10. September 2023, 14:37 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Mit seiner mehr als 250-jährigen Geschichte ist der Prater in Wien nicht nur das inoffizielle Wahrzeichen der Stadt, sondern auch einer der ältesten Vergnügungsparks der Welt. Einige Attraktionen, die heute zum festen Programm auf jedem Rummel oder Volksfest gehören, gab es erstmals hier. Doch leider hat der fröhliche Ort auch eine düstere Vergangenheit.
Im Wiener Bezirk Leopoldstadt befindet sich einer der wohl bekanntesten Vergnügungsparks auf der ganzen Welt. Und auch einer der ältesten, denn den Prater, so der Name des bei Touristen wie Einheimischen gleichermaßen beliebten Ortes, gibt es bereits seit mehr als 250 Jahren. Mit mehr als 250 Attraktionen begeistert er jedes Jahr mehrere Millionen Besucher. Kaum vorstellbar heute noch, das dies einst ein Ort war, der nur den Reichen und Mächtigen Österreichs zur Unterhaltung diente. Doch auch wenn der Prater heute ein Wahrzeichen für Freude und Spaß in Wien ist, gibt es in seiner Geschichte leider auch ein sehr dunkles Kapitel.
Es ist das Jahr 1766, als Kaiser Josef II. seinem Volk ein ganz besonders Geschenk macht. Ein Areal von sechs Millionen Quadratmetern, das fortan jedem als Erholungsgebiet dienen soll. In seinem Erlass spricht Josef laut dem „Wiener Paterverband“ von einem Ort, „um dort zu reiten, zu fahren … und und sich daselbst mit Ballonschlagen, Kegelscheiben und anderen erlaubten Unterhaltungen“ zu vergnügen. Das Dekret kommt einer sozialen Revolution gleich, denn zuvor hatte das einfache Volk hier keinen Zutritt. Im Gegenteil, Kaiser Maximilian II. hatte das gesamte Gebiet des Praters im Jahr 1560 zum kaiserlichen Jagdrevier erklären lassen.
Daher kommt der Name
Nach dem Beschluss von Kaiser Josef II. dauerte es nicht lange, bis sich am heutigen Prater die ersten Betriebe niederließen. Namentlich waren das zunächst vor allem Restaurants: 66 Weinwirte, 46 Bierwirte, aber auch Kaffeeröster und sogenannte Lebzelter, die Lebkuchen und andere Süßigkeiten herstellten. Dazu kamen Fleischselcher, also Menschen, die ihre Ware geräuchert verkauften. Es gab aber auch schon Kegelbahnen, Schaukeln, Karussells und für die Kinder ein Puppentheater. Von diesem hat der Ort auch seinen inoffiziellen Namen „Wurstelprater“.
Dieser erklärt sich daraus, dass in den beliebten Stücken meist eine Figur namens „Hanswurst“ die Hauptrolle spielte. 1873 rückte der Wiener Prater dann erstmals in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit, als hier die erste Weltausstellung auf österreichischem Boden stattfand. Laut der offiziellen Seite des Prater zeigten damals 53.000 Aussteller aus aller Welt ihre Attraktionen. Die Stadt Wien selbst ließ anlässlich des Ereignisses eine 109 Meter breite und 84 Meter hohe Rotunde bauen, die damals nicht weniger war als der größte Kuppelbau der Welt. 1937 fiel die Rotunde einem Brand zum Opfer, heute steht an ihrer Stelle das Hauptgebäude der Wiener Messe.
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Der Prater erhält sein Riesenrad
1895 dann ein weiterer Meilenstein, als auf dem Prater das Vergnügungsareal „Venedig in Wien“ eröffnete. Wie in der echten Lagunenstadt gibt es hier Wasserkanäle und Gondeln, Brücken und Paläste. Zur Einweihung dirigiert der berühmte Komponist Johann Strauß, der „Walzerkönig“. Dazu gibt es internationale Revuen und Kabarettvorstellungen. Nur zwei Jahre später erhielt die Stadt Wien dann ihr inoffizielles Wahrzeichen, als auf dem Gelände des Prater das ikonische Riesenrad gebaut wurde. 65 Meter hoch, verfügte es damals noch über 30 Waggons. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als das großflächig zerstörte Areal wieder aufgebaut werden musste, sind es nur noch 15.
1898 bekam der Prater die erste elektrisch betriebene Grottenbahn in ganz Europa, 1933 dann sogar die weltweit erste Geisterbahn. Was folgte, waren leider jedoch sehr düstere Jahre. Denn von der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland war bald auch Wien und damit der Prater betroffen. Am 12. März 1938 wurde Österreich an das Deutsche Reich „angeschlossen“, was eigentlich eine Annexion des Staatsgebietes bedeutete. In der Folge ließen die Nazis zahlreiche Betriebe im Prater als „unordentlich“ einstufen und umgestalten. So wurden Attraktionen mit fremdsprachigen Namen umgetauft, das Puppentheater mit dem beliebten Hanswurst fortan zur ideologischen Erziehung genutzt.
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Millionen Besucher jährlich
Schlimmer noch: Prater-Schausteller und Mitarbeiter, die per NS-Definition als „jüdisch“ galten, verwies man nun des Geländes. Ihre Betriebe wurden enteignet und von Mitgliedern der NSDAP oder deren Sympathisanten weiter geführt. Nicht wenige der Vertriebenen ließen später unter dem Terror-Regime sogar ihr Leben. 1945 dann brannte der Prater im Zuge von Bombardierungen großflächig ab. Nur fünf Betriebe und 18 Attraktionen überlebten damals den Feuersturm. Der Wiederaufbau und die Aufforstung des Geländes schritt jedoch schnell voran, und so klopfte bereits drei Jahre später Hollywood an. Teile des Filmklassikers „Der dritte Mann“ entstanden 1948 im Prater. Zwei Jahre zuvor hatte es hier im Oktober 1946 schon wieder die erste Messe gegeben.
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Am 7. April 1966 feierte der Prater seinen 200. Geburtstag, 2016 folgte das 250. Jubiläum. Viele der Attraktionen, die hier betrieben werden, befinden sich seit Generationen im Familienbesitz. Fahrgeschäfte wie die Grottenbahn oder der Toboggan, eine der ältesten Holzrutschen der Welt, gibt es immer noch. Aber auch neuere Highlights wie ein Windkanal oder ein Wachsfigurenkabinett von „Madame Tussaud“ locken unzählige Besucher an. Laut dem „Wiener Bezirksblatt“ kamen 2022 6,8 Millionen Touristen in den Prater. Für 2023 peilt man sogar an, die Sieben-Millionen-Marke zu sprengen.
Wenn Sie jetzt auch einmal Lust haben, einen der ältesten Vergnügungsparks auf der ganzen Welt zu besuchen: Der Prater ist das gesamte Jahr über geöffnet. Wenn Sie eine ganz bestimmte Attraktion besuchen möchten, lohnt sich vorher ein Blick auf die offizielle Webseite. Denn die Betriebe können ihre jeweiligen Öffnungs- und Schließzeiten selbst festlegen. Der Eintritt ist kostenlos, bezahlen muss man lediglich für die einzelnen Attraktionen – und das meist bar. Die Preise liegen zwischen jeweils 3,50 und 15 Euro. Tickets zum Beispiel für das Wachsfigurenkabinett oder das Riesenrad kann man auch vorab online reservieren.