11. Juni 2024, 6:28 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In dem kleinen Mosel-Ort Kobern-Gondorf in Rheinland-Pfalz steht das wohl skurrilste Schloss der gesamten Bundesrepublik. Denn durch das Schloss von der Leyen führen sowohl eine Eisenbahntrasse als auch eine Bundesstraße. Und das sprichwörtlich, also mitten durch den Prunkbau hindurch. TRAVELBOOK erklärt, wie es zu der bizarren Bausünde kam, die bis heute nicht nur vor Ort die Gemüter spaltet.
Die Mosel ist ein Fluss, der neben seinen Weinbergen besonders bekannt ist für seine zahlreichen wunderschönen und historischen Burgen und Schlösser. Aber als ich unlängst entlang des Flusses eine Reise unternahm, wollte ich zunächst in dem kleinen Ort Kobern-Gondorf (gut 3000 Einwohner) meinen Augen nicht trauen. Hier liegt mit dem Schloss von der Leyen die wohl skurrilste Anlage ihrer Art, die ich jemals gesehen habe. Denn sowohl die Schienen der Eisenbahnstrecke als auch die Bundesstraße 416 führen einfach mitten durch das Gebäude hindurch, statt es zu umfahren.
Übersicht
Auch ich war nur auf der Durchreise, ein paar kurze Sekunden, dann war der Anblick auch schon vorbeigeflogen. Dennoch blieb mir das Schloss von der Leyen von allen Reise-Eindrücken mit am deutlichsten in Erinnerung. Und so musste ich natürlich unbedingt in Erfahrung bringen, was es denn mit diesem ansonsten sehr prunkvollen Bau auf sich hat, der dem Begriff „Durchgangsverkehr“ eine völlig neue Bedeutung gibt. Die Antwort darauf liegt mittlerweile schon mehr als 50 Jahre zurück. Die Entscheidung, die diese Bausünde herbeiführte, spaltet allerdings bis heute nicht nur vor Ort die Gemüter.
Die erste Teilung des Schlosses
Laut der offiziellen Seite der Stadt Kobern-Gondorf beginnt die Geschichte des Schlosses von der Leyen aber schon viel früher. Demnach wird es im Jahre 1272 erstmals als Gondorfer Oberburg erwähnt. Ab 1560 residieren dann hier die Fürsten von der Leyen, die die Anlage zum Schloss umgestalten. Bis heute ist sie das einzige Wasserschloss an der Mosel. Der Name des Adelsgeschlechts geht übrigens zurück auf das altdeutsche Wort „Ley“ für Fels. Und diese Bezeichnung wiederum bezieht sich auf die zahlreichen Weinhänge und hunderttausende von Rebstöcken, die die Familie damals besaß.
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Doch der Fortschritt macht auch vor einem Prunkbau wie dem Schloss von der Leyen nicht Halt, im Gegenteil. Und so kommt es laut „BILD“ bereits 1867 zur ersten, nun ja, Teilung der Festung. Für den Bau einer neuen Eisenbahnstrecke trennt man das Gebäude einfach kurzerhand in zwei Bereiche, die Strecke führt bis heute mitten durch die Anlage. Dafür muss sogar die Schlosskirche abgerissen werden, die Wasserburg ist fortan in zwei Teile zerschnitten.
Bizarre Lösung verhindert Abriss
1969 dann droht dem Schloss von der Leyen kurzfristig sogar das endgültige Ende, als die neue Bundesstraße 416 geplant und gebaut wird. Doch statt nun den gesamten Komplex abzureißen, graben sich die Bagger „nur“ durch das Erdgeschoss des Gebäudes. Materie aus mehreren Epochen der Baukunst muss weichen, um den Rest des Schlosses retten zu können. Am Ende asphaltiert man den Innenhof, und wandelt ihn so zu einem Teilstück der Straße um.
Laut Ortsbürgermeister Michael Dötsch fänden vor allem Touristen aber das Schloss von der Leyen genau deswegen toll. Die Fachzeitschrift „Burgen und Schlösser“ äußerte sich dagegen bereits 1975 laut „Süddeutscher Zeitung“ sehr kritisch gegenüber der Bausünde. So hieß es in dem Beitrag unter anderem: „Trotz guter Gegenvorschläge und jedermanns Einspruch wurde die Autoverkehrsstraße in den Innenhof eingesprengt und das historische Baudenkmal zerstört; eine verlogene Burgkulisse erinnert an dieses Staatsbegräbnis erster Klasse.“
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Heute ein skurriler Touristenmagnet
Doch warum überhaupt wählte man die drastische Maßnahme, die Straße mitten durch das Schloss zu bauen? Es habe wohl schlicht zwischen der bereits bestehenden Eisenbahntrasse und der Mosel keinen Platz mehr gegeben, der Raum für ein anderes Szenario zugelassen hätte. Die Idee, die Straße einfach auf der anderen Seite des Flusses zu bauen, habe sich wohl als zu teuer herausgestellt. Und so ist Schloss von der Leyen heute das vielleicht skurrilste Schloss der Bundesrepublik.
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Doch nicht nur als Fotokulisse ist es bei Besuchern wie Vorbeifahrenden beliebt, man kann es auch besuchen. Unter anderem findet man hier ein Weinmuseum wie auch eine Ausstellung des Landeshauptarchivs von Rheinland-Pfalz. Benannt ist Schloss von der Leyen übrigens nach den Ahnen des Mannes von Ursula von der Leyen, der aktuellen Präsidentin der Europäischen Kommission. Leider hat das Schloss keine eigene Website. Wer es dennoch besuchen möchte, kann sich für Informationen an das Tourismusbüro von Kobern-Gondorf wenden.