29. Dezember 2024, 14:39 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Um den minoischen Palast von Knossos auf Kreta ranken sich Legenden und Mythen. Vom Minotaurus bis zur matriarchalischen Gesellschaft reichen die Sagen und Legenden, und am Ende bleiben an den äußeren Rändern der gedehnten Fakten zwei Dinge übrig: Es handelt sich um ein Bauwerk der Minoer, und so gut wie alles, was aus und mit den Ruinen gemacht wurde, nachdem sie entdeckt wurden, sind nach heutiger Definition Zerstörungen und Fälschungen.
Der Faszination des Palastes von Knossos kann sich kaum jemand entziehen. Die Anlage wirkt mit ihren verwinkelt angeordneten Räumen tatsächlich wie ein Labyrinth. Und auch das Alter ist deutlich zu spüren. Etwa 3500 Jahre alt sind die Fundamente der Anlage, die Arthur Evans ab 1900 (re)konstruiert hat. Ein Highlight sind die Fresken, deren Farben ebenfalls fantasievoll rekonstruiert wurden.
Hinter dem Parkplatz und vor der Kasse empfängt den Besucher eine Schar von Fremdenführern, die alle Sprachen und natürlich auch Deutsch abdecken. Darunter sind Archäologiestudenten ebenso wie Leute, die sich ein paar Sätze eingeprägt haben. Die Wahrheit über die Geschichte von Knossos allerdings darf man nicht immer erwarten –schließlich wollen sich die Guides nicht den Ast absägen, auf dem sie sitzen.
Außer den Fundamenten ist kaum noch etwas echt
Die Wahrheit ist: Der Verlauf der Fundamente entspricht weitgehend dem historischen Befund. Alles, was darauf gebaut wurde, wäre nach heutigen wissenschaftlichen und juristischen Maßstäben ein veritables Verbrechen.
Arthur Evans begann im Jahr 1900 damit, die mykenische Überbauung von Knossos zu zerstören und legte die minoischen Fundamente frei. Mit heute nicht mehr nachvollziehbarer Respektlosigkeit baute er Teile der archäologischen Fundstätte neu auf, und zwar nach seinen eigenen romantischen Vorstellungen. In der Folge war es für seriöse Archäologen schwierig bis unmöglich, den historischen Befund sauber einzuordnen. Dies gibt einer Reihe von Spekulationen Raum, die teils auf puren Wunschvorstellungen, teils sogar auf Fälschungen basieren.
Das Labyrinth von Knossos gibt Rätsel auf
Bis heute ist es nicht gelungen, auch nur den Zweck der Anlage zweifelsfrei zu bestimmen. Ein Beispiel: Der berühmte Thron, aus dem aufgrund seiner geringen Größe und Schlichtheit gleich mal so eben eine politische Gesellschaftsform abgeleitet wurde, befand sich gar nicht in dem heute als Thronsaal deklarierten Raum und ist vermutlich nichts anderes als ein Steinstuhl. Der Thronsaal selbst ist eine realisierte Fantasie von Evans.
Neuere Erkenntnisse sind ernüchternd. Gefundene Tontafeln, auf denen von romantisierenden Wissenschaftlern Gebete oder Beschwörungen vermutet worden waren, sind nach Entschlüsselung der Sprache weniger mystische Inventarlisten von Waren. Das deutet auf eine schnöde Verwaltungsaufgabe des Komplexes hin.
Ansonsten bleibt nur die Empfehlung, dem Hauch der uralten Geschichte auf dem Rundgang durch den „Palast“ von Knossos zu folgen. Lohnenswert ist eine Besichtigung dieser wichtigsten Sehenswürdigkeit der Insel Kreta allemal. Wie unspektakulär Knossos ohne die Fantasie eines Evans aussähe, kann man sich in Phaistos anschauen.
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Palast von Knossos nur eines von vielen Relikten der Minoer
Neben dem Palast von Knossos hat Kreta weitere weltberühmte Sehenswürdigkeiten aus grauer Vorzeit. So ranken sich um die zahlreichen Höhlen und Klöster Sagen und Legenden, und das Kloster Arkadi gilt als Nationalheiligtum. Dennoch fahren die meisten Touristen natürlich an die Strände Kretas. Strandurlauber können sich sicher sein: Der Ausflug nach Knossos entspricht der Intention von Evans – ein romantischer Ausflug in eine idealisierte Geschichte.
Text: Ulrich Lenhard