9. November 2015, 17:56 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Bei der Lufthansa streiken die Flugbegleiter. Deren Arbeitsalltag wird oft rosiger dargestellt, als er ist. Zwar fliegen sie in die schönsten Länder dieser Welt – doch viele leiden unter gesundheitlichen Problemen und sozialer Isolation.
Schon wieder Streik bei der Lufthansa. Zehntausende Passagiere sind betroffen, auf Flughäfen sieht man ahnungslose Gesichter von Menschen, die nicht wissen, wie sie jetzt in den Urlaub, nach Hause oder zum Geschäftstermin kommen sollen. Diesmal sind es nicht die Piloten, die ihre Arbeit niederlegen, sondern die Flugbegleiter. Nach unzähligen Streiks in diesem Jahr bei der Bahn und am Flughafen dürften die wenigsten für die Situation der Flugbegleiter Verständnis haben.
Noch immer gibt es viele, die glauben, Flugbegleiter hätten den besten Job der Welt, schließlich werden sie dafür bezahlt, jeden Tag neue Orte anzufliegen, zudem hätten sie die Möglichkeit, relativ günstig mit der eigenen Airline zu verreisen.
Die Wahrheit sieht allerdings bei Weitem nicht so rosig aus, wie auch Studien und Erfahrungsberichte von Flugbegleiterinnen selbst nahelegen. So berichtet zum Beispiel Sarah Steegar, die seit 17 Jahren im Job ist, auf der Webseite „Flyertalk“ der Job werde „verherrlicht und hat wahre Schattenseiten, die oft übersehen werden“.
Soziale Isolation
Mal schnell auf einen Kaffee mit der Mutter in der Mittagspause treffen, oder spontan am Samstag mit der besten Freundin shoppen gehen: Das geht bei Flugbegleitern nicht. Denn während die meisten Menschen geregelte Arbeitszeiten haben, ändern sich diese bei Flugbegleitern ständig. Sie verpassen Geburtstage, Familienfeste und können nicht mal eben bei ihren Freunden vorbeischauen.
So geht es auch Sarah Steegar: „Ich verpasse viele Events und Feiertage mit der Familie“, schreibt sie. Neue Beziehung aufzubauen, seien es partnerschaftliche oder freundschaftliche, ist schwierig wenn nicht sogar unmöglich.
Einsamkeit
Obwohl sie im Job ständig von Menschen umgeben sind, leiden Flugbegleiter oft unter Einsamkeit und vermissen nach Feierabend eine Vertrauensperson außerhalb des beruflichen Umfelds. Der Kontakt zu Freunden und Verwandten via Smartphone und Computer ist kein Ersatz für ein echtes Gespräch.
„Was du in dem Moment möchtest, ist mit jemandem zusammen zu sein“, so Steegar. Eine Person, die man kenne und in deren Gesellschaft man sich wohlfühle. „Klar, wir haben Kollegen, und wir unternehmen auch etwas, aber sie sind mehr Bekanntschaften. Das ist nicht dasselbe.“
Keine Zeit am Ziel
Dass Flugbegleiter sozusagen berufsbedingt die Welt bereisen und dabei schönsten Städte und Länder kennenlernen, ist ein häufiges Missverständnis. Denn von den Orten, die sie anfliegen, sehen sie häufig nicht viel. Zu eng sind die Pläne getaktet, die Zeit vor Ort nutzen die meisten daher meist zum Ausruhen. Kurz in Rio an den Strand gehen, mal schnell in Paris shoppen – das geschieht oft nur mit Jetlag und unter Zeitdruck.
Gesundheitliche Probleme
Oft wird auch unterschätzt, welche gesundheitlichen Probleme das Vielfliegen mit sich bringt. Und davon sind nicht nur Flugbegleiter, sondern auch andere Vielflieger, wie zum Beispiel Piloten und Geschäftsleute betroffen, wie die im August dieses Jahres veröffentlichte Studie „A darker side of hypermobility“ enthüllt, wobei der Jetlag zu den häufigsten zählt und weitere Beschwerden nach sich zieht.
Ein Jetlag hat nicht nur Auswirkungen auf den Schlaf-Wach-Rhythmus, sondern auch auf die Verdauung – und das bis zu sechs Tage nach einem Flug.
Zudem könne infolge von Jetlag auch das Risiko eines Herzinfarktes steigen, so die Forscher. Bei Crew-Mitgliedern kann es laut der Studie auf Dauer sogar zu einer Beeinträchtigung der Denkleistung kommen.
Daneben listet die Studien weitere Risiken auf aufgrund von unregelmäßiger und nicht ausgewogener Ernährung, mangelnden Möglichkeiten, Sport zu treiben und zuweilen ein erhöhter Alkoholkonsum.
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Finanzieller Frust
Das Gehalt variiert sehr stark – von Land zu Land und von Airline zu Airline – ebenso wie die Regelung der Arbeitszeit. Eine Flugbegleiterin berichtet gegenüber TRAVELBOOK, dass sie vom Zeitpunkt an bezahlt wird, an dem sich das Flugzeug in Bewegung setzt („Off-Block“) – bis zum Stillstand des Fliegers („On-Block“). In den USA spricht man davon, dass die Bezahlung erst dann losgeht, wenn die Türen geschlossen sind. So twitterte die amerikanische Flugbegleiterin, Bloggerin und Buchautorin („Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen. Eine Stewardess erzählt“) Heather Poole zum Beispiel im Februar 2015, dass ihr Flug gestrichen wurde und sie nun mit „wütenden Passagieren“ auf dem Flughafen sitzt und nicht bezahlt werde.