
11. April 2025, 11:06 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Vom Billigflieger zur Lovebrand? Eurowings will nicht mehr nur günstig, sondern auch komfortabel sein – und sich so langfristig von Wettbewerbern wie Ryanair und Easyjet abheben. Doch wie genau soll das gelingen? Welche Innovationen sind geplant, um das Reiseerlebnis zu verbessern? Und wie möchte sich Eurowings als Reiseveranstalter beweisen? TRAVELBOOK hat mit Jens Bischof, bereits seit 5 Jahren CEO von Eurowings, gesprochen – über neue Strategien, künftige Ziele und persönliche Anekdoten.
Übersicht
Eurowings ab sofort auch Reiseveranstalter
Herr Bischof, mit der Eurowings Holidays GmbH sind Sie seit dem 1. April auch als Reiseveranstalter aktiv. Warum dieser Schritt?
Jens Bischof, CEO von Eurowings: „Wir haben die Pandemie nach einigen schwierigen Jahren genutzt, um uns einerseits zu restrukturieren, aber eben auch die Marke Eurowings zu repositionieren. Dazu gehörte eine ganze Reihe an Maßnahmen, darunter der Schritt zu einer stärker Touristik-lastigen Airline sowie eine klare Abgrenzung zu Low-Cost-Wettbewerbern wie Ryanair & Co. Dieser Wandel hat sich ausgezahlt: 2023 und 2024 waren zwei Rekordjahre für Eurowings.“
Und dann haben Sie sich gedacht: Jetzt werden wir Reiseveranstalter!
„Wir haben uns die Frage gestellt: Können wir als größter deutscher Ferienflieger nicht mehr unternehmen, als nur in neue Flugzeuge zu investieren? Warum schaffen wir in Kombination mit einem Reiseveranstalter nicht etwas, das uns für mehr als 20 Millionen Kunden besonders attraktiv macht? Die Antwort heißt Eurowings Holidays.“
Aber es gibt doch schon genug Reiseveranstalter. Hat Eurowings überhaupt eine Chance?
„Warum sollten wir Kunden nach der Flugbuchung auf andere Reise-Plattformen wie Booking.com schicken, wenn wir doch ein attraktives Urlaubspaket aus einer Hand anbieten können? Überzeugen nur einige Prozent unserer mehr als 20 Millionen Gäste, ihren Urlaub bei Eurowings Holidays zu buchen, entsteht ein enormer Hebel. Wir fragen sie künftig einfach – vor, während oder nach der Buchung – ob sie nur einen Flug suchen oder eine ganze Urlaubsreise. Die können wir zu sehr attraktiven Konditionen anbieten, etwa mit einer Anzahlung von nur 50 Euro pro Gast. Zudem erlaubt Eurowings Holidays kostenlose Umbuchungen und kostengünstige Stornierungen bis 14 Tage vor Abreise. So flexibel sind die wenigsten Reiseveranstalter.“
Flottenerneuerung bei Eurowings
Nun ist auch eine Flottenerneuerung geplant. Ab 2027 bekommen Sie 40 Boeing 737 MAX 8. Weitere 60 könnten folgen. Warum ein Flugzeug, das zuletzt gehäuft in Vorfälle verwickelt war?
„Bei Flugbetrieben wie unserer Schwester-Airline Sun Express ist die 737-8 MAX schon sehr lange, sehr zuverlässig und sehr erfolgreich im Einsatz. Die Leistungsdaten des Flugzeugs sind herausragend: Die 737-8 MAX ist deutlich effizienter, sparsamer und leiser als ihre Vorgänger-Modelle. Und sie kann 1000 Kilometer weiter fliegen als zum Beispiel eine A320neo. Das ist gerade für unsere längeren Nonstop-Strecken wie nach Dubai oder Abu Dhabi sehr relevant. Boeing konnte uns die neuen Flugzeuge zudem viel früher zusagen als Airbus.“
Das sind die wirtschaftlichen Gründe, haben Sicherheitsfaktoren keine Rolle gespielt?
„Mehr als 1.600 Boeing 737 MAX fliegen Tag und Nacht quer über den Globus, und die Produktion des Flugzeugtyps gilt aktuell als die am strengsten überwachte weltweit. Die erste Eurowings 737-8 MAX wird ja erst in 2027 produziert, und wir werden natürlich wieder eigene Ingenieure der Lufthansa Group vor Ort haben, die den Produktionsprozess eng begleiten und kontrollieren. Auch deshalb fühlen wir uns mit der Entscheidung sehr wohl.
Der Markt wird von zwei großen Flugzeugherstellern dominiert, Boeing und Airbus. Muss es mehr Wettbewerb geben?
„Wettbewerb belebt immer das Geschäft, und jede Airline dieser Welt würde sich sicherlich über günstigere Preise im Flugzeugbau freuen. Realistisch gesehen ist zurzeit aber keine ernsthafte Konkurrenz bei großen Passagierflugzeugen in Sicht: Bombardier hat die C-Serie an Airbus verkauft, Embraer kratzt mit dem 195 allenfalls am unteren Segment. Auch russische oder chinesische Modelle sehe ich nicht annähernd auf diesem Niveau. Es gibt absehbar also wohl keinen Hersteller, der in der Lage sein könnte, in die Domäne von Airbus und Boeing einzubrechen.“
Flüge mit einem Piloten und Ticketpreisentwicklungen
Kosten einsparen würden auch Flüge mit nur einem Piloten. Die EASA will bis 2027 zumindest die Möglichkeit geprüft haben. Wie stehen Sie dazu?
„Lassen Sie uns bitte weiter mit zwei Piloten fliegen. Selbst wenn die technologische Entwicklung von Bordsystemen irgendwann so weit sein könnte, dass ein Flugzeug in der Theorie automatisiert fliegt. Eine menschliche Expertise samt Redundanz im Cockpit bleibt ein großer Gewinn, weil sie Passagieren ein starkes Sicherheitsgefühl vermittelt. Mir ist sicher auch in vielen Jahren noch am wohlsten, wenn ich zwei hervorragend ausgebildete Pilotinnen und Piloten vorn im Cockpit weiß.“
Vor zwei Jahren haben Sie steigende Ticketpreise vorausgesagt und Recht behalten. Wie ist Ihre Prognose für die kommenden Jahre, vor allem in Europa?
„Luftverkehrssteuer, CO₂-Abgaben, Luftsicherheitsgebühren: Die Ticketpreise dürften weiter steigen, wenn diese Kostenlawine in Deutschland nicht aufgehalten wird. Nur wenn die künftige Bundesregierung den galoppierenden Gebühren, Steuern und Standortkosten Einhalt gebietet, können Airlines weiter moderate Flugpreise anbieten. Zurzeit sehe ich eher die Gefahr, dass Fliegen für immer weniger Menschen erschwinglich wird, eine aus meiner Sicht besorgniserregende Entwicklung. Mobilität über Landesgrenzen hinweg, die Verständigung und Vernetzung von Menschen, Kulturen und Wirtschaftsräumen sind enorm wichtig für eine Demokratie. Wir sollten sie nicht aufs Spiel setzen.“

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Verhalten im Flugzeug und persönliche Reiseziele
Sie haben das Thema Verständigung angesprochen. Dazu gehört auch die Rücksichtnahme, die Sie sich bei unserem letzten Gespräch auch im Flugzeug gewünscht haben. Haben Sie den Eindruck, dass es sich gebessert hat?
„Etwas von der Rücksichtnahme, die wir in Zeiten der Pandemie gezeigt haben, ist durchaus verloren gegangen. Man muss nach der Landung ja nicht nach Sitzreihen aufstehen, als wären wir beim Militär, aber man sollte dem Sitznachbarn auch nicht gleich auf die Füße steigen. Da würde ich mir wieder etwas mehr Miteinander und Achtsamkeit wünschen: Also nicht sofort aufspringen, wenn der Flieger gelandet ist, bitte keine Lautsprecher-unterstützten Telefonate vor Dutzenden von Passagieren. Und auch kein Wettbewerb, wer als Erster den Koffer aus dem Gepäckfach zieht.“
Zumindest beschleunigt die Hektik nicht das Öffnen der Kabinentür, und sie macht ein wenig das Reiseerlebnis zunichte. Das ist Ihnen sehr wichtig.
„Bei Eurowings geben wir uns viel Mühe, möglichst alle Sinne der Gäste anzusprechen. Das beginnt beim Sehen und Hören (freundliches Personal, informative Kabinenansagen) und umfasst auch, was ich als Passagier an Bord fühlen, schmecken und riechen kann. Mit der richtigen Atmosphäre im Flugzeug kann man schon beim Ein- und Aussteigen viel bewirken. Das kann eine beruhigende Musik sein, ein angenehmer Duft an Bord oder ein richtig guter Kaffee am Morgen. Da wird man in diesem Jahr noch einiges von uns hören.“
Eine abschließende Frage: Was ist Ihr Überraschungsziel 2025? Es darf auch außerhalb des Eurowings-Streckennetzes sein.
„Als Naturliebhaber versuche ich regelmäßig Orte zu erkunden, die nicht unbedingt auf der Top-Ten-Liste von Reiseführern stehen. Sehr spannend finde ich etwa die Azoren, da würde ich sehr gerne mal wieder hin. Ansonsten bin ich großer Island-Fan. Die nächste Reise dorthin, bei der wir die ganze Insel umrunden wollen, ist bereits geplant. Gerade war ich in den Fjorden Norwegens unterwegs, auch da ist es unfassbar schön. Nepal und den Himalaya finde ich so beeindruckend, dass ich da auch nochmal hinmöchte, um den Westen des Landes zu erkunden. Außerdem auf meiner Bucket List: Mit dem Katamaran durch die Inselwelt Süd-Patagoniens – auf der chilenischen Seite.“