13. Januar 2021, 15:35 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Eigentlich müsste eine Stadt wie Berlin doch einen Freizeitpark haben, finden viele. Und tatsächlich gab es ihn auch: Den Kulturpark Plänterwald, der 1969 zum 20-jährigen Jubiläum der DDR eingeweiht worden war. Nach dem Mauerfall wurde er als Spreepark modernisiert und weiter betrieben – bis zur Pleite 2001. Aktuell wird er umgebaut. TRAVELBOOK hat das Gelände besucht und erklärt, was die Stadt nun damit vorhat.
Wer vom Berliner Zentrum aus an der Spree entlang durch den Treptower Park läuft, kann es schon von Weitem sehen: das alte rote Riesenrad, das zwischen den Bäumen des Plänterwalds hervorragt. Bis vor ein paar Jahren hat es sich noch ab und zu gedreht, wenn auch nur noch vom Wind angetrieben. Mittlerweile aber steht es komplett still, und die Stadt hat mit dem Abbau des geschichtsträchtigen Fahrgeschäfts begonnen.
Seit Anfang Januar wird an dem 45 Meter hohen Riesenrad montiert. Zuerst wurden die 40 Gondeln abgenommen, anschließend geht es an die 40 Speichen, 8 Masten und an den Kranz. Mit drei Kränen sollen die Teile Stück für Stück abgebaut werden. Abgeschlossen sein soll der Rückbau bis zum 1. März. Die Teile sollen danach untersucht und ab 2023 saniert werden. Größere Teile sollen geröntgt werden. Die veranschlagten Kosten für die Sanierung: vier Millionen Euro.
Riesenrad soll sich 2024 wieder drehen
Warum wird das 220 Tonnen schwere Rad saniert? Das habe etwas mit Identität zu tun, sagt Christoph Schmidt, der Geschäftsführer der Grün Berlin GmbH, einer städtischen Unternehmensgruppe, die dem Park wieder neues Leben einhauchen will. Bei der Befragung der Bürger sei deutlich erkennbar geworden, wie sehr das Herz am Riesenrad hänge. Der Umgang mit den Besonderheiten dieses Ortes müsse behutsam sein.
Wieder drehen soll sich das Riesenrad voraussichtlich im Jahr 2024, dann soll der Kernbereich des Parks eröffnet werden. Es soll dann auch in neuem Glanz erstrahlen: Beleuchtet durch zeitgenössische Lichtkunst, entworfen von Künstlern und Ingenieuren. Erste Entwürfe sollen in diesem Jahr vorgestellt werden. Welche Veränderungen noch vorgenommen werden, blieb zunächst offen. Sicher sei aber, dass schon im kommenden Jahr im „Eierhäuschen“ genannten Ausflugslokal wieder Gäste empfangen werden sollen. Auch Künstlerresidenzen sind dort geplant.
Trostloser Eindruck
Ansonsten macht der einstige Vergnügungspark derzeit einen eher trostlosen Eindruck: Dinosaurier liegen geköpft im Gras, Achterbahngleise führen ins Nichts, Karussells rosten vor sich hin, verfallene Gebäude sind von Gestrüpp umgeben, die Natur wuchert wild.
All das konnte man sich noch bis November während Führungen ansehen, die von der Grün Berlin GmbH angeboten wurden. Ein richtiger Vergnügungspark soll es jedoch nicht mehr werden, eher eine Mischung aus Naherholungsgebiet und Begegnungsstätte für Kunst- und Kulturinteressierte. Auf Teilen des Areals soll jedoch auch der Lost-Place-Charakter erhalten bleiben, den der Spreepark sich mit seinem zunehmendem Verfall angeeignet hat. So soll etwa die alte Grand-Canyon-Achterbahn stehen bleiben, als Erinnerung an die alten Zeiten. Man wolle eine Brücke schlagen zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, heißt es auf der Webseite von Grün Berlin.
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Der Aufstieg und Fall des Berliner Spreeparks
Es war im Jahr 1969, als sich die Hauptstadt der DDR zu ihrem 20. Geburtstag das schönste Geschenk selbst machte: den Vergnügungspark im Plänterwald. Für den Kulturpark hatte man im nicht-sozialistischen Ausland für schwindelerregende 20 Millionen Valuta-Mark Karussells gekauft und spätestens nach dem DEFA-Kinderfilm „Spuk unterm Riesenrad“ aus dem Jahr 1979, in dem drei Gespenster aus der Geisterbahn auf einem fliegenden Staubsauger Richtung Harz türmten, kannte in der DDR den „Kulti“ jedes Kind. Als die Mauer fiel, erging es ihm dann wie so vielen anderen Betrieben in der DDR: Er wurde geschlossen.
Doch es dauerte nicht lange, da brachte das Ehepaar Pia und Norbert Witte, Schausteller aus Westdeutschland, wieder Schwung in den Spreepark, wie der Vergnügungspark nun hieß. Es wurde abgerissen und aufgebaut, der Aufschwung Ost nahm vorbildhaft Gestalt an. Doch das Geschäft mit den Fahrgeschäften fuhr nicht genug ein. Im November 2001 verließen Herr und Frau Witte von einem Tag auf den nächsten den Plänterwald Richtung Peru – und nahmen nicht nur ihre fünf Kinder und den Kakadu mit, sondern auch sechs der Fahrgeschäfte.
Was blieb und sich irgendwie wegtragen ließ, wurde in den folgenden Jahren von Einbrechern gestohlen, die im Park Vandalismus betrieben. Auch Fans von Lost Places verschafften sich Zutritt zum Gelände und ließen sich vom zunehmend morbiden Charme der verfallenden Fahrgeschäfte inspirieren. Bis die Stadt den Park schließlich zurückkaufte und vor Eindringlingen sicherte.
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Schrittweise Eröffnung ab 2022
Wie Grün Berlin auf ihrer Webseite schreibt, hat man von 2016 bis 2018 „im Dialog mit der Bevölkerung“ einen Rahmenplan für den neuen Spreepark konzipiert. „In der konkreten Projektplanung und -umsetzung wird der Spreepark Schritt für Schritt wieder für die Öffentlichkeit zugänglich“, heißt es. Erste Teile des neuen Parks könnten 2022 eröffnen.
Bereits begonnen hat die Sanierung des sogenannten Eierhäuschens, das ein Ausflugslokal mit einem großen Biergarten direkt am Wasser beherbergen soll. Zudem sollen darin Wohnungen für Künstler sowie Ausstellungsräume entstehen.
Extra Parkplätze sollen übrigens nicht entstehen, um der Natur so wenig Fläche wie möglich abzuringen. Stattdessen sollen die Besucher das Gelände mit einem Shuttle-Bus, per Fähre oder zu Fuß erreichen.