1. Februar 2019, 12:59 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Beim Ryanair-Gewinnspiel mit Rubbellosen gibt es eine Million Euro zu gewinnen – angeblich. Doch wie hoch ist die Gewinnchance, und hat überhaupt schon einmal jemand das Geld gewonnen? TRAVELBOOK hat bei der Billigairline nachgefragt.
Wer schon einmal mit Ryanair geflogen ist, der kennt das Prozedere: Während des Flugs werden die Passagiere via Lautsprecher dazu animiert, Rubbellose zu kaufen, die die Fluggesellschaft zum Stückpreis von zwei Euro anbietet. In Aussicht gestellt werden Sach- und Geldpreise, darunter auch ein Hauptgewinn in Höhe von einer Million Euro. Um zu gewinnen, muss man zuerst drei identische Symbole freirubbeln, in einem weiteren Feld mit dem Titel „Prize Panel“ wird angezeigt, was genau (nicht) gewinnen wurde. Doch wie realistisch ist die Chance, tatsächlich die Million zu gewinnen? Und wurde dieser Preis überhaupt jemals ausgeschüttet?
Wer bei Google den Suchbegriff „Ryanair Scratch Card Terms and Conditions“ eingibt, stößt schnell auf einen Link zu einem Word-Dokument der Gewinnspiel-Betreiberfirma „Brand Force“. Darin werden die Regeln erläutert: Danach gibt es jährlich im Februar eine große Ziehung, bei der ein Kandidat die Chance auf eine Million Euro erhält. Wie klein diese dann allerdings tatsächlich ist, zeigt sich am Ablauf des Ganzen:
- Glückslos heißt nicht gleich Gewinn, denn die Teilnehmer müssen ein Los gezogen haben, das sie überhaupt zur Teilnahme an einer weiteren Ziehung berechtigt.
- Aus allen Teilnehmern, die ein solches Los haben, wird dann per Ziehung derjenige ermittelt, der anschließend die Chance auf die Ziehung des Hauptgewinns bekommt.
- Die Ziehung läuft wie folgt ab: Der ermittelte Kandidat muss aus insgesamt 125 Umschlägen wählen, nur in einem davon soll sich wirklich der Hauptgewinn befinden – alle anderen Umschläge enthalten jeweils 50.000 Euro.
Rein statistisch wird die Million nur alle 125 Jahre ausgeschüttet
Das Prozedere zeigt nicht nur, wie viel Glück man haben muss, um überhaupt die Chance auf die Million zu haben. Es zeigt auch, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Million überhaupt ausgeschüttet wird. Rein statistisch beträgt diese nämlich 1:125 – und das einmal im Jahr. Heißt mit anderen Worten: Nur einmal alle 125 Jahre würde jemand den Hauptgewinn von einer Million gewinnen. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass einmal jährlich nur 50.000 Euro ausgeschüttet werden. Ein geradezu lächerlicher Preis im Vergleich zu den vielen Millionen, die Ryanair indirekt mit den Rubbellosen einnimmt.
Man kann anmerken, dass es sich hierbei um eine bloße Wahrscheinlichkeitsrechnung handelt und der Gewinn theoretisch schon mehrfach hätte ausgeschüttet werden können. Doch obwohl Ryanair schon seit 2008 Rubbellose verkauft, ist offiziell nicht bekannt, ob das bereits der Fall war. Laut einem Bericht der „Irish Times“ aus dem Jahr 2017 gab es noch nie einen Million-Gewinner.
Der Millionen-Gewinn ist eine Illusion
Auf TRAVELBOOK-Anfrage äußerte sich Ryanair nicht dazu, ob schon einmal die Million gewonnen wurde. Auch die Frage, wie viele Preise und wie viel Geld insgesamt seit Bestehen des Gewinnspiels ausgeschüttet wurden, wollte man bei der Airline nicht kommentieren. Eine Sprecherin erklärte lediglich: „Unsere Rubbellos-Preise beinhalten Tausende von Sofortgeldpreisen, die jeden Monat gewonnen werden können, Autos (mindestens 1x pro Monat) und die Chance, an der jährlichen Ziehung von einer Million Euro teilzunehmen.“
Frustrierte Loskäufer zuhauf
Im Netz kursieren zahlreiche Einträge von frustrierten Loskäufern, die nach eigenen Angaben ihren angeblichen Gewinn nie erhalten haben. So schreibt ein User bei Google Plus: „Ich war auf einem Flug von Rom nach Palermo und sollte die Chance auf die eine Million bekommen, nur um dann zu erfahren, dass mein Los ungültig war, weil ich nicht in einem Land wohne, in dem Ryanair startet oder landet.“ Niemand habe die Passagiere zuvor über diese Regel informiert. Ein weiterer User beschwert sich bei Twitter: „Unser Freund hat alles so gemacht, wie es in der Anleitung stand, schickte sogar einen Beweis per Post – aber dann wurde ihm gesagt, es sei nie etwas angekommen.“
Laut einem Bericht des „Telegraph“ war ein Fluggast im Jahr 2010 derart erzürnt darüber, dass man ihm seinen angeblichen 10.000-Euro-Gewinn nicht sofort an Bord auszahlte. Die Folge: Er aß sein Rubbellos kurzerhand auf.
Gewinner müssen für Werbeaktionen herhalten
Der „Tagesspiegel“ berichtet, dass die Lose des Ryanair-Gewinnspiels nur im internationalen Luftraum verkauft werden dürfen. Zudem müsse ein möglicher Gewinner seinen Anspruch vor der Landung anzeigen und später für Promo-Aktionen zur Verfügung stehen.“ Die „TAZ“ bezeichnet den Millionengewinn ob der Spielbedingungen als „Illusion“ – bisher habe noch nie jemand diese Summe erspielt.
Offenbar eine Vermutung, die nicht ganz unberechtigt ist: Ryanair gab auf TRAVELBOOK-Anfrage bekannt, man habe das Gewinnspiel mittlerweile „durch ein neues Spiel ersetzt, das die Chancen für den Spieler verbessert hat“. Der mögliche Gewinner erhalte demnach einen potenziellen Geldpreis in einer Stückelung zwischen einer Million, 250.000, 100.000 oder 50.000 Euro – wie das neue Spiel allerdings ablaufen wird und wie die Bedingungen sind, erklärt die Airline allerdings nicht.
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Was passiert mit den Erlösen aus den Ryanair-Losen?
Die Erlöse aus dem Verkauf der Rubbellose kommen nach Angaben von Ryanair seit Jahren gemeinnützigen Zwecken zugute. „In den letzten fünf Jahren haben wir mehrere Millionen aus dem Verkauf unserer Rubbellose gespendet, die an zehn Wohltätigkeitsorganisationen in neun verschiedenen EU-Ländern verteilt wurden“, erklärt die Sprecherin. Bei den Begünstigten handle es sich um Krankenhäuser, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. Auf der Ryanair-Website sind die Angaben etwas konkreter, dort heißt es, in den vergangenen fünf Jahren seien 2 Millionen Euro zusammengekommen und gespendet worden – 400.000 Euro pro Jahr. Offen bleibt dabei, wie viel Einnahmen jährlich durch den Verkauf der Rubbellose erzielt werden und wie viel davon prozentual gespendet wird. In einem Bericht der britischen „Sun“ aus dem Jahr 2016 heißt es, Ryanair verkaufe 10 Millionen Lose im Jahr. Das wäre – sofern die Zahl stimmt – eine Summe von 20 Millionen Euro an Einnahmen jährlich! Wenn also nur 400.000 Euro gespendet werden, bleibt die Frage: Wohin fließen jedes Jahr die restlichen 19,6 Millionen Euro?