16. Oktober 2015, 11:47 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
In China eröffnete dieser Tage ein Freizeitpark, in dem sich alles um die Kommunistische Partei dreht – und der in erster Linie mehr Propaganda verspricht als Spaß. Doch ungewöhnliche Themenparks gibt es auf der ganzen Welt. TRAVELBOOK stellt die skurrilsten Erlebniswelten vor.
„Der Themenpark, den man am allerwenigsten besuchen möchte“ – so befand eine Chinesin im Internet nach der Eröffnung des Wuhan Parks Ende September, in dem sich alles um eins dreht: die Kommunistische Partei Chinas. Und was gibt es da zu sehen? Die Gesichter von 29 „ausgezeichneten Partei-Funktionären“ auf Bronzeplatten sowie 23 Kunstwerke, die Höhepunkte aus der Geschichte der Kommunistischen Partei von 1921 bis 2014 darstellen, zum Beispiel.
Zu den Attraktionen gehört ein Platz, wo Kinder und Jugendliche den Eid auf die kommunistische Partei leisten und direkt Parteimitglied werden können. „Roter Tourismus“ wird diese Art von Freizeitaktivitäten genannt, die sich in China angeblich großer Beliebtheit erfreut. Für westliche Touristen dürfte der Park vor allem eines sein: ziemlich skurril. Doch damit steht er nicht allein da. Auf der ganzen Welt gibt es ungewöhnliche Themenparks, wobei die meisten von ihnen allerdings mit einem weit größerem Unterhaltungswert aufwarten können als der Neuzugang in China. TRAVELBOOK stellt die spannendsten vor.
Back in the UdSSR
Dass die Litauer einen Faible für ungewöhnliche Themenparks haben, bewiesen sie schon 2001, als sie sämtliche Propagandastatuen, die sie nach der Wende in den Städten nicht mehr sehen wollten, in einen Kiefernwald stellten und das Ganze zum Grutas Park ernannten. Vor wenigen Jahren gingen sie noch einen Schritt weiter und bieten den Besuchern von Soviet Bunker nun eine ganz besondere Erfahrung. Denn wer hier in den Bunker steigt, landet direkt im Jahr 1984. Das Land heißt nicht Litauen sondern UdSSR, und wer dort wohnt, so erfährt der Besucher bald am eigenen Leib, muss Gasmasken tragen, die sowjetische Nationalhymne unter Stress lernen und sich entwürdigenden Verhören unterziehen. Das Essen schmeckt leider auch nicht. Aber nicht alles ist schlecht: Am Ende gibt es Wodka für alle. „Roter Tourismus“, wie ihn auch der Westler mag.
Der SOVIET BUNKER liegt im Wald von Nemencine, 25 Kilometer von Vilnius entfernt. Tickets für „1984. Survival Drama” 70 Lt (etwa 20 Euro).
Zwischen Brüsten und Penissen
Im Jeju Love Land auf der koreanischen Insel Cheju geht es wirklich nur um das eine: Sex. Und zwar in sämtlichen Positionen. 140 Skulpturen zeigen Menschen beim Geschlechtsverkehr und Genitalien in knalligen Farben. Das alles soll Lust machen – aber vor allem: aufklären. Denn Cheju ist ein klassisches Ziel für Honeymooner, die – sofern sie in Südkorea aufgewachsen sind – oft bis zur Hochzeitsnacht wenig bis gar keine Erfahrungen gemacht haben. Neben den Statuen in den eindeutigen Positionen sollen Aufklärungsfilme a la Oswald Kolle Wissenslücken schließen. Vielleicht erfahren die Frischvermählten dann ja auch, dass es auf die Größe angeblich nicht ankomme – eine Behauptung, an der angesichts der gigantischen Genitalien im Love Land bei so manchem wohl erste Zweifel aufkommen dürften.
JEJU LOVE LAND, 2894-72, Cheonbaengi-ro, Jeju-si, Jeju-do. Zutritt nur für Personen ab 20 Jahren.
Bei den 100 Zwergen
Auch im Dwarf Empire in der chinesischen Provinz Yunnan spielt die Größe eine Rolle: Denn alle Menschen, die hier arbeiten und auftreten, sind nicht größer als 130 Zentimeter. Im Dwarf Empire sind Kleinwüchsige die Attraktion, die für die Besucher aus ihren pilzförmigen Häusern treten und für sie singen und tanzen. Etwa 100 Kleinwüchsige arbeiten hier derzeit, bald sollen es, so will es der Parkgründer Chen Mingjing, über 1000 sein. Natürlich rief der Park gleich nach der Eröffnung Kritiker auf den Plan, die in der Vorführung von Kleinwüchsigkeit eine Art Freak-Show sahen, einen menschlichen Zoo. Befürworter halten dem entgegen, dass die Kleinwüchsigen sonst doch keinen Job hätten und arbeitslos wären.
DWARF EMPIRE in der chinesischen Provinz Yunnan bei Kunming, nahe des Butterfly Ecological Parks. Es verkehren öffentliche Busse vom Zentrum von Kunming nach Dwarf Empire.
Zu Besuch bei Oliver Twist
Welcome to Dickens World! Reisen Sie zurück in die Viktorianische Ära, tauchen Sie ab in die Welt des großen britischen Schriftstellers Charles Dickens und treffen Sie dessen berühmteste Romanfiguren (Oliver Twist zum Beispiel oder Scrooge). Allerdings: Das Vergnügen hält sich für die Besucher in Grenzen, haben sich die Themenpark-Macher doch zum Ziel gesetzt, ein „dunkles, verrauchtes und düsteres London, voller Gerüche und nebligem Dunst“ zu schaffen. Hier mündet große Literatur in Gruselgassen und Finsternis.
DICKENS WORLD, Britannia Entertainments Ltd, Dickens World, Leviathan Way, Chatham Maritime, Kent, Großbritannien.
Ab nach Hogwarts
Was Charles Dickens nicht möglich war: J. K. Rowling, Autorin der Harry-Potter-Romane, hatte ein Auge auf den Themenpark, dem ihr Werk zu Grunde lag. Kritisch begleitete sie die Bauarbeiten zur Wizarding World of Harry Potter, die im Juni 2010 in Florida eröffnet wurde. Heute kann man sich hier in der Hogwarts-Burg von Bildern anlabern lassen, Harry als Hologramm begegnen und Quidditch-Bälle in der Luft jagen. Natürlich steht auch der Hogwarts-Express bereit, und in den aus den Büchern bekannten Läden wie Honeydukes und Ollivander’s findet man alles, was der Zauberlehrling von heute so braucht: Zauberbesen für bis zu 300 Dollar, zum Beispiel.
THE WIZARDING WORLD OF HARRY POTTER befindet sich innerhalb des „Universal’s Islands of Adventure”-Geländes, in direkter Nachbarschaft zum Jurassic Park. 6000 Universal Blvd, Orlando, Florida, USA.
Leiden mit Jesus
Ebenfalls ein Buch liegt den Themenparks The Holy Land Experience in Orlando und Tierra Santa in Buenos Aires zu Grunde, nämlich: die Bibel. Hier werden biblische Stätten nachgebaut und die Geschichten um Jesus nachgespielt. In Orlando kann man zum Beispiel die sechsstöckige Nachbildung des Zentralteils des Tempels von Jerusalem bestaunen, die Höhlen von Qumran entdecken und sogar am letzten Abendmahl teilnehmen. In Buenos Aires ist die „Verbrennung des Judas“ eine der Attraktionen: Dabei wird eine große Figur durch Feuerwerkskörper über den Köpfen der Zuschauer verbrannt. Und alle zwei Stunden ist „Auferstehung“: Dann erhebt sich eine 18 Meter große Jesusfigur gen Himmel, dreht sich ein paar Minuten um die eigene Achse und verschwindet dann wieder in ihrem Berg. Oh my god!
THE HOLY LAND EXPERIENCE, 4655 Vineland Road, Orlando, Florida, USA.
TIERRA SANTA, Av Rafael Obligado Costanera, C1425DAA Buenos Aires, Ciudad Autónoma de Buenos Aires, Argentinien.
Schöner Scheitern
Der Spreepark in Berlin hat seine besten Zeiten schon lange hinter sich. Einst größter Vergnügungspark der DDR, nach der Wende aufgemotzt und betrieben von einem Schausteller, der später wegen eines spektakulären Drogenschmuggels erst in die Schlagzeilen, dann ins Gefängnis kommen sollte, gammelt der Park seit 2001 vor sich hin. Achterbahnen führen ins Leere, Dinos liegen geköpft auf der Wiese, Plastikschwäne dümpeln verloren über Entengrütze. Bis vor kurzem konnte man sich am Wochenende auf Führungen über das Gelände bewegen. Seitdem Berlin den Park in diesem Jahr zurückgekauft hat, sind diese allerdings nur noch außen rum, am Zaun entlang, möglich.
SPREEPARK BERLIN, Kiehnwerderallee 1, 12437 Berlin.
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Dismaland statt Disneyland
Im September 2015 zeigte der Streetart-Künstler Banksy an der Westküste Englands auf so unterhaltsame wie eindrückliche Weise, was für ihn ein Freizeitpark ist. Nämlich eine ziemlich trostlose Veranstaltung mit bizarren Gestalten und albtraumähnlichen Szenen: In seiner Disneyland-Parodie „Dismaland“ wurde eine Frau auf einer Bank von Möwen attackiert; auf dem Karussell drehte ein Schlachter seine Runden; ein Killerwal hopste aus einem Klo. Was sollte das Ganze? Kritik üben natürlich – und zwar an den Freizeitparks dieser Welt. „Man könnte sagen, es ist ein Themenpark, dessen großes Thema ist: Themenparks sollten größere Themen haben“, erklärte Banksy der BBC. Und machte gleich vor, wie das gehen kann: So dümpelten in einem kleinen Springbrunnen, da, wo in herkömmlichen Freizeitparks vielleicht lustige Plastikenten ihre Runden ziehen würden, voll besetzte Flüchtlingsboote en miniatur herum.