3. Juli 2023, 17:16 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die Sixtinische Kapelle in Rom ist wegen ihrer beispiellosen Kunstwerke eines der schönsten und meistbesuchten Gotteshäuser der Welt. Viele Maler arbeiteten an dem beeindruckenden Gebäude, und doch wird es heute vor allem mit dem Namen Michelangelo in Verbindung gebracht. Diesem sind die legendären Deckengemälde der Kapelle zu verdanken. Dabei hasste der große Maestro seine Arbeit vom ersten Tag an.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten eine Arbeit verrichten, die Sie hassen. Jeden Tag, vier Jahre lang. Und dennoch käme dabei am Ende eines der heute berühmtesten Kunstwerke der Weltgeschichte heraus. Was auf den ersten Blick absurd klingen mag, ist tatsächlich passiert, und zwar in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Sie ist eines der unbestrittenen Highlights der Vatikanischen Museen und zählt zu den schönsten und meistbesuchten Gotteshäusern überhaupt. Zahllose Werke zieren ihre Wände, doch keines ist so berühmt wie die Deckengemälde des großen Michelangelo. Doch worüber heute jedes Jahr Millionen von Touristen atemlos staunen, quälte die Kunst-Ikone bis aufs Blut.
In den Jahren 1473 bis 1481 entsteht in Rom die Sixtinische Kapelle. Sie ist mit gerade einmal 40 mal 13 Metern nicht besonders groß, aber sie war auch niemals für die Massen gedacht. Vielmehr wird sie für Papst Sixtus IV persönlich gebaut, nach dem sie auch benannt ist. Auf den Grundmauern eines älteren Gotteshauses, das früher an derselben Stelle gestanden hatte, errichtet sie der Architekt Giovanni dei Dolci in nur acht Jahren, wie die offizielle Webseite der Sixtinischen Kapelle berichtet. Und schon kurz nach ihrer Fertigstellung beginnen zahlreiche zeitgenössische Künstler damit, die Kapelle mit Wandbildern auszuschmücken.
Ein widerwilliger Maestro
Unter ihnen sind mit Sandro Boticelli, Domenico Ghirlandaio und Cosimo Rosselli einige der berühmtesten Maler aus Florenz. Ihnen schließen sich die einheimischen Pinturicchio, Bartolomeo della Gatta und Piero di Cosimo an. Sie alle zählen zu den bedeutendsten Künstlern der italienischen Renaissance. Am 15. August 1483 feiert die Sixtinische Kapelle zum Anlass von Maria Himmelfahrt ihre erste offizielle Messe. Die Kirche wird währenddessen gesegnet und der Jungfrau Maria gewidmet. Die zwölf Fresken, die die Künstler für das kleine Gotteshaus geschaffen haben, kann man bis zum heutigen Tag hier bewundern.
Doch es dauert noch bis zum Jahr 1508, bis mit dem heute berühmtesten Werk in der Sixtinischen Kapelle begonnen wird. Die Rede ist von den legendären Deckengemälden, die auf 500 Quadratmetern Szenen aus der Bibel zeigen, zum Beispiel aus dem Buch Genesis. Der Seite „History“ zufolge engagiert Papst Julius II. für das Hauptwerk der Kirche keinen geringeren als den schon zu Lebzeiten unsterblichen Michelangelo Bounarroti – und gegen dessen Willen. Denn Michelangelo, der sich selbst eher als Bildhauer denn als Maler sieht, arbeitete gerade an einem anderen, ebenfalls von Julius II. in Auftrag gegebenen Projekt, dessen Sarg, den er aus Marmor schlagen sollte.
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Vier Jahre Leiden
Da man einem Papst aber schlecht einen Wunsch abschlagen kann, akzeptiert Michelangelo schließlich die neue Herausforderung. Die nächsten Jahre schafft er die heute unsterblichen Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle. Doch es ist ein Job, den er von Anfang an hasst. Freunden gegenüber beschwert er sich unablässig über die anstrengende Arbeit, verewigt seinen Frust sogar in einem Gedicht. So klagt er unter anderem: „Ich bin nicht am richtigen Ort. Ich bin kein Maler“. Ebenso zählt er wortreich die zahlreichen körperlichen Beschwerden auf, die ihm die Arbeit an den Gemälden verursacht. Demnach habe er sich dabei sogar einen Kropf geholt, also eine Schwellung am Hals.
Dennoch nimmt er seinen Job vier Jahre lang sehr ernst. Erst 1512 vollendet er seine Malereien an der Decke. Zu den heute bekanntesten Szenen zählt „Die Erschaffung Adams“, das zu einer wahren Ikone der Kunstwelt wird. Insgesamt hat Michelangelo an den „Himmel“ der Kapelle am Ende mehr als 300 Figuren gezeichnet. Und obwohl er seine Arbeit so verachtet, kehrt der Künstler 1534 noch einmal zurück, um der Kirche ein weiteres Meisterwerk zu schenken. Das Wandbild „Das Jüngste Gericht“ hat eine derart epische Größe, dass bis zu seiner Fertigstellung sieben Jahre vergehen.
Wo heute neue Päpste gewählt werden
Nur ein Jahr nach dem Tod von Michelangelo im Jahr 1564 erlebt die Sixtinische Kapelle dann eines ihrer skurrilsten Kapitel. Der Seite „Archeoroma“ zufolge stören sich zahlreiche Kirchenvertreter plötzlich an der Nacktheit vieler dargestellter Figuren. Und so beschließt man, die ganzen Nackten müssten ihre Blöße zumindest mit einem Feigenblatt bedecken. Diese ehrenvolle Aufgabe übernimmt der Maler Daniele da Volterra schließlich in mühevoller Handarbeit. Zensur auf Kirchenart. Sie fragen sich, warum dann heute wieder der Schambereich der Dargestellten erneut sichtbar ist? Nun, im Zuge von Restaurationsarbeiten, die zwischen 1980 und 1999 stattfanden, ließ man die Feigenblätter wieder verschwinden. So können wir heute Michelangelos Nackte in all ihrer Pracht bewundern.
Seit 1878 ist die Sixtinische Kapelle übrigens auch ein für die Kirchengeschicke äußerst bedeutsamer Ort. Denn seit dieser Zeit zieht sich hier das päpstliche Konklave zurück, wenn es gilt, einen neuen „Vertreter Gottes auf Erden“ zu wählen. Dies geschieht immer dann, wenn ein alter Papst entweder stirbt oder zurücktritt. Auf diese Weise wurde 2013 auch der aktuelle Papst Franziskus gewählt, als sein deutscher Vorgänger Benedikt XVI. auf sein Amt verzichtete. Ist die Entscheidung für einen neuen Kandidaten gefallen, steigt aus dem Schornstein der Kapelle weißer Rauch auf, und schon bald wird verkündet: „Habemus papam“. Wir haben einen neuen Papst.
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Kirche in Gefahr
Pro Jahr kommen heute laut der offiziellen Seite etwa sechseinhalb Millionen Menschen in die Vatikanischen Museen. Wegen des täglich immensen Andrangs ist eine Vorabreservierung online quasi unerlässlich. Montags bis samstags ist das Gotteshaus von 9-1von 9 bis 188 Uhr für Besucher geöffnet, jeden letzten Sonntag im Monat zudem von 10.30-14 Uhr. Die Tickets, die man auch gleich auf der offiziellen Seite buchen kann, starten preislich aktuell bei 27,50 Euro. Dort heißt es aber auch, man solle sich die Bilder am besten bereits vorab aus einer anderen Quelle anschauen, da es ob der massiven Besucherströme nahezu unmöglich sei, sie vor Ort in Ruhe zu genießen.
Tatsächlich sind Experten bereits seit Jahren besorgt, die Sixtinische Kapelle und ihre sensiblen Meisterwerke könnte durch den enormen Besucherandrang Schaden nehmen. Bislang war das nur ein einziges Mal in ihrer Geschichte der Fall. 1797 stürzte ein Teil des Himmels aus Noahs biblischer Flut von der Decke zu Boden, als sich in einem nahen Schwarzpulver-Depot eine Explosion ereignete. Ansonsten können Besucher die legendären Fresken noch nahezu so genießen, wie sie vor mittlerweile mehr als 500 Jahren geschaffen wurden.