28. Juli 2021, 6:08 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Es gibt Ortsnamen, die wohl für alle Ewigkeit Grauen auslösen. Theresienstadt gehört dazu. Es ist Synonym für die unaussprechlichen Verbrechen der Nationalsozialisten. In der 60 Kilometer nördlich von Prag entfernt gelegenen Stadt, die heute Terezin heißt, erinnert eine Gedenkstätte an das einstige Konzentrationslager Theresienstadt.
Mehr als 88.000 Gefangene wurden von Theresienstadt aus in die Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka, Majdanek oder Sobibor deportiert. Insgesamt wurden bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges etwa 140.000 Menschen nach Theresienstadt gebracht. Es ist schwer, das Ausmaß dieser Zahlen zu erfassen, wenn man die auf dem Areal eingerichtete Gedenkstätte besucht. Das Grauen aber spürt man in Theresienstadt sofort. Es erfasst Besucher, wenn sie den Schriftzug „Arbeit macht frei“ lesen oder die endlosen Reihen von Grabsteinen auf dem Nationalfriedhof sehen. Und wenn sie im Ghetto-Museum über die Verbrechen informiert werden, die hier einst begangen wurden.
Das Museum im einstigen Knabenheim zeigt auch, wie verzweifelt Erzieher damals versuchten, den gefangenen Kindern Momente von Normalität zu geben. Ausstellungen in Theresienstadt informieren über jüdische Gebetszeremonien, über die Verwaltung des Ghettos oder über Beerdigungsfeiern. Einige der Bauwerke, darunter das Kolumbarium, in dem die Asche der Opfer aufbewahrt wurde, können besichtigt werden.
Theresienstadt – von der Festungsstadt zum Konzentrationslager
Und man erfährt viel über die Geschichte Theresienstadts, das ziemlich genau zwischen Dresden und der tschechischen Hauptstadt Prag liegt: 1940 war in Theresienstadt, das Ende des 18. Jahrhunderts von Kaiser Joseph II als Festungsstadt errichtet worden war, ein Gestapo-Gefängnis in der sogenannten Kleinen Festung eingerichtet worden. Ein Jahr später kam ein Sammel- und Durchgangslager für böhmische und mährische Juden dazu.
Nach der Wannseekonferenz wurde beschlossen, Theresienstadt zum „Ghetto der Alten“ zu machen. Fortan wurden hauptsächlich Juden ab 65 Jahren und Prominente hierher deportiert, darunter der Psychologe Viktor Frankl und der Jazz-Musiker Coco Schumann. Beide überlebten die Gefangenschaft. 43.000 Menschen aus Deutschland, 15.000 aus Österreich, 5000 aus den Niederlanden, 1500 aus der Slowakei und dazu noch viele Menschen aus anderen Ländern wurden nach Theresienstadt gebracht.
Entsetzliche Lebensbedingungen in Theresienstadt
Das Leben im Ghetto war brutal. Es gab zu wenig Platz für die Häftlinge, die auf Betonfußböden oder Stroh schlafen mussten. Rauchen oder Briefeschreiben war verboten. Wer dabei erwischt wurde, dem drohte die Todesstrafe. Die hygienischen Verhältnisse waren katastrophal, was zu Infektionen und Epidemien führte. Die Lebensmittel reichten bei weitem nicht aus. Hinzu kam schwere körperliche Arbeit. 33.430 Häftlinge überlebten die Gefangenschaft in Theresienstadt nicht. Auch mehr als 15.000 Kinder waren hier untergebracht, die meisten von ihnen wurden in die Vernichtungslager deportiert.
Kinderoper „Brundibár“
Dennoch gelang es den Nationalsozialisten, den Ort als „Vorzeigelager“ zu präsentieren und selbst eine Kommission des Internationalen Roten Kreuzes zu täuschen. Ein Propagandafilm und die Aufführung der Kinderoper „Brundibár“ (Die Hummel) sollten den Eindruck von Normalität verstärken. Die Oper wurde 55-mal aufgeführt, aber von Normalität war man weit entfernt. Die Rollen mussten regelmäßig neu besetzt werden, da viele Darsteller in die Vernichtungslager deportiert wurden. Auch Hans Krása, der die Oper komponiert hatte, starb in Auschwitz.
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Ghettomuseum und Park der Theresienstädter Kinder
Unmittelbar nach der Befreiung des Lagers im Mai 1945 beschloss die tschechische Regierung, in Theresienstadt eine Gedenkstätte einzurichten. In seiner heutigen Form existiert diese seit 1991 – in dem Jahr wurde das Ghettomuseum im ehemaligen Knabenheim eröffnet. Später kamen der „Park der Theresienstädter Kinder“, eine Ausstellung über die Zeit der sogenannten Kleinen Festung sowie eine Internationale Begegnungsstätte mit Seminarräumen und Theater hinzu. Das einstige Kolumbarium, in dem die Asche der Verstorbenen aufbewahrt wurde, ist ebenfalls Gedenkstätte. Zum Gelände gehören außerdem die einstige Magdeburger Kaserne, in der die Ghettoverwaltung untergebracht war, Friedhofsflächen und das Krematorium.
Infos für Besucher
Touren und Anfahrt: Terezin liegt etwa 60 Kilometer nördlich von Prag, von der Hauptstadt aus werden Tagestouren dorthin angeboten. Auf eigene Faust kann man vom Busbahnhof Prag-Holešovice aus nach Terezin fahren.
Corona-Sicherheitsmaßnahmen: Gruppen-Führungen durch Theresienstadt werden seit 1. Juni wieder angeboten. Sollte es nicht möglich sein, den Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten, besteht Maskenpflicht. Dies gilt auch für die Außenbereiche. Ohne zusätzliche Auflagen (also auch ohne Mund-Nasen-Schutz) dürfen die Gruppen aus maximal zehn Teilnehmern inklusive Guide bestehen. Bis zu 50 Gruppenteilnehmer sind nur dann erlaubt, wenn diese entweder nachweislich gegen Corona geimpft oder von COVID-19 genesen sind. Alternativ reicht auch ein negatives Testergebnis aus. Akzeptiert werden sowohl Antigentests (nicht älter als 72 Stunden) als auch PCR-Tests (nicht älter als 7 Tage). Weitere Infos für Besucher gibt es auf der offiziellen Webseite der Gedenkstätte.
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Karte: Lage der Gedenkstätte Theresienstadt
(Text: Silke Böttcher)