2. Juni 2023, 7:01 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Kein anderes Bauwerk in Deutschland steht symbolisch so sehr für unsere 1990 wiedervereinte Nation wie das Brandenburger Tor. Von einem Preußenkönig erbaut und von Napoleon geschändet, war es zu Zeiten der Berliner Mauer 28 Jahre lang für niemanden zugänglich. TRAVELBOOK erzählt die bewegte Geschichte des einzigartigen Monuments.
Der Pariser Platz in Berlin-Mitte ist wohl ohne Zweifel für die allermeisten Touristen, die die Stadt besuchen, die erste Adresse. Denn hier thront, 26 Meter hoch, das wohl symbolträchtigste Bauwerk unseres Landes. Doch nur die wenigsten der zahllosen Menschen, die es täglich knipsen, dürften seine bewegte Geschichte kennen. Denn das Brandenburger Tor steht sinnbildlich sowohl für die Trennung als auch die Wiedervereinigung Berlins und Deutschlands. Doch auch schon in den Jahrzehnten davor erlebte DAS Berliner Wahrzeichen wechselvolle Zeiten.
Im Jahr 1788 gibt der Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. laut der offiziellen Seite der Stadt Berlin den Bau eines gewaltigen Tores aus Sandstein in Auftrag. Statt eines gewöhnlichen, kleineren Stadttores soll es fortan die Krönung der Prachtstraße Unter den Linden sein. Und so wird das sogenannte Brandenburger Tor schließlich in den Jahren 1788-91 nach Entwürfen von Carl Gotthard Langhans dem Älteren gebaut. Gut 62 Meter breit, tragen es sechs gewaltige Säulen, jede von Ihnen mehr als 13 Meter hoch. Nicht zufällig orientiert sich das neue Wahrzeichen an einem anderen legendären Bauwerk: der Akropolis in Athen.
Stürmische Jahre
Das Berliner Denkmal ist den sogenannten Propyläen des griechischen Vorbildes nachempfunden, also dessen Torbauten. 1793 dann erhält es seine charakteristische Quadriga, den Streitwagen, gezogen von vier Pferden. Sprichwörtlich die Zügel in der Hand hält eine ganz besondere Dame, nämlich die Siegesgöttin Victoria. Das Gespann, angebracht von Johann Gottfried Schadow, ist nicht nur imposant, sondern aufgeladen mit mythischer Symbolik: Es soll den Einzug des Friedens in die preußische Hauptstadt versinnbildlichen. Nur 13 Jahre später wird das Brandenburger Tor dann aber zum zentralen Schauplatz eines Krieges.
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1806 zieht Napoleon in Berlin ein, lässt die Quadriga vom Brandenburger Tor entfernen und als Siegesbeute nach Paris schaffen. 1814 kehrt sie dann nach dem endgültigen Sieg über die napoleonischen Truppen triumphal nach Berlin an ihren angestammten Platz zurück. Im Zuge der Bombardierung von Berlin im Zweiten Weltkrieg werden Tor und Quadriga so schwer beschädigt, dass letztere im Zuge der Restaurierungsarbeiten ausgetauscht werden muss. Laut der offiziellen touristischen Webseite von Berlin existiert von dem ursprünglichen Streitwagen-Gespann nur noch ein Pferdekopf. Er ist heute im Märkischen Museum in Berlin zu sehen. Entgegen aller Mythen hat die Statue übrigens immer nach Osten geschaut, und nie in eine andere Richtung.
„Mr. Gorbachev, open this gate!“
Eine besondere und zunächst tragische Rolle spielt das Brandenburger Tor dann während der Trennung Deutschlands durch die Mauer ab 1961. Das Monument befindet sich nun im Ostteil der Stadt im Sperrgebiet, niemand kann es also mehr besuchen. Die Mauer verläuft auf westlicher Seite in einem Bogen um das Tor herum. Es wird damit zu einem traurigen Symbol der Teilung Deutschlands, die 28 Jahre lang andauern soll. 1987 hält der damalige US-Präsident Ronald Reagan hier wohl bewusst, genau an dieser Stelle, seine heute legendäre Rede, in der er seinem sowjetischen Widersacher Gorbatschow zuruft: „Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!“
Doch erst zwei Jahre später ist es dann endlich so weit, am 22. Dezember 1989 feiern mehr als 100.000 Menschen die Wiedereröffnung des Brandenburger Tors. Wenige Tage später wird hier das erste Mal offiziell Silvester gefeiert. Ob des besonderen Anlasses arten die Festivitäten allerdings derartig aus, dass die Quadriga, erneut stark beschädigt, zwei Jahre später restauriert werden muss. Dennoch findet seitdem fast jedes Jahr an Silvester am Brandenburger Tor Deutschlands wohl größte Party statt. Auch als Kulisse für Events, Konzerte und Public Viewing zu Fußball-Weltmeisterschaften hat es schon hergehalten. Als die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft 2014 in Brasilien Weltmeister wurde, fand die anschließende Siegesfeier natürlich auch hier statt.
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Das Brandenburger Tor gibt es zweimal
Doch so skurril es auch klingen mag, das Brandenburger Tor gibt es gleich zweimal. Denn auch in der Landeshauptstadt Potsdam steht ein Monument mit demselben Namen. Und das laut offizieller Webseite der Stadt schon seit 1771. Das Tor in Potsdam ist also mehr als 20 Jahre älter als das Berliner Wahrzeichen. Doch bereits 1733 stand hier eine erste Version des heutigen Baus, errichtet durch Friedrich den Großen als Andenken an das Ende des Siebenjährigen Krieges. War es früher ein Teil der Potsdamer Stadtmauer, ist es heute freistehend. Auch dieses Monument ist gut besucht, wenn auch nicht so sehr wie sein Berliner Cousin.
Heute gilt das Brandenburger Tor (in Berlin) aufgrund seiner Geschichte als das wichtigste Symbol der Deutschen Einheit. Jährlich besuchen Millionen Menschen aus aller Welt das Monument der deutschen Wiedervereinigung. Auch heute, nach mehr als 230 Jahren, hat der Ort nichts von seinem Reiz eingebüßt. Besuchen kann man Berlins wohl bekanntestes Bauwerk das ganze Jahr lang und rund um die Uhr. Es gibt hier weder Öffnungszeiten noch Eintrittspreise. Damit bleibt das Brandenburger Tor das, was es immer schon war. Ein Ort für alle Menschen, und ein Symbol der Hoffnung.