9. August 2024, 17:28 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Fliegen wird immer teurer, doch Billig-Airlines wie Ryanair bieten weiterhin extrem niedrige Preise an. Für nur 14,99 Euro von Karlsruhe nach London – solche verlockenden Angebote haben bisher fast jeden dritten Deutschen schon mal dazu bewegt, sich für den Billigflieger zu entscheiden. Wie kann das irische Unternehmen trotzdem jedes Jahr so viel Umsatz machen? Mitarbeiter packen in einer kürzlich ausgestrahlten Doku des ZDF nun aus, dass vor allem ihre Arbeitsbedingungen unter den Dumping-Preisen von Ryanair leiden.
Prozessoptimierungen sind fast in jedem Unternehmen notwendig, um die Effizienz zu steigern. Michael O’Leary (CEO von Ryanair) und sein Team haben dieses Konzept anscheinend bis zum äußersten ausgereizt. Mit ihrem Low-cost-Modell haben sie laut ZDF im Jahr 2023 einen beeindruckenden Jahresgewinn von knapp 1,4 Milliarden Euro erwirtschaftet. Eine ZDF-Dokumentation mit dem Titel „Das System Ryanair“ zeigt nun, welche Kosten dieser Erfolg mit sich bringt. Denn es sind demnach vor allem die Mitarbeiter, die unter den schlechten Arbeitsbedingungen leiden und um jeden Preis Profit für Ryanair machen müssen.
Das System Ryanair – die Tricks des Billigfliegers
In einem Werbevideo lockt Ryanair neue Angestellte mit Frühstück in Paris, Mittagessen in Rom und Abendessen in London. „Ich dachte, es wäre ein Traumjob, die Welt zu bereisen“, erzählt die ehemalige Flugbegleiterin Sara in der Dokumentation des ZDF. „Doch diese Illusion zerplatzte schnell.“ Die Arbeitsbedingungen bei Ryanair seien nämlich alles andere als gut. Denn was die Billig-Airline an den Preisen einspart, versucht sie über die Mitarbeiter wieder reinzuholen. Das Hauptziel der Crew sei es, an Bord so viel wie möglich zu verkaufen. „Zehn Minuten nach dem Start müssen wir bereits mit dem Verkauf von Sandwiches beginnen“.
Bei längeren Flügen sei es durchaus normal, dass Passagiere Kaffee oder Snacks bestellen. Doch bei einem 45-minütigen Flug müssen die Mitarbeiter die Fluggäste aktiv zum Kauf überreden. Sara berichtet: „Wir stehen unter immensem Verkaufsdruck. Die Passagiere sollen einfach möglichst viel Geld ausgeben.“
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Personal kauft selbst Produkte, um die Umsatzziele zu erreichen
Für jedes Mitglied des Kabinenpersonals gebe es individuelle Verkaufsziele, die es zu erreichen gilt. Wer diese Ziele nicht erfüllt, wird laut Sara sogar an freien Tagen kontaktiert und nach den Umsätzen befragt. Gleichzeitig gibt es ein Bewertungssystem, in welchem die besten und schlechtesten Verkäufer für alle einsehbar offen dargelegt werden. Der Druck sei so groß, dass einige Mitarbeiter sogar manchmal selbst im Bordshop einkaufen, um die Vorgaben zu erfüllen. „Fehlen dir 20 Euro, kaufst du eben ein Parfüm“, berichtet der ehemalige Steward Joao in der ZDF-Doku.
Ein ehemaliger Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, berichtet weiter, dass man „völlig erschöpft, überarbeitet [und] unterbezahlt“ sei. Hinter diesen schlechten Arbeitsbedingungen steckt bei Ryanair offenbar Methode. „Die Leute auf Linie zu halten läuft wie beim Militär“, berichtet Felipe, ein ehemaliger Kabinenchef bei Ryanair. Das zeigt sich auch an er Haltung von CEO Michael O’Leary, der das Unternehmen seit 1993 leitet.
Während eines Vortrags im Jahr 2015 an einer irischen Uni fragte ihn das Publikum, ob er sich anstrengen müsse, um die Arbeitsfreude seiner Mitarbeiter zu steigern. Daraufhin entgegnet O’Leary: „Der Faktor Mensch ist bei uns sehr wichtig. Ich werde oft gefragt, wie ich Mitarbeiter motiviere – Angst funktioniert super. Leute zu terrorisieren, ist oft die effizienteste Art der Motivation.“ Auch wenn diese Aussage zu diesem Zeitpunkt bestimmt ironisch gemeint war, steckt wohl doch ein Fünkchen Wahrheit darin, wenn man sich die Berichte der Mitarbeiter von Ryanair über ihre Arbeitsbedingungen anhört. TRAVELBOOK hat eine Stellungnahme zu den Vorwürfen bei Ryanair angefragt, eine Antwort steht allerdings noch aus.