12. September 2019, 11:23 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In letzter Zeit haben in mehreren europäischen Ländern die Piloten der irischen Fluggesellschaft Ryanair gestreikt. Nach langwierigen Verhandlungen erhalten zumindest die in Deutschland stationierten Ryanair-Piloten nun erstmals einen Tarifvertrag, der höhere Gehälter vorsieht.
Wie die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) am Mittwoch mitteilte, hat sich die zuständige Tarifkommission mit Ryanair auf formale Tarifverträge sowie auf einen tariflichen Sozialplan mit einer Laufzeit von mehreren Jahren geeinigt. „Der Abschluss sieht höhere Grundgehälter und – insbesondere durch die Umstellung auf deutsches Einkommenssteuerrecht Anfang kommenden Jahres – auch höhere Nettogehälter vor“, heißt es seitens VC.
Was Ryanair-Piloten in Deutschland künftig verdienen
Flugkapitäne sollen laut dem neuen Tarifvertrag künftig 100.000 Euro brutto pro Jahr bekommen, was einer Steigerung von 33 Prozent entspricht, schreibt tagesschau.de. Für Co-Piloten soll sich das Bruttogehalt auf 50.000 Euro jährlich verdoppeln. Über den Abschluss der neuen Tarifverträge müssen die VC-Mitglieder zunächst noch abstimmen.
Was Ryanair-Piloten in anderen europäischen Ländern verdienen, ist unklar. Derzeit wird immer wieder für höhere Gehälter gestreikt, zuletzt in Großbritannien und Spanien.
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Zahlen widersprechen den Angaben von Ryanair
Ryanair selbst hatte im vergangenen Jahr auf TRAVELBOOK-Nachfrage erklärt, dass die für sie tätigen Piloten zwischen 140.000 und 200.000 Euro pro Jahr verdienen würden. Die Pilotenvereinigung Cockpit hingegen hatte gegenüber TRAVELBOOK erklärt, dass die von Ryanair genannte Gehaltsspanne nur für Mitarbeiter mit besonderen Aufgaben gelte. „Laut unseren Informationen verdient niemand bei Ryanair 200.000 Euro brutto im Jahr. Vielleicht gibt es Managementpiloten mit entsprechenden Verträgen. Allerdings ist der Durchschnitt weit davon entfernt“, so VC-Sprecher Janis Schmitt.
2017 hat dem VC-Sprecher zufolge ein Kapitän im Durchschnitt circa 135.000 Euro brutto verdient, darin seien aber schon alle Zulagen, Spesen, Reisekosten, Flugstunden und Überstunden inkludiert gewesen. Man bekomme diese Summe aber auch nur, wenn man entsprechend arbeite. Werde ein Pilot beispielsweise nicht eingesetzt oder erkranke, falle er auf das Grundgehalt zurück. Dieses bezifferte Schmitt für das Jahr 2017 auf etwa 75.000 Euro brutto im Jahr für Kapitäne und circa 27.000 Euro brutto im Jahr für Co-Piloten.
Flexible Lohnanteile fallen weg
Mit den neuen Tarifverträgen soll sich dieses Grundgehalt nun also zumindest in Deutschland deutlich erhöhen. Laut tagesschau.de wird sich das Gesamtgehalt unter dem Strich aber letztlich nur leicht erhöhen, weil gleichzeitig flexible Lohnanteile gestrichen würden.
Auch wenn sich die reinen Gehälter oft schlecht vergleichen lassen, schneidet Ryanair dem VC-Sprecher zufolge im Vergleich mit anderen Fluggesellschaften schlecht ab. „Bei anderen Airlines gibt es meist eine höhere Grundvergütung, die das monatliche Gehalt kalkulierbarer macht“, sagt Schmitt.
Aktuell in Deutschland Was verdienen eigentlich Flugbegleiter?
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Was Flugbegleiter bei Ryanair verdienen
Für Flugbegleiter sind die Verdienstaussichten bei Ryanair mau: Laut Verdi beträgt das durchschnittliche monatliche Basisgehalt direkt bei Ryanair angestellter Flugbegleiter zwischen 800 und 1200 Euro bei Vollzeitbeschäftigung. Bei maximal realistischen Flugstunden und Zuschlägen kommt ein Flugbegleiter auf 1.800 Euro im Monat und ein Purser (der Chef-Steward, Anm.d.Red.) auf 2.700 Euro brutto. Nicht eingerechnet ist hierbei eine Verkaufsprovision für Duty Free-Artikel, Essen und Getränke. Im Vergleich zum Low-Cost-Carrier Easy Jet verdient das Kabinenpersonal bei Ryanair damit rund 1.000 Euro weniger im Monat, berichtet Verdi. Damit widerspricht die Dienstleistungsgewerkschaft den Angaben von Ryanair, nach denen Flugbegleiter ein Jahresgehalt von 30.000 bis 40.000 pro Jahr verdienen (entspricht einem Brutto-Gehalt von 2500 bis 3300 Euro).
Noch schlechter schneiden Leiharbeitnehmer ab. 700 von 1.000 Ryanair-Flugbegleitern in Deutschland sind laut Verdi bei den Firmen Crewlink und Workforce beschäftigt, die ausschließlich an Ryanair entsenden. In der Regel bekommen sie kein Basisgehalt und werden nur für reine Flugstunden zwischen Abflug und Landung bezahlt. Für Stunden am Boden gibt es auch bei Verspätungen kein Geld. Die Mitarbeiter haben außerdem laut Verdi keine Flugstundengarantie. Dadurch schwankt ihr Einkommen stark und liegt bei 900 maximal realistischen Flugstunden mit Zuschlägen bei ungefähr 1.500 Euro brutto. Verträge sind oft auf zwei Jahre befristet. Verdi fordert neben einer besseren Bezahlung deutsche Arbeitsverträge für das gesamte Kabinenpersonal. Unter anderem würde das Verbesserungen für den Kündigungsschutz oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bedeuten.