7. Oktober 2019, 7:31 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Nord- oder Südschwarzwald? Warum besuchen Sie nicht einfach beide Regionen? Denn obwohl sie sich den Namen teilen, könnten sie unterschiedlicher nicht sein. TRAVELBOOK-Autor Robin Hartmann hat beide Gegenden erwandert und sagt, welche Ziele und Touren sich auch im Herbst lohnen.
Immer wieder geht der Blick in die Weite, streift über kleine Dörfchen, tiefe Wälder und glitzernde Gewässer – im Schwarzwald finden anspruchsvolle Wanderer nicht nur Entspannung für die Seele, sondern auch Adrenalin-Touren inmitten wunderschöner Natur. Und das Beste: Viele Strecken sind trotz ihrer Schönheit nicht überlaufen. Zugegeben, das mag daran liegen, dass das Wandern hier alles andere als ein sprichwörtlicher Spaziergang ist, aber schöne Dinge muss man sich eben verdienen.
Der Nördliche Schwarzwald
In Bad Liebenzell entspannen und wandern
Bad Liebenzell ist ein verschlafener, kleiner Kurort, eingebettet in waldige Hügel, über denen eine Burg thront. Märchenfans begegnen in dem Ort am Flüsschen Nagold immer wieder der Legende um den Riesen Erkinger, der einst dort gelebt und Bauerntöchter entführt haben soll, bis er von einer ganzen Armee zur Strecke gebracht wurde. Aufgrund seiner Therme ist Bad Liebenzell besonders bei älteren Menschen beliebt, doch eigentlich kommt man hier vor allem an, um anschließend auf Wanderschaft zu gehen.
Eine auf Wunsch auch mehrtägige Tour kann man vom Nachbarort Calw aus starten, der nur eine kurze Bahnfahrt entfernt ist. Wenn Sie in einem der zahlreichen Hotels oder Gästehäuser übernachten, erhalten Sie für die Dauer ihres Aufenthaltes die KONUS-Card, mit der Sie den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen können, einschließlich Regionalzügen, und das im gesamten Gebiet des Schwarzwalds. Calw besticht vor allem durch seine jahrhundertalten Fachwerkhäuser. Von hier aus geht es dann auch gleich richtig steil hoch in den Wald.
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Sprollenhaus und das Kaltenbronner Moor
Vorbei an scheinbar menschenleeren Örtchen wie Rötenbach geht es über Wanderwege immer wieder auf und ab, entlang solch skurriler Sehenswürdigkeiten wie einem alten Schafott über Mini-Dörfer wie Meistern, wo der letzte Bus unter der Woche um kurz vor 18 Uhr fährt. Wer am Tagesziel Sprollenhaus Glück hat, trifft im seit 200 Jahren familiengeführten Gasthaus Hirsch auf den örtlichen Stammtisch, dessen Mitglieder bei ein paar Bier gerne Geschichten aus der Region erzählen – zum Beispiel, warum das Schaf der Rasenmäher des Schwarzwaldes ist.
Am nächsten Morgen geht es zunächst wieder richtig steil nach oben, doch sofort kommt ein Gefühl der Entspannung auf, denn hier ist der Wald noch Wald – die Farbpalette der verschiedensten, beruhigenden Grüntöne erscheint hier unerschöpflich. Ein landschaftliches Highlight der gesamten Region ist das Kaltenbronner Moor mit seinem Wildsee, das man auf einem Bohlenstieg gemütlich durchqueren kann. Vor der Abfahrt mit einer Gondel nach Bad Wildbad erwarten den Besucher auf dem örtlichen Baumwipfelpfad dann noch die ersten Ausblicke in die Weite. Ob die Futterstationen für Eichhörnchen wirklich nötig sind, nur damit Urlauber sie aus nächster Nähe fotografieren können, bleibt fragwürdig – genauso wie der Fakt, dass man zusätzlich zum Eintritt noch einmal zur Kasse gebeten wird, sofern man vom Beobachtungsturm die Rutsche hinunter nehmen möchte.
Das verlassene Sanatorium Charlottenhöhe
Zwischen Bad Wildbad und Schömberg liegt dann noch ein Ort für Fans von Lost Places, nämlich das verlassene Sanatorium Charlottenhöhe, das auf einer erwanderbaren Anhöhe seit mehr als 20 Jahren langsam verfällt. Der dritte Wandertag bringt mit der Strecke von Schömberg bis Hirsau die landschaftlich schönste Etappe der Wanderung, was vor allem an dem unglaublich verwunschenen Schweinbachtal liegt, bei dem man glaubt, direkt durch ein Märchenbuch zu wandern: Die Natur hat alles mit einer dicken Moosschicht überzogen, das gleichnamige Gewässer plätschert sanft über unzählige kleine Kaskaden ins Tal, der Wald wird hier sich selbst überlassen, als Wanderer fühlt man sich auf wunderbare Weise als Gast auf Zeit.
Nicht weniger beeindruckend endet die Wanderung in dem kleinen Ort Hirsau, dessen gut erhaltenes, ehemaliges Kloster zu einem ausgedehnten Spaziergang in seinen alten Gemäuern einlädt – müde Beine freuen sich aber wohl am meisten über eine der Bänke im Klostergarten oder über einen Stuhl im nahegelegenen Café, wo man zur Stärkung selbst gebackenen Kuchen bekommt, bevor man dann Hirsau erkundet, das mit seinem Fachwerkhäusern noch einmal zu einem gemütlichen Spaziergang lockt. Natürlich kann man aus jeder der beschriebenen Etappen auch eine Tageswanderung machen – wer das ganze Abenteuer will, läuft innerhalb von drei Tagen auf der sogenannten „Stiefelreise“ kernige 75 Kilometer.
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Der Südschwarzwald
Waldkirch und der Kandel
Wer mit der eingangs erwähnten KONUS-Card in den Südschwarzwald ins Zwei-Täler-Land fährt, braucht aus dem Norden schon ein paar Stunden, doch die Reise ist es wert. Ein möglicher Start ist auf dem „Zwei-Täler-Steig“ im kleinen Waldkirch möglich. Hier lohnen sich vor allem ein Besuch im alten Silberbergwerk und im Gasthaus Suggenbad: Es blickt zurück auf eine mehr als 500-jährige Geschichte, war es doch einst dank seiner Schwefelquelle ein beliebter Ort für Heilbehandlungen, und sogar Kaiser Wilhelm I. war einst zu Besuch.
Von hier aus geht es auf den Kandel, einen Berg, dem magische Kräfte nachgesagt werden: Angeblich erscheint hier zur Fastnacht Luzifer persönlich mit seinen Getreuen, um sich unerkannt unter das feierwütige und fantasievoll kostümierte Volk zu mischen. Der Abstieg erfolgt in Richtung Simonswälder Tal, wobei sich eine Rast im familiengeführten Plattenhof empfiehlt. Hier gibt es bodenständige Küche zu guten Preisen in uriger Atmosphäre.
Der Zweribacher Bannwald
Bald wird es wieder abenteuerlich, denn man betritt den Zweribacher Bannwald, wo sich die gleichnamigen Wasserfälle über mehrere Kaskaden in die Tiefe stürzen. Das kalte Wasser lädt an warmen Tagen zu einem Bad ein und ist eine herrliche Erfrischung in der Feldflasche auf dem weiteren Weg. Der verläuft in der Folge entlang alter Gasthöfe, wo Kühe auf der Weide liegen und man sich wirklich bei jedem einzelnen wünscht, man wäre jetzt angekommen.
Ein wenig Ausdauer lohnt sich aber, denn es geht spektakulär weiter, nämlich entlang des Teichbachs durch die bizarr zerklüftete Teichschlucht, wiederum ein Stück Bannwald. Und wenn die Füße dann schon gar nicht mehr nach oben tragen wollen, erreicht man auf einer Anhöhe mit wunderbarer Aussicht das kleine Gasthaus Hintereck-Hütte, wo man notfalls auch übernachten könnte, sofern denn einer der wenigen Plätze frei ist. Beim letzten Stück Weg, dem sogenannten Wildsaupfad, muss man sich allerdings schon fragen, was die Verantwortlichen geritten hat, das als offizielles Stück Wanderweg auszuzeichnen. Hier geht es brutal steil bergab, vorbei auch am sogenannten Spitzen Stein, wo einst heidnische Opferrituale abgehalten wurden. Achtung: Achten Sie darauf, wo Sie hintreten. Stürze können lebensgefährlich sein.
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Das Simonswälder Tal und die Gemeinde Simonswald
Unten angekommen lockt dann der Gasthof Engel zu einer Einkehr. Allerdings: Das Haus blickt auf eine fast 500-jährige Tradition in Familienbesitz zurück, weswegen die Touristen nicht selten in Busladungen kommen. Definitiv ruhiger geht es im nahen Simonswälder Tal zu, das man wohl getrost zu den schönsten in ganz Deutschland zählen kann.
In der gleichnamigen Gemeinde Simonswald scheint die Zeit ein bisschen langsamer zu laufen, finden sich liebenswürdige Skurrilitäten wie eine Manufaktur für Kuckucksuhren oder ein Schuhladen mit fast 300-jähriger Geschichte. An warmen Tagen entspannt man hier mit sensationellem Ausblick im örtlichen Freibad, ansonsten gibt es vor allem: Sehr viel Ruhe und Entspannung. Die Bäckerei Wölfle backt noch mit eigenem Holzofen, und vor dem Haus steht ein Automat der Metzgerei Schuler, wo man sich den Schwarzwälder Souvenirschinken vakuumverpackt mit nach Hause nehmen kann.
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Biederbach und Freiburg
Eine weitere Tour führt über das Landwassereck zum Höhengasthof Zum Kreuz in den kleinen Ort Biederbach, wobei es hier sanft und vor allem ohne Steigungen durch das Land geht, was müde Füße sicher erfreuen wird – zumal die Aussichten über das weite Elz- und das Kinzigtal das Wander-Herz begeistern. Um Ihnen eine Enttäuschung zu ersparen: Das Biereck, ein Gasthof mit dem wohl besten Namen aller Zeiten, ist leider geschlossen, hoffentlich nur vorübergehend. Oder man müsste ihn aus den Wanderkarten streichen, ich jedenfalls war ziemlich untröstlich, als sich die geplante Rast hier zerschlug.
Am Ende einer Schwarzwald-Reise empfiehlt sich dann auch noch ein Besuch in Freiburg, der wohl entspanntesten Großstadt Deutschlands. Hier wachsen aufgrund des angenehmen Klimas sogar Palmen, und durch die Straßen rinnen die kleinen Bächle. Wer in ein solches hineinfällt bzw. -tritt, wird sich der Legende nach in einen Freiburger bzw. eine Freiburgerin verlieben. Wer hier immer noch nicht genug hat vom Wandern, kann eine schöne Tour auf den Schauinsland machen, ein mehr als 1200 Meter hoher Berg, der seinem Namen alle Ehre macht. Und spätestens hier oben wird es dann Zeit, die Bilanz einer tollen Reise zu ziehen – und sprichwörtlich zurück zu blicken auf ein paar einzigartige Wandertage.