16. Juli 2021, 18:02 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Nahe der englischen Stadt Oxford liegt auf einem Hügel eines der größten Rätsel Englands. Dort wurde vor Tausenden von Jahren ein riesiges weißes Pferd in den Kalkstein gekratzt. Bis heute weiß niemand genau, warum. Dass es immer noch existiert, verdankt sich einem einzigartigen Ritual.
Der kleine englische Ort Uffington in der Nähe von Oxford wäre wohl niemals in irgendeinem Geschichtsbuch erwähnt worden, läge hier nicht eines der größten Rätsel des Landes. Der sogenannte White Horse Hill. Denn auf dem 285 Meter hohen Hügel findet sich das riesige Abbild eines weißen Pferdes. Nicht Wenige fühlen sich bei dem Anblick wohl an die weltberühmten Nazca-Linien in Peru erinnert.
111 Meter lang ist das Bild, dass laut der wissenschaftlichen Publikation „Smithsonian Mag“ bereits in der Bronzezeit in den weichen Kalkstein gekratzt wurde. Das würde bedeuten, die Pferde-Figur auf dem White Horse Hill wäre etwa 3000 Jahre alt. Es gilt damit als das älteste Scharrbild Englands. Erst bei wissenschaftlichen Untersuchungen in den 1990er Jahren kam man diesem unglaublichen Alter auf die Spur. Eine bekannte Landmarke in England ist das weiße Pferd aber schon seit Ewigkeiten.
Niemand kennt die Bedeutung des weißen Pferdes
So wird es zum Beispiel bereits im 12. Jahrhundert in dem Buch „The Wonders of Britain“ erwähnt. Auf englischen Münzen, die selbst über 2000 Jahre alt sind, finden sich ähnliche Pferde-Abbildungen wie die auf dem White Horse Hill. Das geheimnisvolle weiße Pferd ist so groß, dass man es noch aus einer Distanz von mehr als 30 Kilometern sehen kann. Wie die Menschen der Bronzezeit ein derart großes und abstraktes Werk planen und umsetzen konnten, ist bis heute ein Geheimnis.
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Genauso, was das weiße Pferd symbolisieren könnte. Bekannt ist nur, dass die Sonne hinter dem Hügel aufgeht, so dass es mit Fantasie so aussieht, als würde das Pferd sie ziehen – eine gängige Darstellung in der keltischen Kunst. Laut „English Heritage“ könnte es sich dabei aber auch um ein Fruchtbarkeitssymbol handeln, oder eine einfach Landmarke. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es tatsächlich mit Torf abgedeckt, um so Piloten der deutschen Luftwaffe daran zu hindern, es zur Navigation zu nutzen. Das wahre Wunder ist aber, dass das weiße Pferd bis heute existiert.
Die Figur wird regelmäßig erneuert
Dies verdankt sich einem mindestens jahrhundertealten Ritual namens „Scouring Festival“, zu Deutsch etwa „Scheuer-Fest“. Denn früher kamen alle sieben Jahre Freiwillige zusammen, um die weiße Kalkfarbe des riesigen Pferdes zu erneuern. Die Zeremonie lässt sich gesichert bis ins Jahr 1677 zurückverfolgen. Heute ist sie zu einer kleinen Touristenattraktion geworden und findet daher regelmäßiger statt.
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Der White Horse Hill verwandelte sich dann in früheren Jahren laut „Smithsonian Mag“ in einen richtiggehenden Jahrmarkt. Heute dagegen geht es eher ruhiger zu. Das Ritual ist aber immer noch ein wichtiges Bindeglied zwischen den Menschen der umliegenden Gemeinden. In doppeltem Sinn: Ohne diese besondere Art der Pflege würde das Bild wohl innerhalb von etwa 30 Jahren komplett verschwinden. Nicht wenige Anwohner haben ihre Häuser so ausgerichtet, dass sie aus den Fenstern das riesige weiße Pferd sehen können. Der White Horse Hill wird heute vom National Trust verwaltet und ist jederzeit kostenlos zugänglich.
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Im Übrigen zeigen Luftaufnahmen, dass das weiße Pferd wohl im Laufe der Zeit seine Gestalt geändert hat. Dies rührt von natürlichen Bewegungen des Bodens auf dem White Horse Hill her. Auch war das Scharrbild wohl früher noch größer als heute. Noch bekannter als das weiße Pferd ist in England wohl nur der „Cerne Abbas Giant“, die ebenfalls in Stein gekratzte Abbildung eines riesigen nackten Mannes. Übrigens, falls sie am 29. und 30. August noch nichts vorhaben: Dann findet laut der Seite „Calendar Customs“ das nächste „Scheuer-Fest“ statt. Vorausgesetzt, Corona macht Ihnen keinen Strich durch die Rechnung.