3. Februar 2020, 6:45 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die Niagarafälle stehen auf der Bucket List vieler Reisender, gehören sie doch zu den bekanntesten und beeindruckendsten Wasserfällen der Welt. Doch nur von einer Seite aus sind sie so richtig beeindruckend – findet unsere Autorin Anna Wengel. Welche das ist und was Besucher sonst so zu den gigantischen Wasserfällen wissen sollten, hat sie für uns aufgeschrieben.
Irgendwie hatte ich mir die größer vorgestellt. Und runder. Irgendwie bombastischer.
Ich stehe mit meinem Freund auf dem Niagara Falls Observation Tower und glaube, dass ich von hier die beste Sicht auf die Wasserfälle habe. Schön, schon beeindruckend, aber auch irgendwie gar nicht so sehr, denke ich und erkläre mir meine gedämpfte Begeisterung damit, dass ich vielleicht schon zu viele atemberaubende Wasserfälle gesehen habe. Man kann sich vielleicht auch an Naturschönheiten gewöhnen, wenn man viel reist, überlege ich – und werde damit zum Glück Unrecht haben.
Die Sonne geht langsam unter, wir laufen über eine kleine Brücke auf die Goat Island. Wassermassen rauschen unter uns herab, Touristen strömen in beiden Richtungen vorbei. Dann stehen wir am Aussichtspunkt Luna Island und sind schon etwas mehr beeindruckt. Gleich vor uns rauscht lautstark das Wasser herab. Ich muss an eine Pippi-Langstrumpf-Folge denken, in der sie in einer Holztonne einen Fluss entlangfährt – und frage mich, wie viele Menschen das hier schon versucht haben. Niagara Falls Live nennt 15 sogenannte „Daredevils of Niagara Falls“ oder kurz „Niagara Daredevils“, also Menschen, die willentlich mit einem Fass oder ähnlichem, ohne Hilfsmittel oder über ein Seil balancierend die Niagarafälle bezwangen. Viele von ihnen überlebten. Die erste Person, die den Fall im Fass erfolgreich meisterte, war Annie Taylor am 24. Oktober 1901.
Der Versuch, die Niagarafälle in irgendeiner Form hinunterzufallen ist übrigens nicht nur saugefährlich, sondern auch illegal und wird mit hohen Geldbußen bestraft. Neben den Wagemutigen gibt es auch jede Menge Menschen, die sich an den Niagarafällen das Leben nehmen. Laut einem Artikel des Schweizer „Blick“ begehen hier jedes Jahr rund 25 Menschen Suizid.
Kanada hat die bessere Aussicht
Irgendwie lassen mich die Niagarafälle und meine verhaltene Begeisterung für sie nicht los. Ich liebe Wasserfälle – und will diese hier richtig toll finden. Am Abend sind wir über die Rainbow International Bridge nach Kanada gefahren. So kommen wir am nächsten Morgen noch einmal zu den Wasserfällen zurück, dieses Mal auf der Kanada-Seite.
Einen kleinen Weg von der Portage Road herunterlaufend erahne ich schon beim Blick durch die vor mir liegenden Büsche, dass es dieses Mal aufregender wird. Unten angekommen sehe ich das Ausmaß der Wassermassen. Ein riesiges Feld tosenden Wassers liegt vor mir. Rauscht geräuschvoll heran. Darin das berühmte Niagara Scrow, ein Schiffswrack, das hier bereits seit 1918 liegt. Die Fälle selbst sind bisher nur zu hören und zu erahnen. Mein Blick schweift nach links. Ich muss grinsen, über diesen schon jetzt wunderschönen Naturkitsch: Ein Regenbogen zeichnet in die Luft, markiert den naheliegenden Abgrund. Da will ich jetzt hin.
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Ich laufe den Asphaltweg am Wasser entlang. Nur eine dicke Steinmauer trennt mich von den immer schneller zu werden scheinenden Wassermassen. Und dann ist sie da, direkt neben mir macht der Abgrund die bekannte Biegung. Tonnenweise Wasser rauscht die 57 Meter hohen Horseshoes hinab – 2,2 Millionen Liter pro Sekunde sind es übrigens für die gesamten Niagarafälle. So habe ich es immer wieder auf Bildern gesehen. Die Realität ist beeindruckender. Darauf hatte ich gewartet. Mein Gesicht kann nicht mehr aufhören zu grinsen, während die Gischt es immer nasser macht. Wie Hunderte andere Touristen neben mir kann ich nur noch staunen und knipsen und staunen und knipsen. Jeder macht hier das gleiche Foto – und ob dieser gewaltigen Naturschönheit finde ich, es kann gar nicht zu viele Bilder geben.
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Nachdem wir nun also geklärt haben, dass Kanada eindeutig die atemberaubendere Seite der Niagarafälle besitzt, möchte ich noch ein paar Fragen klären, die wir uns gestellt haben. Zum Beispiel, wie man dahin kommt und ob es was kostet.
Die erste Frage geht in unserem Fall mit der zweiten einher. Wir sind mit dem Auto von New York City aus zu den Wasserfällen gefahren. Es gibt einige andere Parkmöglichkeiten weiter vorn auf dem Weg, wir sind bis zum letzten Parkplatz (Niagara Falls Visitor Center Parking Lot 1) gefahren und haben dafür zehn Dollar bezahlt. Dafür durften wir den ganzen Tag bleiben. Laut der Seite des Niagara Falls State Parks kosten die anderen drei Parkplätze auf Goat Island nahe Cave of the Winds und nahe Three Sisters Islands sowie am Niagara Gorge Discovery Center das Gleiche. Eintritt, um die Wasserfälle zu sehen, brauchten wir dann aber nicht zahlen, weder auf der US- noch auf der Kanada-Seite. Weitere Parkplätze gibt es in der Stadt in Fußnähe. Außerdem gibt es einen Shuttle-Service. Der nächste Flughafen auf der US-Seite ist Buffalo Niagara International Airport (BUF).
Auf der Kanada-Seite gibt es ebenfalls diverse Parkmöglichkeiten zu unterschiedlichen Preisen. Mehr Infos gibt es auf der Seite Niagara Falls Canada. In der Umgebung findet man auch ein paar kostenlose Parkmöglichkeiten, etwa auf der Portage Road gegenüber vom Nugahas-Nahte-Park. Und wer von den USA nach Kanada fährt, nicht erschrecken: Die Kanada-Seite der Niagara Falls hat was von einer schlechten, klein geratenen Kopie von Las Vegas. Beim Blick auf die Wasserfälle selbst hat man die Hotels und Casinos aber im Rücken. Die Einreise nach Kanada mit dem Auto ist übrigens sehr entspannt. Pass vorzeigen, Frage beantworten, wie lange man bleiben möchte, fertig. Welcome to Canada.