24. Januar 2024, 15:29 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die „Highline 179“ im österreichischen Bundesland Tirol war laut Guiness-Buch der Rekorde zeitweise die „längste Füßgängerhängebrücke der Welt“. TRAVELBOOK-Autorin Louisa Stoeffler hat sich trotz Höhenangst getraut, den Abgrund in luftiger Höhe zu überqueren.
„Ich habe Höhenangst“ – als Satz von einer Autorin, die ihre Erfahrungen auf einer der längsten Fußgängerhängebrücke der Welt im Tibetstyle beschreibt, mag das zunächst komisch klingen. Es ist allerdings so. Schon als kleines Kind hatte ich Angst vor Höhen und mir wurde flaumig im Magen, wenn ich etwa aus dem dritten Stock nach unten schaute. Was macht so jemand wie ich also auf der „Highline 179“, die es 2014 ins Guinnessbuch der Rekorde als „längste Füßgängerhängebrücke der Welt“ in der Kategorie „Tibetstyle“ geschafft hat? Ein Grenzerlebnis wagen, natürlich.
Highline 179, die Brücke, die mich an meine Grenzen brachte
Im August 2023 waren mein Partner und ich für zwei Wochen auf Wanderurlaub in Tirol. Fernwanderungen haben wir schon mehrere hinter uns gebracht, indem wir uns von Gipfel zu Gipfel und von Campingplatz zu Campingplatz durchschlugen.
Denn ich liebe die Natur und vor allem die Berge. Ich bin vielleicht nicht die schnellste Kraxlerin am Pass, aber nach oben – und vor allem wieder herunter – komme ich immer. Es ist für mich also eine komplexe Sache, den nächsten Aufstieg zu wagen. Einerseits suche ich die Entspannung und die Einheit mit meinen Gedanken, andererseits besiege ich auch jedes Mal aufs Neue meine Höhenangst.
Nach der Zugspitze ein Klacks?
Einen Tag, bevor wir uns auf die Highline 179 getraut haben, sind wir von der Tiroler Seite binnen zehn Stunden auf die Zugspitze gewandert. Was sollte mir also passieren, nachdem wir schon den höchsten Berg Deutschlands bezwungen hatten?
Am nächsten Tag machten wir uns also von unserem Campingplatz auf in die Burgenwelt Ehrenberg, wo sich die Highline 179 befindet. Die Idee zu dem Ausflug war sogar meine – allerdings weniger wegen der Brücke, sondern wegen der Burgen und dem angeschlossenen Erlebnismuseum „Dem Ritter auf der Spur“.
Der „Sehenswürdigkeiten-Komplex für geschichtlich Interessierte“ liegt in der Naturparkregion Reutte in Tirol. Und getreu dem Namen kann man vor Ort viele restaurierte Burgen betrachten und etliches über die Geschichte des österreichischen Bundeslandes lernen. Die Burgen sind alle kostenlos zugänglich. Nur für die beiden Schräg-Aufzüge und die Highline 179 entrichtet man einen Obolus, der dem Erhalt der Bauwerke zugutekommt.
Wo moderne und historische Baukunst aufeinandertreffen
Früher dienten die Ehrenberger Klause und die umliegenden Festungen als wichtige Zollstation zwischen verschiedenen Handelsrouten. Dass dies ein guter Platz dafür war, war auch den antiken Römern bereits bekannt. Die Burgenwelt befindet sich nämlich auf der berühmten römischen Fernstraße Via Claudia Augusta, auf der man heute über 700 Kilometer Fern-Radweg die Alpen überqueren kann.
Das sich auch in der Burgenwelt befindliche Fort Claudia wurde nach Claudia de Medici benannt, die im 17. Jahrhundert Großfürstin von Österreich und Erzherzogin von Tirol war. Und um zu diesem historischen Fort zu kommen, gibt es nur einen, schnellen Weg: die Highline 179.
„Blick mit Kick“ auf der Highline 179
Zunächst einmal ein paar Daten: Die Highline 179 ist 406 Meter lang und 114 Meter hoch. Steht man darauf, hat man einen 360-Grad-Panorama-Blick auf die umliegenden Gipfel und kann (im Sommer) die Burgruinen durch das dichte Grün gerade noch erahnen.
Sie wird von acht kräftigen Felsankern gehalten und erlaubt maximal 500 Personen, sich darauf in beiden Richtungen zu bewegen. Man läuft auf einem Gitternetz, durch das man bis zu 106 Meter tief auf die darunter verlaufende Straße schauen kann. Auf der Website der Brücke wird dies als „Blick mit Kick“ bezeichnet. Und das ist es.
Ich selbst habe nur ganz kurz zum Ende der Überquerung einmal nach unten geschaut und bin zielstrebig, leicht angespannt, die Natur genießend, über die Brücke gelaufen. Mein Partner (ohne Höhenangst) hatte zunächst gar keine Probleme, doch dann schaute auch er nach unten. Er beschrieb die Erfahrung als grenzwertig und fühlte ebenfalls Furcht, aber auch Respekt vor der Natur und zugleich der menschlichen Baukunst.
Selfie-Tourismus und Selbstüberschätzung
Über diese freischwebende Brücke zu laufen, war für mich eine neue Erfahrung. Eine, auf die ich mich bewusst eingelassen habe, um meine Furcht herauszufordern und sie immer wieder kleinzuhalten. Ich könnte auch einfach sagen: „Ich kann das nicht, ich habe Angst davor“ – doch ich wollte auch Fort Claudia sehen.
Viele auf der Brücke schienen noch größere Probleme mit der Überquerung zu haben als ich. Eine Mutter direkt vor mir hielt sich an ihren beiden Kindern und dem Geländer fest und tappte langsam vor sich hin, sprach immer wieder davon, umdrehen zu wollen.
Andere liefen nur bis zur Mitte, versperrten den Weg für ihre Selfies und schauten dann nach unten, wobei ihnen die Farbe aus dem Gesicht wich. Langsam schleppten sich einige Selfie-Touristen dann wieder ans Ende der Brücke zurück. Wer also auf diese Brücke geht, sollte sich selbst gut einschätzen können.
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Hunde auf der Brücke? Besser nicht
Besonders schlimm war die Überquerung für einen Golden Retriever, der auf einem Familienausflug mit dabei war. Davon, seine Hunde mit über diese Brücke zu nehmen, kann ich nur absolut abraten!
Obwohl sie gratis auf die Brücke dürfen, besteht der Boden, wie schon beschrieben, aus einem durchsichtigen Gitterrostboden. „Dies könne den Pfoten des Hundes wehtun“ heißt es dazu auf der Website der Highline 179. Bei kleineren Hunden ist sogar noch mehr Vorsicht geboten, denn sie könnten sogar in der offenen Struktur stecken bleiben. Die Website empfiehlt daher, den Tieren Hundeschuhe anzuziehen, oder sie direkt über die Brücke zu tragen.
Dies riet ich auch den Besitzern des Golden Retrievers sehr deutlich an, denn das Tier hatte panische Angst über den tiefen Abgrund zu laufen. Wer seinen Hund liebt, setzt ihn bitte auf keinen Fall diesem Stress aus. Denn die Tiere verstehen nicht, warum sie scheinbar in der Luft laufen sollen und doch nicht herunterfallen.
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Wo Rentner zu Lausbuben werden
Das Ende der Highline 179 zu erreichen, war für mich ein kleiner Triumph. Ich hatte meine Angst beim Schopf gepackt und mich nicht von ihr unterkriegen lassen. Das Fort Claudia zu erreichen, war ein echtes, kleines Highlight für mich. Auch der Ausblick auf die Highline 179 und die Burg Ehrenberg waren die Grenzerfahrung auf jeden Fall wert.
Hat man die Hängebrücke einmal überquert, kann man entweder denselben Weg zurücknehmen oder einen kleinen Waldspaziergang machen, bis man das Talniveau wieder erreicht hat. Wir hatten zunächst geplant, ein zweites Mal über die Brücke zu laufen.
An den Drehkreuzen angekommen, hörten wir eine Gruppe hinter uns jauchzten: „Das war so aufregend! Und auf dem Weg zurück wackeln wir noch viel, viel mehr“. Eine Rentnergruppe auf einem Tagesausflug hatte beschlossen, die Menschen auf der Brücke absichtlich in Angst und Schrecken zu versetzen.
Natürlich hat die Highline 179 auch diesen „Lausbubenstreich“ schadlos überstanden. Und wir hatten einen schönen Spaziergang durch den Wald auf festem, nicht schwankendem Boden.