schaffen. Ohne freilich zu ahnen, wie sehr ihm das gelingen sollte. Denn heute ist die Wartburg nicht nur ein Zeichen des wiedervereinigten Deutschland, sie liegt geografisch gesehen auch ziemlich genau in der Mitte Deutschlands.
Seit 1999 zählt die Wartburg wegen ihrer Bedeutung auch zum Unesco-Welterbe. Für Besucher ist sie 365 Tage im Jahr geöffnet. Von 9 bis 20 Uhr kann man die Außenanlage besichtigen, von 9 bis 17 Uhr die Innenräume. Im Winterhalbjahr gelten verkürzte Öffnungszeiten, die Sie der offiziellen Webseite entnehmen können. Der Besuch der Außenanlage ist kostenlos, um die Innenräume sehen zu dürfen, zahlen Erwachsene aktuell 12 Euro, Kinder von sechs bis 18 Jahren fünf Euro. Familientickets sind für 29 Euro zu haben und gelten für zwei Erwachsene und bis zu fünf Kinder. Diese profitieren auch von dem umfangreichen Bildungsangebot, das die Wartburg ihren jungen Gästen offeriert. Lernen an einem Ort, der die deutsche Geschichte maßgeblich mitgeprägt hat, viel besser geht es nun wirklich nicht.