19. Dezember 2021, 13:33 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Unter den zahlreichen Palästen im französischen Loire-Tal ist Schloss Chenonceau das berühmteste und am meisten besuchte. Das liegt vermutlich an seiner einzigartigen Architektur – denn ein Großteil des Gebäudes spannt sich direkt über einen Fluss. Und seit seinem Bau waren es Frauen, die die Geschicke des Hauses bestimmten.
Nahe des kleinen französischen Ortes Chenonceaux steht im Loire-Tal eines der beeindruckendsten Schlösser Frankreichs. Die Rede ist vom Schloss Chenonceau, einem über 500 Jahre alten Prunkbau, dessen einzigartige Architektur es nach Versailles zum meistbesuchten Schloss in Frankreich macht. Denn ein Großteil des Prunk-Palastes thront direkt über einem Fluss.
Ursprünglich stand laut der offiziellen Webseite des Ortes an seiner Stelle bereits im 12. Jahrhundert ein anderer Palast. Zwischen den Jahren 1513-17 ließen dann ein Mann namens Thomas Bohier und seine Frau Catherine Briconnet die erste Version von Schloss Chenonceau erbauen. Niemand konnte zu dieser Zeit ahnen, dass schon wenig später eine jahrhundertelange Ära beginnen sollte, in der vor allem Frauen über die Geschicke des Ortes bestimmen würden.
Das Schloss der Frauen
Schloss Chenonceau trägt daher heute auch den liebevollen Beinamen „das Schloss der Frauen“. Catherine Briconnet war dabei nur die erste in einer langen Liste. Während sich ihr Mann häufig im Krieg befand, überwachte sie die Bauarbeiten an ihrer neuen Heimat. Später fiel das Schloss an die französische Krone, und so vermachte es König Heinrich II. 1535 seiner Mätresse Diane de Poitiers. Sie war es auch, die den Grundstein für das heutige spektakuläre Aussehen des Baus legen ließ.
Denn Diane ließ direkt an das Schloss Chenonceau eine Brücke anbauen, die sich bis heute über den Fluss Cher spannt. Doch es war eine andere Frau, die ihr Werk vollenden und den Prunk-Palast zu einem der prächtigsten weltweit machen sollte. Denn nach Heinrichs Tod übernahm dessen Frau Catharina de Medici im Jahr 1559 das Haus, verbannte die missliebige Konkubine Diane aus dem Schloss. Und verschönerte es selbst weiter.
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Legendäre Feste
Konkret ließ sie laut „Experience Loire“ auf Dianes Brücke die 60 Meter lange Galerie mit Ballsaal aufsetzen, die heute Besucher ganz besonders in Erstaunen versetzt. Catharina ließ rauschende Feste auf Schloss Chenonceau feiern, „European Traveller“ zufolge gab es 1560 hier das erste Feuerwerk in Frankreich überhaupt.
Doch die Macht von Schloss Chenonceau schwand spätestens mit dem Tod von Catharina, und so verlor der Ort immer mehr an politischer Bedeutung. So kam es auch, dass zahlreiche der Kunstwerke, die Catharina gesammelt hatte, verkauft wurden, und heute in Versailles stehen. Erst im 18. Jahrhundert sollte ein wenig von dem alten Glanz zurückkehren – natürlich wieder inspiriert von einer Frau.
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Eine Zeit der Erleuchtung und Menschlichkeit
Diesmal war es die hochgebildete Louise Dupin, laut der Webseite des Schloss Chenonceau auch als „Herrin der Erleuchtung“ bezeichnet. Sie lud die größten Denker in ihren Palast ein, Frankreichs klügste Köpfe der damaligen Zeit gingen bei ihr ein und aus. Unter anderem waren es Montesquieu und Voltaire, Jean Jacques Rousseau machte sie sogar zu ihrem persönlichen Sekretär. Über seine Zeit auf dem Schloss hat er in zahlreichen seiner Werke geschrieben. Lady Dupin ist es auch zu verdanken, dass Schloss Chenonceau während der Französischen Revolution nicht zerstört wurde.
1913 dann öffnete der Prunk-Palast zum ersten Mal in seiner Geschichte seine Türen für Besucher. Die neuen Eigentümer, die Menier-Familie, wandelten das Schloss Chenonceau aber schon bald in ein Militär-Lazarett um, als der Erste Weltkrieg kam. Während Gaston Menier alle Kosten dafür aus eigener Tasche bezahlte, war es seine Tochter Simone, die sich liebevoll um die über 2000 Verletzten kümmerte, die in den 120 Betten bis Kriegsende Platz fanden.
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Schutz vor den Nazis
Und auch während des Zweiten Weltkrieges spielte Schloss Chenonceau eine wichtige Rolle. Denn der Cher-Fluss markierte damals die Grenze zwischen dem freien und dem von Nazis besetzten Frankreich. Wer ihn überquerte, entkam damit zumindest vorerst der Verfolgung durch Hitlers Schergen. Und mit dem Segen der Menier-Familie wurden so viele Menschen gerettet, denn sie überwanden den Cher über bzw. durch die legendäre Schloss-Brücke. Noch heute kann man den Fluss, durch die Galerie übers Wasser gehend, passieren.
Auch wenn Schloss Chenonceau heute keine politische Bedeutung mehr haben mag, so ist es doch nach wie vor einer der beeindruckendsten Orte in Frankreich. Umgeben von prunkvollen Parks, kann man in seinen Mauern den beispiellosen Luxus erahnen, in dem seine Besitzer einst lebten. In den wichtigsten Gemächern, den Schlafräumen der Hausherrin, hängen bis heute Gemälde unsterblicher Künstler wie Rubens und Tintoretto.
Auch andere Räume wie eine Kapelle, die alten Küchen und das restaurierte Militär-Lazarett kann man besuchen. Das Schloss ist an jedem Tag des Jahres geöffnet, sogar an den Feiertagen. Der Eintritt ist mit bis zu 19 Euro für einen Erwachsenen nicht ganz billig. Dennoch ist Schloss Chenonceau der meistbesuchte Palast im gesamten Loire-Tal. Um die Innenräume des Palastes zu besuchen, ist aktuell eine vorherige Online-Reservierung erforderlich.