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Schluss mit Selfies

Zu viele Influencer! US-Kleinstadt sperrt ganze Straße für mehrere Wochen

Die Sleepy-Hollow-Farm in Pomfret im US-Bundesstaat Vermont avancierte in den letzten Jahren zum Influencer-Hotspot
Die Sleepy-Hollow-Farm in Pomfret im US-Bundesstaat Vermont avancierte in den letzten Jahren zum Influencer-Hotspot Foto: Universal Images Group via Getty Images
Anna Wengel
Freie Autorin

3. September 2024, 15:31 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Die kleine Gemeinde Pomfret im US-Bundesstaat Vermont verbietet Influencern im Herbst zum wiederholten Male den Zutritt zu einer Straße. Wie es dazu kam und wieso die Influencer überhaupt scharenweise in das Dorf strömen – TRAVELBOOK hat die Infos.

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Es war einmal eine kleine Gemeinde tief im US-amerikanischen Bundesstaat Vermont, ihr Name: Pomfret. Bescheiden war das kleine Dorf, ruhig und mit nur ein paar wenigen Geschäften, Apfel- und Kürbisfarmen kaum ein Ort, der für Touristen übermäßig interessant zu sein schien. Doch das kleine Dorf tauchte sich jedes Jahr aufs Neue in schönste Herbstfarben und entpuppte sich so als malerisches Abbild des Indian Summer. Ganz besonders ein Grundstück. Eine Idylle aus Herbstlaub. Bis die Influencer nach Pomfret kamen.

Da war es plötzlich vorbei mit der herbstlichen Idylle des kleinen Dorfs. Menschliche Ausscheidungen auf Privatgrundstücken, Menschen, die über Tore kletterten und „Nicht betreten“-Grundstücksschilder ignorierten, Autoschlangen auf unbefestigten Straßen, die manchmal zu Unfällen führten, den Verkehr behinderten, und von den Influencern eingerichtete Umkleidekabinen für Kostümwechsel. Kurzum, Pomfret wurde zum Influencer-Hotspot und von diesen regelrecht überrannt. Der Grund: Fotos einer alten Farm im wunderschönsten Herbstlaub-Setting, die viral gingen.

Die Gemeinde Pomfret im US-Bundesstaat Vermont zieht jedes Jahr im Herbst etliche Besucher an
Die Gemeinde Pomfret im US-Bundesstaat Vermont zieht jedes Jahr im Herbst etliche Besucher an Foto: picture alliance / Zoonar | Steven Heap

Wie Pomfret zum neuen Instagram-Hotspot wurde

Die Farm heißt „Sleepy Hollow Farm“ und liegt auf einem 115 Hektar großen Privatgrundstück. Laut der Infoseite newengland.com gehörte die Farm übrigens keinem Geringeren als Aerosmith-Gitarristen Joe Perry und seiner Frau Billie Paulette Montgomery. Das Paar soll das Anwesen jedoch 2020 für 2,2 Millionen US-Dollar verkauft haben. Zur Farm selbst führt eine geschlängelte Straße, die den Blick freigibt auf herbstliche Wälder in Rot-, Orange- und Brauntönen. Oberhalb des Grundstücks verläuft eine weitere Straße, die selbst gesäumt ist von in Herbstfarben getunkten Bäumen und in der ein Tor steht, die Einfahrt zum Privatgrundstück.

Einmal viral gegangen, strömten mehr und mehr Menschen in die kleine Gemeinde und vor allem auf besagte Straße, die Cloudland Road, die ihrerseits bis zum Dorf Woodstock führt (Anmerkung: Nicht der Namensgeber des ikonischen Festivals, die Stadt liegt im US-Bundesstaat New York). Wagenkolonnen reihten sich aneinander, Mensch nach Mensch kletterte über das Grundstückstor und posierte vor dem immer gleichen Hintergrund, wie etwa auf Instagram zu sehen ist. Die Kulisse aus Farm und Herbstlaub-Idylle gilt inzwischen als einer der am meisten fotografierten Orte Vermonts. Etliche Fotos der Farm und ihrer Umgebung fluten die Social-Media-Kanäle.

Wie das kleine 900-Seelen-Dorf selbst waren auch seine Bewohner mit dem neuen Ruhm und folgenden Overtourism überfordert. „Es ist ein wunderschöner Ort. Es ist schade, dass er für alle ruiniert wurde“, wird Deborah Goodwin, die Ausstellungskoordinatorin im Artistree Community Arts Center in Pomfret vom UK-Medium „BBC“ zitiert. Goodwin soll weiter erklärt haben, dass die Situation in den letzten Jahren außer Kontrolle geraten sei. Busse seien angereist und hätten die Menschen „dort draußen abgeladen.“ Und die hätten sich regelmäßig daneben benommen. „Es war schlimm“, zitiert BBC die Pomfret-Einwohnerin. Zitiert wird weiter der Sheriff von Windsor County, Ryan Palmer. Der erklärte gegenüber dem britischen Medium: „Dies (die Cloudland Road) ist keine Straße, die dafür ausgelegt ist, mehrere Fahrzeuge darauf zu befördern.“ In den vergangenen zwei Jahren habe es Verkehrsstaus durch geparkte Fahrzeuge gegeben, Feuerlöschgeräte und Krankenwagen seien nicht einmal mehr durchgekommen. Die Infrastruktur sei schlicht überfordert gewesen.

Mit Crowdfunding zur Straßensperrung

Die Bewohner seien schließlich zur lokalen Regierung gegangen und hätten sich beschwert, schreibt „BBC“. Eine erste Maßnahme war daraufhin im Herbst 2022, die Straße hinter der Farm temporär in eine Einbahnstraße zu verwandeln. Das genügte nicht. Die Touristen kamen trotzdem und benahmen sich genauso daneben wie in den Vorjahren. Im Herbst 2023 griff Pomfret zu einem anderen Mittel gegen die respektlosen Influencer. Durch Crowdfunding auf GoFundMe.com sammelten sie zunächst Spenden. Der Plan: die temporäre Schließung der Straße durch Vertreter des Sheriffs sowie eine neue und erweiterte Beschilderung – eine scheinbar kostspielige Angelegenheit.

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Das Team um Organisator Glenn Morley schrieb im Text zur Kampagne „Save Cloudland Road“: „In den letzten Jahren erlebte Cloudland Road (und die kleinen Straßen, die zur Cloudland Road führen) einen beispiellosen Anstieg an von Instagram und TikTok angespornten touristischen ‚Influencern‘, die Geld mit Sponsoren verdienen und ein privates Zuhause monetarisiert und in ein Social-Media-Fotoziel verwandelt haben. Sie […] haben das Nachbarschaftsumfeld so verändert, dass es unhaltbar ist.“ Während der Herbstlaubzeit kämen hunderte Menschen gleichzeitig, heißt es weiter, selbst Reisebusunternehmen hätten sich dem Spektakel angeschlossen.

Kostspielige Angelegenheit

Die Cloudland Road und ihre umliegenden Straßen würden in der Folge im Herbst unpassierbar. „Sich schlecht benehmende Touristen beschädigten Straßen, hatten Unfälle, mussten aus Gräben abgeschleppt werden, zertrampelten Gärten, entledigten sich ihrer Notdurft auf privaten Grundstücken, parkten auf Feldern und in Einfahrten und beschimpften Anwohner“, heißt es in dem Text. Die meisten Menschen kämen für ein Selfie vor einem Privathaus. Die Bewohner der Cloudland Road hätten sich daher zusammengeschlossen, um gemeinsam mit den Städten Pomfret und dem benachbarten Woodstock einen Weg zu finden, wieder „Frieden, Sicherheit und Höflichkeit zu den hier lebenden Familien zu bringen.“

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Bereits in den ersten Wochen konnten die Organisatoren mit 103 Spenden 16.068 US-Dollar sammeln (Stand: 12. Oktober 2023). Laut „BBC“ stimmten die Stadtbeamten in der Folge dafür, den Plan umzusetzen und die zur Farm führende Straße während der herbstlichen Hochsaison (23. September bis 15. Oktober) für Nicht-Anwohner zu sperren. Eine kostspielige Angelegenheit: Laut „BBC“ schätzt Palmer, dass die Anwohner der Cloudland Road über 10.000 Dollar bezahlt habe, damit die Beamten Straßensperrungsschilder aufstellen und Patrouillen durchführen konnten.

Doch am Ende hat sich diese Investition scheinbar gelohnt: Laut „BBC“ hat die Stadtverwaltung vom Pomfret beschlossen, ähnliche Straßensperrungen wie 2023 auch on der Saison 2024 einzurichten. Konkret heißt das laut dem Bericht: Die Cloudland Road bleibt vom 25. September bis zum 16. Oktober für den Personenverkehr geschlossen; das parken wird ebenso verboten. Genug finanzielle Mittel dafür sollten den Anwohnern zur Verfügung stehen: Wie „BBC“ schreibt, seinen in der Spendenkampagne mittlerweile rund 125 Spenden im Gesamtwert von rund 22.058 US-Dollar eingegangen (Stand: 3. September 2024).

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Respektvolle Touristen weiterhin willkommen

Gegen Touristen generell ist man in Pomfret laut dem „BBC“-Artikel nicht. Vielmehr wünsche man sich dort einen respektvollen Umgang mit den Bewohnern und ihrem Lebensort. „Wir freuen uns, Touristen hier zu haben, es ist ein großer Teil der Wirtschaft von Vermont, und wir möchten, dass die Menschen die Schönheit der Natur genießen, die Händler und Geschäfte besuchen und herumfahren“, wird der Sheriff zitiert. Das Wichtigste für ihn sei „Respekt vor den Häusern und dem Eigentum der Menschen zu haben … Bitte kommen Sie vorbei, seien Sie einfach respektvoll.“

Anmerkung der Redaktion: Wer die Farm auf GoogleMaps sucht, findet sie viele Kilometer weiter südlich markiert. Ihr tatsächlicher Standort verfügt bei dem Kartendienst nicht über eine Markierung. Da wir davon ausgehen, dass die Besitzer das aus all den oben genannten Gründen genauso veranlasst haben, verzichten auch wir darauf, die genaue Adresse der Farm zu nennen.

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