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Jens Bischof im TRAVELBOOK-Interview

Eurowings-Chef: »Kein Wunder, dass Deutschland wirtschaftlich immer weiter zurückfällt

Eurowings-CEO Jens Bischof hat große Pläne für den EasyJet- und Ryanair-Konkurrenten
Eurowings-CEO Jens Bischof hat große Pläne für den EasyJet- und Ryanair-Konkurrenten Foto: Getty Images, Jens Bischof (Collage: TRAVELBOOK)

11. April 2025, 12:08 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Deutschland befindet sich dank der neuen Regierung gerade im Umbruch. Das merkt man auch in der Luftfahrtbranche. Was muss passieren, damit wir als Wirtschaftsstandort nicht abgehängt werden? Wo besteht bei der Infrastruktur noch Handlungsbedarf? Und was passiert, wenn die Luftfahrt in Deutschland nicht bald entlastet wird? Auf all diese Fragen hat der CEO von Eurowings, Jens Bischof, in einem Interview mit TRAVELBOOK klare Antworten gefunden.

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Erwartungen vom Eurowings-CEO an die neue Bundesregierung

Herr Bischof, Deutschland kann nun auf ein Sondervermögen für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro zurückgreifen. Das dürfte Sie als Eurowings-Chef doch sicher freuen.

Jens Bischof, CEO von Eurowings: „Mit Blick auf die anhaltende Wirtschaftskrise in Deutschland ist es zwingend erforderlich, erhebliche Mittel in das Thema Infrastruktur zu leiten, zu der auch der Luftverkehr gehört. Eine moderne, effiziente Verkehrs-Infrastruktur ist eine wesentliche Triebfeder für Wachstum und Wohlstand. Leider ist der Blick darauf, wie entscheidend eine funktionierende Wirtschaft für das Wohlergehen einer Nation ist, in den letzten Jahren weit in den Hintergrund geraten.“

Was erwarten Sie von der Bundesregierung?

„Dass auch in die Luftverkehrsinfrastruktur investiert wird. Mobilität ist sehr wichtig, um Menschen, Kulturen und ganze Volkswirtschaften miteinander verbinden zu können. Und damit meine ich nicht nur Privat- und Urlaubsreisen, sondern auch Geschäftsreisen. Das weltweite Passagieraufkommen im Luftverkehr ist 2024 um mehr als zehn Prozent gestiegen und liegt heute über dem Niveau vor der Pandemie – nur bei uns in Deutschland nicht. Kein Wunder, dass wir auch wirtschaftlich immer weiter zurückfallen.“

Liegt es nur am ökologischen Bewusstsein der Menschen hierzulande?

„Wir wissen, dass die extrem gestiegenen Kosten am Standort Deutschland für den Rückgang verantwortlich sind. Allein die staatlich induzierten Kosten lagen bereits im Vorjahr bei 3,3 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr soll die Luftverkehrsbranche als zusätzliche Belastung weitere 1,2 Milliarden Euro schultern. Insgesamt sind also 4,5 Milliarden Euro auf jedes Flugticket umzulegen, das gibt es nirgendwo sonst in Europa. Die künftige Bundesregierung muss jetzt handeln und diese Kostenlawine stoppen.“

Was wünschen Sie sich konkret?

„Zwei Milliarden Euro entfallen allein auf die Luftverkehrssteuer, die keinerlei Zweckbindung hat. Das Geld wandert bisher in den allgemeinen Steuertopf, mit dem andere Staatsausgaben finanziert werden. Daher ist unser Appell an die Bundesregierung, dem Beispiel Schwedens zu folgen und die Luftverkehrssteuer abzuschaffen. Schweden ist ökologisch genauso achtsam wie wir, hat aber erkannt, dass nationale Steuer-Lösungen nur der heimischen Wirtschaft schaden, ohne dem Klima zu helfen.“

Neben der Luftverkehrssteuer gibt es ja auch noch die Luftsicherheitsgebühr.

„Auch diese Gebühr wurde Anfang des Jahres um bis zu 50 Prozent erhöht – von maximal zehn auf maximal 15 Euro pro Passagier. Das spiegelt unsere Misere in Deutschland. In anderen Ländern laufen Sicherheitskontrollen nicht nur schneller und effizienter, sie sind darüber hinaus viel günstiger. Daher sollte die künftige Bundesregierung wenigstens die neuerliche Erhöhung auf 15 Euro pro Passagier zurücknehmen.“

Das muss sich für den Luftverkehr am Wirtschaftsstandort Deutschland ändern

Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf? 

„Die Deutsche Flugsicherung hat während der Pandemie – wie viele andere öffentliche oder privatwirtschaftliche Unternehmen – Verluste aufgebaut. Die Bundesregierung hat entschieden, diese Verluste nicht als Eigentümer zu tragen, sondern auch noch auf die Ticketpreise obendrauf zu legen. Wir haben aktuell weniger Passagieraufkommen als 2019, aber die Gebühren für die Flugsicherung werden verdoppelt. Ist das nicht absurd?

Bis 2030 müssen 6 Prozent des Flugkraftstoffs nachhaltig sein. Sie selbst haben im Interview mit uns vor zwei Jahren bekräftigt, dass Eurowings bis 2030 den CO2-Ausstoß halbieren will.

„Zunächst einmal: Das Thema ist uns als Branche sehr wichtig. Wir nehmen unsere Verantwortung in diesem Bereich sehr ernst, benötigen zur Umsetzung aber auch bezahlbare, nachhaltige Kraftstoffe. Heute kosten die sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF) drei- bis fünfmal so viel wie herkömmliches Kerosin, strombasierte Kraftstoffe sind sogar bis zu zehnmal teurer. Auf diesem Niveau kann keine Airline dieser Welt wirtschaftlich operieren, weil es schlichtweg viel zu teuer ist. Entsprechend werden mangels Nachfrage keine großen Industrieanlagen gebaut und kein SAF in ausreichendem Maße produziert.“

Das klingt, als wünschen Sie sich eine Förderung …

„Die USA machen vor, wie es geht. Anstatt ihre eigene Flugindustrie zu bestrafen, fördern sie nachhaltige Kraftstoffe und machen sie sogar etwas günstiger. Über eine temporäre Subventionierung wird SAF attraktiv, die Investitionssicherheit in neue Anlagen steigt – und damit auch die Chance, einen milliardenschweren Zukunftsmarkt anzuführen. Eine solche Förderung nachhaltiger Flugkraftstoffe fordern wir auch von der Bundesregierung. Nur so können wir am Ende auch Nachhaltigkeitsziele erreichen, denen wir uns zu 100 Prozent verpflichtet fühlen. Dafür müssen wir aber endlich raus aus der Bestrafungsspirale in Form von Steuern und den Irrglauben aus der Welt schaffen, dass mit einer künstlichen Verteuerung des Fliegens in Deutschland dem Weltklima geholfen sei.“

Wie viele Milliarden sind Ihrer Ansicht nach notwendig?

„Meiner Ansicht nach ist es durchaus möglich, diese Industrie mit einem gezielten und effizienten Aufwand zu dekarbonisieren. Für Deutschland stehen beträchtliche Mittel aus dem Infrastruktur-Topf zur Verfügung. Sie sollten nun dort eingesetzt werden, wo sie den größten ökonomischen und ökologischen Hebel entfalten können. Besonders im Luftverkehr ist dieses Potenzial signifikant.“

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Deutschland zunehmend abhängig von ausländischem Luftverkehr

Was passiert, wenn die Luftfahrt in Deutschland nicht entlastet wird?

„Es wird sich eine bedenkliche Entwicklung fortsetzen bzw. beschleunigen: dass immer mehr Industrieregionen in Deutschland abgehängt werden, wie wir es zurzeit bereits in der Bodensee-Region oder an Flughäfen wie Leipzig und Dresden sehen. Für die Entwicklung von Standorten ist eine direkte Luftverkehrs-Anbindung ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Der gesamtwirtschaftliche Schaden ist immens, wenn wir weiter dabei zusehen, wie immer mehr Flugzeuge außerhalb Deutschlands stationiert werden. So machen wir uns zunehmend von ausländischer Luftverkehrsinfrastruktur abhängig.“ 

… die diese Lücken bei uns für sich nutzt.

„Nehmen wir zum Beispiel Turkish Airlines, die mittlerweile fast jeden Winkel Deutschlands anfliegen und immer mehr Gäste über ihr Drehkreuz Istanbul ziehen. Für diese Airlines gelten ganz andere Spielregeln in Sachen Klimaschutz, Steuern und Standortkosten. Es ist höchste Zeit zu handeln, denn es geht um den Wirtschaftsstandort Deutschland – und um entsprechend viele Arbeitsplätze.“

Zuletzt wurde auch viel über die Leistungsfähigkeit Deutschlands gesprochen. Sind unsere Unternehmen weniger effizient?

„Grundsätzlich müssen wir uns in puncto Effizienz bei der Herstellung von Gütern und Dienstleistungen nicht verstecken. Allerdings ist der Zugang zu Rohstoffen in Deutschland viel zu teuer. Ob elektrische Energie, Öl und Gas oder Flugkraftstoffe: Wir haben hierzulande Betonklötze am Bein. Und dort, wo wir mit einfachen Mitteln gleiche Bedingungen für alle erzielen wollen, schaffen wir am Ende Bürokratiemonster. Ein Beispiel sind die Beimischungsquoten für SAF im europäischen Luftverkehr. Hier wurde ein super-kompliziertes Konstrukt geschaffen, das kontrollieren soll, ob außereuropäische Airlines, die hier landen, genügend in Europa getankt haben. Viel einfacher wäre es doch, eine endzielbezogene Klimaabgabe einzuführen und diese Einnahmen für den Hochlauf nachhaltiger Flugkraftstoffe zu verwenden, ganz ohne Bürokratie und unter Kostenbeteiligung auch außer-europäischer Airlines“.

Themen Airline Deutschland
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