26. September 2018, 11:40 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Hodensack-Sitzbänke, SM-Spielzimmer, antike Vibratoren, eine Brüste-Hüpfburg und Penisse in Formaldehyd: Sexmuseen verlangen dem Besucher einiges ab. Eine Auswahl von Amsterdam bis New York.
Nicht jedes Land ist so liberal, dass dort ein Sexmuseum stehen kann. Amsterdam schafft den Hattrick, mit gleich drei frivolen Museen auf engstem Raum.
In New York kann man dafür auf Brüsten hüpfen – und im isländischen Reykjavik etwa 300 Penisse sehen. Ist die Begierde nach ausschweifender Kultur erst einmal geweckt, fällt die Auswahl schwer. Sechs Reisetipps:
1. Sexmuseum, Amsterdam
Oscar Wilde, dessen Grab durch eine Glaswand vor Kuss-Attacken geschützt werden musste, hätte es wohl charmant gefunden, allenfalls frivol. Der irische Schriftsteller hat im Amsterdamer Sexmuseum eine Hommage-Vitrine. Direkt neben einer Sitzbank mit zwei übermannsgroßen Riesenpenissen. Es fällt einigermaßen schwer, sich auf Wildes Dokumentation zu konzentrieren, während Besucher nach Besucher auf den fleischfarbenen Hodensäcken nebenan Platz nimmt – das despektierliche Fotomotiv ist äußerst beliebt.
Wer sich nicht ablenken lässt, erfährt tatsächlich ein bisschen über Wildes Leben und Schaffen. Der Autor reiht sich mit seiner Vitrine in gute Gesellschaft ein. Das Amsterdamer Museum würdigt unter anderem auch den Maler Henri de Toulouse-Lautrec, die Tänzerin Mata Hari und Josephine Baker. Im architektonisch interessanten Treppenhaus hängt Bild neben Bild. Diese Venus Galerij erinnert an den zweiten Namen des 1985 eröffneten Sexmuseums: „Tempel der Venus“. 800 000 Besucher kommen im Jahr, Tendenz steigend, sagt der Mann an der Kasse.
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Die Besucher flanieren zwischen pornografischen Fotografien anno 1895, 50er-Jahre-Kondomen, erotischen Motiven auf China-Vasen, einer „Bouncing Betty“ und einem Duoskop. Einige heben das Telefon ab, das unschuldig in einer Ecke herumsteht. Bei Anruf Sex: Wer den Hörer ans Ohr hält, sollte Dirty Talk mögen. Ein nachgebautes Rotlichtviertel samt Mann mit Leierkasten und auch der obligatorische Exhibitionist fehlen nicht. In einer Nische nahe des Ausgangs befriedigt eine Modelpuppenfrau in Spitzenkorsage einen Hartkunststoffmann, der aussieht, als gäbe es Sonnenbänke für Schaufensterpuppen.
Infos: Sexmuseum Venustempel, Damrak 18, 1012 LH Amsterdam, Niederlande, Tel.: 0031 20 622 83 76, Eintritt: 5 Euro.
2. Erotic Museum, Amsterdam
Nur wenige Straßen weiter radelt einem im Entree des rot erleuchteten Erotic Museums fröhlich stöhnend Frau Antje auf einem Fahrrad entgegen, ohne Gouda und Büstenhalter. Glücklicherweise auch hier: eine Puppe. Auf mehreren Etagen verspricht das Museum mit Kanallage „eine Sammlung erotischer Kunst aus der ganzen Welt“.
Erotik scheint dabei ebenso im Auge des Betrachters zu liegen wie Schönheit. Statuen, Fotos, Zeichnungen, Bilder, Zeichentrickpornos und einige SM-Devotionalien findet der geneigte Besucher auf der Wanderung durch die Etagen über dem Souvenirshop im Erdgeschoss. Kurios, definitiv. Erotisch im Sinne ästhetisch-sinnlicher Anziehungskraft? Fraglich. Interessant ist das Gemäuer des Museums. Es befindet sich in einem denkmalgeschützten früheren Lagerhaus von 1685 mit beeindruckender Fassade, welche trotz ihrer Lage im Rotlichtbezirk fotografiert werden darf.
Infos: Erotic Museum, Oudezijds Achterburgwal 54, 1012 DP Amsterdam, Tel.: 0031 20 627 89 54, Eintritt: 7 Euro.
3. Red Light Secrets, Amsterdam
Einmal im Fenster sitzen. Virtuell. Als würde man den eigenen Körper feilbieten. Die rote Laterne brennt an der Hausfassade. Die Sprossen in den bodentiefen Glasfenstern verbergen nichts. Ein Gefühl zwischen Scham und Gänsehaut. Möglich ist dieses Erlebnis im Red Lights Secret – Museum of Prostitution, ebenfalls in Amsterdam. Das „erste Prostitutionsmuseums der Welt“ steht draußen am Haus. Eine Brünette in Strapsen lockt mit Augenaufschlag in digitaler Endlosschleife lebensgroß auf einer Leinwand gegenüber dem Eingang.
Die Sexarbeiterbranche hautnah erleben, einen Blick hinter die Kulissen werfen, das lockt etliche Paare, Frauen- und Männergruppen täglich in das stets bis Mitternacht geöffnete Museum. Beim Gang durch die Räume gibt es Lebensgeschichten, Interviewsequenzen, Betten, Wannen, Waschbecken wie in Rotlicht-Etablissements, ein Miniatur-Shades-of-Grey-Spielzimmer und eine „Confession wall“ mit anonym verschriftlichen Wünschen und Geheimnissen der Besucher.
Infos: Red Light Secrets, Oudezijds Achterburgwal 60 h, 1012 DP Amsterdam Tel.: 0031 20 846 70 20, Eintritt: 11 Euro.
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4. Sex Machines Museum, Prag
Das einzige Museum weltweit, das den Sexmaschinen gewidmet ist: So wirbt das 2002 eröffnete Prager Museum auf seiner Webseite. Nur was genau ist eigentlich eine Sexmaschine? Das muss man sich in den rot gestrichenen Räumen des Museums unweit des Altstädter Rings nicht lange fragen. Knapp 300 Exponate später weiß man: Alles, was Menschen sich zwecks Stimulation zusammengebastelt haben.
Und das ist einiges. Von antiken Vibratoren bis zu voyeuristischen Nachttöpfen. Bizarre Gegenstände, lustige Erfindungen, ein paar Klassiker unter den Sexspielzeugen sowie einige echte Raritäten sind zu finden. Obendrein – als Zugabe zu den libidinösen Objekten – gibt es schwarz-weiße Schmuddelfilmchen in einem kleinen Kinosaal.
Infos: Sex Machines Museum, Melantrichova 18, 110 00 Prag Tel.: 00420 227 186260, Eintritt: 250 Kronen – etwa 10 Euro.
5. Museum of Sex, New York
Dieses Museum ist nichts für den Sonntagsausflug mit der Großmutter. Zumindest nicht der Teil mit dem Hüpfen auf Riesenbrüsten. Und das mitten in Manhattan – eine Rarität. „Jump for Joy“ heißt die gigantische Busenhüpfburg, die zunächst für die Ausstellung „Funland“ des Londoner Künstlerduos Bompas & Parr ins New Yorker Museum of Sex (MoSex) kam und dann in die ständige Exhibition überging. Die künstlerische Mission der interaktiven Installation: „Körperwahrnehmung steigern“ und eine „spannende Möglichkeit des physischen Kontaktes von Fremden“ kreieren.
Die anderen Ausstellungsobjekte des 2002 eröffneten Museums – lebensgroße Gummipuppen, kopulierende Tiere, Comics zu Donald Ducks Sexleben – kommen da beinahe langweilig daher. Sie erfüllen aber den formulierten Museumsauftrag, „die Geschichte, Entwicklung und kulturelle Bedeutung der menschlichen Sexualität zu bewahren und darzustellen“. Die ständige Sammlung umfasst 20.000 Artefakte, von ganz kleinem Schmutz bis zu ganz großer Kunst.
Im Eingangsbereich des MoSex gibt es Geschlechtsteil-Pasta, Gleitcremes, essbare Unterwäsche und etliche Vibrator-Modelle für den Erotikeinkäufer von heute.
Infos: Museum of Sex, 233 5th Ave, New York, NY 10016, Eintritt: 19 Dollar – etwa 16 Euro, „Jump of Joy“ kostet extra.
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6. The Icelandic Phallological Museum, Reykjavik
Phallologie. Was klingt wie ein neuer Grippevirus, ist eine antike Wissenschaft. Und zwar die vom Penis. Mit der beschäftigte sich der Geschichts- und Spanischlehrer Sigurdur Hjartarson. Aus seiner Sammelleidenschaft entstand das vermutlich ungewöhnlichste Museum Islands. Im Phallusmuseum können Besucher rund 300 Penisse besichtigen. Hinter Plexiglas, in Formaldehyd. Von Walen, Bären, Robben, Katzen, Hamstern, Menschen und mehr. Jedes Exponat fein säuberlich versehen mit Zahlen, Daten und Todesursache.
Mittlerweile wurde das 1997 gegründete Museum vom Vater an den Sohn weitergereicht. Hjörtur Gisli Sigurdsson ist nun Herr über die männlichen Geschlechtsteile sowie über 350 phallische Kunst- und Gebrauchsgegenstände. Rund 10 000 Besucher im Jahr zieht es nach Reykjavik, um die Phallen aller Säugetiere Island zu inspizieren.
Infos: Isländisches Phallusmuseum, Laugavegur 116, Reykjavik 105, Tel.: 00354/561 6663, Eintritt: 1500 Kronen – etwa 11,60 Euro.
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7. Erotic Art Museum, Hamburg
Turbulent ist die Geschichte des Museums. Eröffnet 1992, gilt die ursprüngliche Sammlung nach Umzügen, Schließung 2007 und einem Rechtsstreit zwischen Museumsgründer und Immobilienbesitzer heute als verschwunden. Die Sammlung umfasste mehr als 1000 Werke unter anderem von Pablo Picasso und Keith Haring. Im April 2018 wurde das Erotic Art Museum in der Bernhard-Nocht-Straße wiedereröffnet. Nun bereichert es erneut den Kiez als Ort für internationale erotische Kunst mit engem Bezug zu Künstlern aus Sankt Pauli.
Das erotische Kunstmuseum zeigt unter anderem Werke der Künstler Günter Zint und Fiete Frahm. Thematisch passende Ausstellungen runden das neue Konzept ab. Im Art-Shop sind Reprints sowie Originalwerke der laufenden Ausstellungen zu kaufen. Unter anderem ein 30×20-Schwarzweiß-Abbild der bekannten Kiez-Größe Domenica.
Infos: Bernhard-Nocht-Straße 69, 20359 Hamburg, Tel.: 040/388810, Eintritt frei.