25. September 2019, 19:53 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Der Stadtteil Beyoğlu ist vielleicht der bekannteste Teil Istanbuls: Hier befindet sich der Taksimplatz, die blaue Moschee und die Hagia Sophia. Seit einer Woche erregt aber auch etwas anderes die Aufmerksamkeit der Passanten: An der Rückwand eines Hochhauses in der Kabataş-Straße 85 prangen 440 Paar schwarze High-Heels. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein harmloses Kunstwerk, hat eine sehr ernste, politische Botschaft.
Wie eine Mode-Inszenierung wirken die vielen Higheels-Schuhe zunächst, die nebeneinander an der Wand des Yanköşe-Hochauses im Herzen Istanbuls an die grauen, kahlen Wände des Gebäudes montiert wurden. Doch dahinter steckt ein politischer Appell: Der türkische Künstler Yahit Tuna hat die Installation in Gedenken an die 440 Frauen, die allein im Jahr 2018 in der Türkei von Männern ermordet worden sind, geschaffen. Für jede Frau hat er ein Paar Schuhe angebracht.
„Ich spiele damit auf die türkische Tradition an, die Schuhe eines Verstorbenen vor die Haustür zu stellen“, sagt der Künstler im Interview mit TRAVELBOOK. „Diese Arbeit soll Aufmerksamkeit für die Gewalt gegen Frauen schaffen und eine öffentliche Debatte anregen. Die Anzahl der Gewalttaten gegen Frauen steigt nämlich nicht nur in der Türkei, sondern leider überall auf der Welt, da unsere Gesellschaft immer noch vom Patriarchat kontrolliert wird. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Gewalt gegen Frauen zu beenden.“
„Diese Arbeit soll der ermordeten Frauen gedenken“
Einzelne Frauen kritisierten auf Twitter die Entscheidung von Tuna, nur High-Heels gewählt zu haben, um Frauen zu repräsentieren. Auf Nachfrage von TRAVELBOOK erklärt Tuna diese Entscheidung so: „Männer versuchen in der Türkei Frauen ständig zu dominieren: Warum ist dein Rock so kurz, trag lieber Hosen! Senke deine Stimme und lach nicht so laut! Manche Männer fühlen sich schon vom Geräusch von Absatzschuhen provoziert.“
Er habe die High Heels nicht wegen ihrer Verbindung zur weiblichen Sexualität ausgewählt, sondern bewusst ausgewählt, weil sie Männer konfrontieren sollen, die sich vom Status dieser Schuhe bedroht fühlen. „Schuhe sind unser Instrument der Freiheit und Selbstbestimmung, wir gehen damit wohin wir wollen.“ Als Farbe der Schuhe habe er dagegen schwarz gewählt, weil sie Leid und Trauer ausdrücken sollen. Sein Kunstwerk hat Vahit Tuna „Isimsiz“ (zu deutsch „Namenlos“) gennant. Er will damit darauf aufmerksam machen, wie schnell die Morde an Frauen in der Türkei vergessen werden, und das nichts gegen sie unternommen wird.
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Zuletzt demonstrierten zahlreiche Frauen in Istanbul, um gegen die hohe Anzahl von Morden zu protestieren, wie die Deutsche Welle berichtete. Auslöser für die jüngsten Proteste war der Mord an einer jungen Frau, die im August 2019 vor den Augen ihrer gemeinsamen Tochter von ihrem Ex-Mann erstochen wurde. Daraufhin floh sie blutüberströmt in ein Restaurant und brach tot zusammen: Ein Handy-Video dieser Ereignisse kursierte kurz darauf in den sozialen Netzwerken und löste die Demonstrationen aus.
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Die Installation von Yahit Tuna soll noch sechs Monate lang an der Hauswand installiert bleiben.