25. Juli 2023, 5:59 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Nahe der isländischen Stadt Húsafell befindet sich eine der spektakulärsten Attraktionen des Landes. Bei der Tour „Into the Glacier“ kann man den Langjökull-Gletscher erkunden – und zwar von innen. Hier, mitten im Herz des Giganten, befindet sich die größte von Menschen gemachte Eis-Höhle auf der ganzen Welt. Ihre Dimensionen sind wahrhaft beeindruckend.
Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass Island mit atemberaubenden Naturwundern geradezu gesegnet ist. Doch nahe der Stadt Húsafell gibt es ein ganz besonderes, denn seine Entstehung ist dem Menschen zu verdanken. Hier kann man den Langjökull-Gletscher erkunden, nach dem Vatnajökull der zweitgrößte seiner Art überhaupt in Island und der viertgrößte Europas. Das allein wär vielleicht noch nicht wirklich außergewöhnlich, sind doch Gletschertouren in Island mittlerweile bei Anbietern ein beliebtes Tagesgeschäft. Doch die Attraktion, bzw. Tour „Into the Glacier“ führt Touristen mitten in das Innere des Giganten.
Laut der offiziellen Seite von „Into the Glacier“ befindet sich hier nicht weniger als die größte menschengemachte Eis-Höhle der Welt. Zu ihr führt ein etwa 500 Meter langer Tunnel, ebenfalls in das jahrtausendealte Gletscher-Eis gehauen. Der Zugang zu der Höhle ist drei Meter hoch und dreieinhalb Meter breit, die Höhle selbst misst sieben mal zehn Meter. Es sei zwar nicht mehr als ein „Tropfen in einer Badewanne“, wie die Betreiber auf ihrer Webseite schreiben. Sie spielen damit auf die Größe des Langjökull an, dessen Eis-Panzer eine Fläche von etwa 950 Quadratkilometern bedeckt. Dennoch ist es eine bauliche Meisterleistung.
Aus dem Eis gehauen
2010 hatten die beiden Einheimischen Baldvin Einarsson und Hallgrimur Örn Arngrímsson die Idee zu „Into the Glacier“. Sie wollten es Touristen ermöglichen, das ganze Jahr über gefahrlos Europas viertgrößten Gletscher erkunden zu können. Es folgte zunächst eine Planungsphase, in der der Ingenieur und Geophysiker Ari Trausti Guðmundsson die Machbarkeit des Plans eruierte. Würde man einen Tunnel und eine Höhle in das Eis eines Gletschers schlagen können? Und wenn, wie? Schnell war klar, es würde gehen – doch die Anstrengungen dafür wären enorm. Genauso wie die Kosten.
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Anhand von Computer-Modellen nahm man Berechnungen für das bis dato einmalige Bauprojekt vor. Und dann wurde 14 Monate lang geklotzt – und zwar wörtlich. 5500 Kubikmeter Eis mussten aus dem Massiv des Langjökull gegraben werden. Dafür verwendete man unter anderem eine große Maschine, die sonst zum Schneiden von Sandstein eingesetzt wird. Zusätzlich mussten der Abraum regelmäßig entfernt und Belüftungsschächte in das Eis getrieben werden, um die Sicherheit der Arbeiter zu garantieren. Im Winter blockierten regelmäßig teils massive Schneefälle den Zugang zu Tunnel und Höhle. So sehr, dass man zur Räumung Bulldozer einsetzte. In den Sommermonaten wiederum drohte Gefahr durch Schmelzwasser, welches ohne Vorwarnung Spalten im Langjökull-Massiv aufreißen und/oder vergrößern konnte.
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Schönheit in Gefahr
Das Resultat ist umso beeindruckender, wenn man diese Vorgeschichte kennt. 2015 eröffnete „Into the Glacier“ schließlich, und hat sich seitdem zu einer massiven Touristenattraktion in Island entwickelt. Besucher betreten eine unwirklich schön erscheinende Welt, denn das Eis in Tunnel und Höhle schimmern in einem magischen Blau. Dieser Effekt entsteht, wenn auf dem Eis derart viel Druck lastet, dass sämtliche Luft daraus gepresst wird. Die Gletscherdecke der Höhle über den Gästen ist 25 Meter dick, und unter ihren Füßen liegen noch einmal 200 Meter pures Eis. Um dieses menschengemachte Wunder zu erhalten, ist immer noch regelmäßig viel Arbeit vonnöten.
Der Grund dafür ist, dass sich der Langjökull-Gletscher, wie alle seiner Art, bewegt. Nach menschlichen Maßstäben zwar im Schneckentempo. Jedoch müssen Tunnel und Höhle so regelmäßig gewartet werden, um ihre Sicherheit und damit die der Besucher zu garantieren. Ganz günstig sind die „Into the Glacier“-Touren wahrscheinlich auch deshalb nicht, im Gegenteil. Wer von der Hauptstadt Reykjavik aus eine 11-stündige Tagestour buchen möchte, zahlt aktuell laut Webseite ab 33.999 Isländische Kronen (ca. 232 Euro).
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Die Betreiber empfehlen für eine Besuch das Tragen von warmer, wasserdichter Kleidung. Sie raten zudem zu einer warmen Kopfbedeckung, Schal und Handschuhen. In der Eishöhle herrschen dauerhaft Temperaturen um die 0 Grad Celsius. Dennoch dürfte ein Besuch hier ein einmaliges Erlebnis sein. Eines, dass man wohl leider nicht mehr allzu lange haben kann. Denn geht die globale Erwärmung ungemindert weiter wie bisher, könnte der Langjökull-Gletscher, dessen Fläche aktuell größer ist als die der Stadt New York, in spätestens 100 Jahren vollständig geschmolzen sein. Bereits 2014 verschwand in Island der Okjökull-Gletscher für immer. Insofern sollte das Abenteuer „Into the Glacier“ Besucher hoffentlich nicht nur an die Schönheit der Natur erinnern. Sonder auch daran, wie gefährdet sie aktuell leider ist.