28. September 2023, 10:30 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Für manche ein lang gehegter Traum, für unsere Autorin eher ein unwilliger Kompromiss: Der Besuch in Disneyland Paris. 7 Dinge hat sie an diesem Freizeitpark hassen gelernt – und trotzdem wird sie wohl irgendwann wiederkommen.
Wenn mir im heimischen Berlin die Decke auf den Kopf zu fallen droht, hilft nur noch eins: Ich muss raus! Am besten in die Natur, am besten Wandern, am besten irgendwohin, wo sich wahlweise unendliche Weite oder unendliche Wellen vor mir ausbreiten. Doch diesmal plante ich die Ferien gemeinsam mit einer Freundin, und unsere Wahl fiel auf Paris. Vor der Großstadt in die Großstadt flüchten – ein guter Plan, wie uns schien. Wenigstens würde ich nun endlich den berühmt-berüchtigten Pariser Katakomben einen Besuch abstatten können. Doch meine Freundin hatte stimmungstechnisch andere Pläne: Sie schleifte mich ins Disneyland Paris.
Ausgerechnet Disneyland! 1994 eröffnet, 2230 Hektar groß, 41.000 Besucher pro Tag. Ohne auch nur jemals einen Fuß auf das Gelände gesetzt zu haben, fielen mir sofort 3 Gründe gegen einen Besuch dieser Ansammlung von Superlativen ein: Geld, Menschenmassen, wunde Füße. Und es sollten noch weitere hinzukommen.
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7 Dinge, die an Disneyland Paris hasse
1. Selbstbewusste Eintrittspreise
Das günstigste Ticket für eine erwachsene Person ist auf einen bestimmten Tag datiert, gilt nur für einen der beiden Parks – also entweder Disneyland Park oder Walt Disney Studio Park – und kostet trotz dieser Einschränkungen schon 62 Euro. An den Wochenenden oder bei einer spontanen Ticketbuchung klettern die Preise auf bis zu stolze 105 Euro für einen Tag in einem Park. Undatierte Tickets, Tickets für mehrere Tage oder beide Parks kosten dementsprechend mehr (Übersicht siehe hier).
Als erwachsen gelten außerdem alle ab 12 Jahren, was den Großteil der Zielgruppe einschließen dürfte. Eine vierköpfige Familie mit einem zehn- und einem dreizehnjährigen Kind zahlt also in der billigsten Option satte 243 Euro, hinzu kommen noch Anreise- und Verpflegungskosten. Ob es das wert ist? Selbst als Einzelperson könnte man sich für den durchschnittlichen Ticketpreis von 85 Euro irgendwo anders eine richtige schöne Woche machen. Ich zum Beispiel könnte für das Geld gleich dreimal die Katakomben besuchen.
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2. Shoppen, shoppen, shoppen
Die Tickets sind gekauft, der Blumengarten vor den Toren sowie der Hotelkomplex mit der Einlasskontrolle durchschritten. Prompt findet man sich auf der Main Street U.S.A. wieder und fühlt sich zurückversetzt in eine US-amerikanische Kleinstadt aus einer idyllischen Fantasiepoche. Souvenirladen reiht sich an Souvenirladen, Fastfood-Truck an Fastfood-Restaurant. Es ist ein kapitalistisches Fest und eine skurrile Kulisse, denn die Häuser sehen mit ihren zwei- bis dreistöckigen Fassaden seltsam niedrig aus. Sind die oberen Stockwerke tatsächlich ausgebaut oder geht es nur um den Schein? Was ist echt, was Märchen? Am Ende der Straße erhebt sich majestätisch Auroras Märchenschloss.
Ich fühle mich unangenehm hin- und hergerissen zwischen Staunen über die Kulisse und all den Shopping-Aufforderungen. Kindheitserinnerungen und Casey’s Food Corner passen für mich schlecht zusammen. Wer den Disneyland Park wieder verlassen will, muss sich erneut durch diese Shopping-Street arbeiten. Letztlich ist die Main Street U.S.A. im Disneyland Paris eine gigantische Quengelzone – also jenem Bereich an der Supermarktkasse nachempfunden, in denen Süßigkeiten Kinder und Eltern zu einem letzten Spontankauf verführen sollen.
3. Alles voller Menschen
Obwohl das Gelände von Disneyland Paris etwa so groß ist wie 3123 Fußballfelder, verstreuen sich die Massen nicht. Stattdessen ballen sie sich ausgerechnet dort zusammen, wo man sich selbst gerade aufhält. Und zwar immer! Wir haben den Disneyland Park an einem Freitag besucht, an dem mir das Gelände weder besonders leer noch besonders überlaufen erschien und dennoch kam es zu unschönen Szenen. So meinte eine besonders hochgewachsene Person, sich bei der Parade unbedingt in die erste Reihe stellen zu müssen und damit allen kleingewachsenen Menschen – Kindern – die Sicht auf die tanzenden Prinzessinnen, Mäuse und Enten zu versperren.
Während einer anderen Parade bahnte sich eine Amerikanerin forsch ihren Weg durch die stehende Menge. Ihr mühevoller Versuch, mich von hinten wegzuschubsen, scheiterte nur an der Rucksackfront vor mir. Blitzschnell kombinierte sie, dass es hier nicht weiterginge, und brüllte diese Erkenntnis ihrer Begleitung entgegen. Die Parade selbst war aber immerhin ganz hübsch anzusehen, besonders die prächtigen Festwagen von Maleficent und Elsa.
4. Absurd lange Wartezeiten
Weder meine Begleitung noch ich sind große Fans von Achterbahnen, denn das Leben ist uns Berg- und Talfahrt genug. Doch nach einer sehr moderaten Schifffahrt durch Jack Sparrows – Captain Jack Sparrows! – Piratenreich hatte ich Blut geleckt und wollte die Fahrt mit der Big Thunder Mountain wagen. Allerdings nicht allein. Ich bekniete meine Freundin so lange, bis sie augenrollend nachgab und ihr Pausenbrot wegpackte, nur zur Sicherheit. Freudig-nervös und von der eigenen Courage getrieben wollten wir uns in die Minenschächte der Bergwerksbahn wagen.
Anstehzeit: 50 Minuten. Bitte was!? Wartezeiten von einer Stunde sind leider keine Seltenheiten. Besonders bei beliebten Attraktionen wie den großen Achterbahnen oder den Fotosessions mit Figuren wie Darth Vader, Stitch und Co. ist viel Geduld gefragt. Wer es sich leisten kann und möchte, kann sich einen zusätzlichen Premier Access Pass kaufen. Alle anderen müssen sich erst 20 Minuten oder länger die Beine in den Bauch stehen, bevor sie drei Minuten mit dem Wunschgefährt fahren dürfen. Die Mine vom Big Thunder Mountain haben wir dann doch nicht betreten.
5. Kann man hier was machen?
Achterbahn oder Kinderkarussell fahren, Fotosessions einlegen und shoppen gehen – das kann man in Disneyland ganz wunderbar. Aber sonst? Man kann wie Alice einen Irrgarten ablaufen oder Piratenhöhlen entdecken, die aber enttäuschend leer sind. Irgendwie hatte ich erwartet, dass es neben den Fahrgeschäften mehr Interaktionsmöglichkeiten, sprich Spiele, gäbe. Dann würden sich vielleicht auch die Wartezeichen an den anderen Attraktionen verkürzen. Doch Fehlanzeige. Hier und da gibt es Ausstellungen zu Filmen, die an Freilichtmuseen erinnern. So kann man etwa durch Käpt’n Nemos Nautilus spazieren. Aber wirklich etwas machen? Schwierig. Gemessen an der Größe des Parks und der Ticketpreise hätte ich mehr erwartet. Ist man kein junges Kind und kein Achterbahnfan bleibt, außer gucken, nur wenig zu tun.
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6. Wo sind die neuen Filme?
Anders als meine Begleitung bin ich nicht wirklich mit den Zeichentrickfilmen von Disney aufgewachsen. Stattdessen habe ich später die computeranimierten Filme seit „Rapunzel – Neu verföhnt“ für mich entdeckt. Doch wer glaubt, der Erfolg der neuen Ära würde sich auch in Disneyland widerspiegeln, hat weit gefehlt. Lediglich bei den Paraden tanzen auch Joy aus „Alles steht Kopf“ und Miguel aus „Coco“ mit. Der Park ist natürlich älter als die neuen Filme, ihre fehlende Repräsentation hat mich dennoch überrascht.
7. Gezielter Gigantismus
Als wir durch den Wilden Westen des Parks laufen, der sich Frontierland nennt, fällt mir plötzlich die Kinnlade runter. Vor mir erhebt sich ein riesiger, rötlicher Berg. Ganz so, als hätte man ein Stück Landschaft aus dem Monument Valley ausgeschnitten, ein wenig verkleinert und in die Pariser Nachbarschaft gesetzt. Nicht weit entfernt von dem künstlichen Big Thunder Mountain reckt ein gigantischer begehbarer Baum seine betonierten Äste in den Himmel. Ist das genial oder Größenwahn? Ich kann mich nicht entscheiden.
Eins jedoch ist klar: Der Gigantismus ist geplant. Selbst das Gelände eines einzelnen Parks ist zu groß, als dass ein echter Fan an einem Tag genug davon erkunden könnte. Ganz zu schweigen vom Walt Disney Studio Park, den wir dieses Mal gar nicht schaffen konnten. Da muss ich wohl eines Tages wiederkommen.