26. Februar 2024, 17:43 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
In ihrer fast tausendfünfhundertjährigen Geschichte hat die Hagia Sophia in Istanbul viel gesehen. Mehrfach zerstört und wieder aufgebaut, ist sie eines der größten und bedeutendsten Gotteshäuser der Welt. Dabei konnte hier bis 2020 fast 90 Jahre lang nicht gebetet werden.
Denkt man an die bedeutendsten und beeindruckendsten Gotteshäuser auf der ganzen Welt, würde den Meisten wohl mit als erstes die Hagia Sophia in Istanbul einfallen. Seit fast 1500 Jahren überragt die stolze Moschee die Stadt am Bosporus, und hat in dieser Zeit eine mehr als bewegte Geschichte erlebt. Erbaut einst als chirstlich-orthodoxe Kirche, wurde sie später zu einer Moschee und dann einem Museum – und 2020 schließlich wieder zu einer Moschee. Unesco-Welterbe und die größte Touristenattraktion der Türkei ist sie sowieso. TRAVELBOOK erzählt ihre Story.
Es ist das Jahr 360 nach Christus, als der römische Herrscher über Konstantinopel (heute Istanbul, die Redaktion), Constantius II., eine Kirche einweiht. Er nennt sie „Megale Ekklesia“, was laut „Encyclopedia Britannica“ übersetzt soviel bedeutet wie „großartiges Gotteshaus“. Erst etwa ein Jahrhundert später soll das Gebäude mit dem Namen bekannt werden, unter dem es heute in aller Welt berühmt ist: Die Hagia Sophia. Erbaut auf den Ruinen einer heidnischen Kultstätte, ist der Sakralbau die erste Manifestation des sich gerade erst etablierenden christlichen Glaubens in der Stadt.
Eine Ikone entsteht
Nur 44 Jahre später jedoch brennt das Dach der ersten Version der späteren Hagia Sophia nieder, als während eines Aufstandes ein Feuer ausbricht. 414 schließlich weiht Herrscher Theodosius II. nach zehn Jahren Wiederaufbau eine neue Kirche ein, ebenfalls gewidmet dem christlich-orthodoxen Glauben. Dieser Bau soll immerhin 118 Jahre lang überdauern, bevor auch er zerstört wird. So kommt es im Jahr 532 zu einer Erhebung gegen Kaiser Justinian. Während einer einwöchigen Gewaltorgie verlieren zehntausende Menschen ihr Leben, wird mehr oder weniger die halbe Stadt dem Erdboden gleichgemacht.
Dennoch kann sich Justinian an der Macht halten, und gibt noch im selben Jahr den Bau der Hagia Sophia in Auftrag. In der absoluten Rekordzeit von nur sechs Jahren bauen die Architekten Anthemios von Tralleis und Isidor von Milet ein Gotteshaus, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Sie hatten sich bereits beim Bau anderer Kirchen in der Stadt ausgezeichnet, doch die Hagia Sophia wird ihr Meisterwerk. Ihr Name bedeutet übersetzt soviel wie „göttliche Weisheit“. Auch heute, nach fast 1500 bewegten Jahren, steht sie noch, und zieht jährlich Millionen Menschen in ihren Bann. Am 27.Dezember 537 findet hier die erste Messe statt.
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Fast 1500 Jahre Geschichte
Was die beiden Architekten geschaffen haben, ist ein wahrer Monumentalbau, der lange Zeit die größte Kirche der gesamten Christenheit bleiben soll. Der Seite „History“ zufolge hat Kaiser Justinian für ihren Bau Material aus all seinen Provinzen liefern lassen. Der Marmor für den Kirchenboden kommt aus Anatolien und Syrien, andere Teile aus Nordafrika. Die insgesamt 104 Säulen der Hagia Sophia lässt man aus dem Tempel der Artemis in Griechenland und aus Ägypten importieren. Justinian erhält in der Folge den respektvollen Beinamen „Erbauer der Welt“, lässt während seiner Herrschaft noch unzählige weitere Kirchen errichten. Keine jedoch reicht in ihrem Glanz an die Hagia Sophia heran.
Mehr als 80 Meter lang und gut 73 Meter breit erhebt sich der Sakralbau, dessen gewaltige Kuppel in einer Höhe von bis zu knapp 55 Metern thront. Die Hagia Sophia, die auch heute in Istanbul steht, ist in großen Teilen noch das originale Prunkgebäude aus dieser Zeit. Damals erlangte der Bau eine solche Bedeutung, dass sämtliche Kaiser der Reiches sich fortan hier krönen ließen. Als 557 bei einem Erdbeben die Domkuppel einstürzt, ersetzt man sie bis 563 – bis heute überdauert dieser imposante Teil des Monumentalbaus seitdem.
Eine Kirche wird zur Moschee
Doch die Hagia Sophia erlebt in den folgenden Jahrhunderten auch viele düstere Zeiten. 1204 wird sie beim Vierten Kreuzzug von den Venezianern und Kreuzfahrern geplündert. Zahlreiche unersetzbare Reliquien verschwinden dabei aus dem Gotteshaus, so zum Beispiel ein Stück von vermeintlich echten Kreuz, an dem Jesus starb. Pikant: Zahlreiche dieser Heiligtümer befinden sich heute im Besitz von Kirchen in ganz Europa. Im Jahr 1453 dann erobern die Türken unter Mehmed II. Konstantinopel – und die zu diesem Zeitpunkt vielleicht bedeutendste christliche Kirche der Welt wird in eine muslimische Moschee umgewandelt.
Die neuen ottomanischen Herrscher sind es auch, die die Hagia Sophia um zahlreiche bauliche Elemente erweitern. Sie lassen aber auch nahezu alle Spuren ihrer christlichen Vorgänger verschwinden, so unter anderem kostbare Mosaike. In dieser Zeit wurden auch die vier charakteristischen Minarette gebaut, die die Hagia Sophia heute noch zieren. 1847-49 erhält die Moschee durch die Schweizer Brüder Fossati dann eine umfassende Renovierung. Dabei legen diese die Mosaike zunächst wieder frei, müssen sie dann aber auf Geheiß des Sultan Abdulmejid erneut überdecken.
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Heute wieder ein Gotteshaus
1923 dann gründet Mustafa Kemal Atatürk die Republik Türkei, deren erster Präsident er auch wird. Unter seiner Ägide wandelt sich die Moschee in ein Museum. Erst 2020 dann widerruft der heutige türkische Präsident Erdoğan diese Entscheidung, und macht die Hagia Sofia wieder zu einem muslimischen Gotteshaus. Bereits seit 1985 ist sie Teil des Unesco-Welterbes, und wird heute jährlich von Millionen von Touristen besucht. Laut der offiziellen Tourismus-Webseite der Stadt Istanbul ist das Gotteshaus rund um die Uhr für Besucher geöffnet. Der Eintritt ist kostenlos.
Dennoch gilt es bei einem Besuch der Hagia Sophia einiges zu beachten. Denn sie ist zwar nach wie vor für Touristen geöffnet, in erster Linie aber wieder eine Moschee. Besucher werden daher gebeten, vor dem Betreten ihre Schuhe auszuziehen und außerdem Knie, Schulter und Oberarme zu verhüllen. Frauen müssen zudem ihr Haar bedecken. Fotografieren ist innerhalb des Gebäudes erlaubt, allerdings darf man keine betenden Menschen knipsen. Zudem ist jeder Besucher dazu angehalten, sich still und respektvoll zu verhalten. Das Betreten der Moschee zu Gebetszeiten ist zudem nicht möglich.