6. Februar 2019, 15:20 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ein Rubbellos kaufen und damit gleichzeitig etwas Gutes tun: Das zumindest sollen Ryanair-Passagiere glauben, wenn sie sich an Bord ihres Fliegers für den Erwerb der so genannten „Scratch Cards“ entscheiden. Die irische Billigairline spendet tatsächlich einen Teil der Erlöse für wohltätige Zwecke – doch wie verschwindend gering dieser Betrag in Relation zum Gesamterlös durch diese Lose tatsächlich ist, zeigen die Recherchen von TRAVELBOOK.
Jeder, der schon mal mit Ryanair geflogen ist, dürfte den Ablauf kennen: Während des Flugs wird per Durchsage angekündigt, dass man bei den Flugbegleitern Rubbellose kaufen und damit tolle Preise gewinnen könne – unter anderem habe man die Chance auf ein „Luxusauto“ (in Wahrheit ein günstiger Kleinwagen) und den Hauptgewinn: eine Million Euro (der rein statistisch nur alle 125 Jahre ausgeschüttet wird). Das Beste: Mit dem Loskauf unterstütze man zudem wohltätige Organisationen.
Wie viel von den Erlösen spendet Ryanair wirklich?
Bei den Durchsagen wird oft so ausgiebig auf den Charity-Aspekt hingewiesen, dass der Anschein erweckt wird, der gesamte Betrag oder zumindest einer großer Teil davon werde gespendet. So ist in einem Video, das ein Ryanair-Passagier bei Youtube hochgeladen hat, deutlich zu hören, wie der Flugbegleiter zuerst erklärt, was die Lose kosten und dann ruft: „Und, großartig: Es wird für wohltätige Zwecke gespendet!“
Andere Passagiere berichteten TRAVELBOOK sogar von Flugbegleitern, die beim Bewerben der Aktion sogar weinten, als sie von den Charity-Programmen erzählten. Tatsächlich ist der vermeintlich wohltätige Zweck für viele Passagiere auch ein Argument, ein Rubbellos zu kaufen, denn: Man tut damit ja was Gutes.
Auf den Losen selbst wird auf der Rückseite ebenfalls auf den Wohltätigkeitszweck hingewiesen, zudem sind die begünstigten Organisationen aufgelistet. Auch hier wird der Anschein erweckt, dass ein Großteil des Geldes, wenn nicht sogar alles, gespendet wird. Doch das ist mitnichten der Fall!
Ryanair weigert sich, Zahlen zu nennen
Ryanair gibt tatsächlich nur einen geringen prozentualen Anteil der Erlöse aus den Losen an wohltätige Organisationen weiter. Wie hoch genau dieser Anteil ausfällt, wollte die Airline auf mehrfache Nachfrage von TRAVELBOOK ausdrücklich nicht kommentieren. Eine Sprecherin erklärte lediglich: „In den letzten fünf Jahren haben wir mehrere Millionen aus dem Verkauf unserer Rubbellose gespendet, die an zehn Wohltätigkeitsorganisationen in neun verschiedenen EU-Ländern verteilt wurden.“ Bei den Begünstigten handle es sich um Krankenhäuser, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen.
Auf der Ryanair-Website sind die Angaben etwas konkreter, dort heißt es, in den vergangenen fünf Jahren seien 2 Millionen Euro zusammengekommen und gespendet worden – 400.000 Euro pro Jahr. Offen bleibt dabei, wie viel Einnahmen jährlich durch den Verkauf der Rubbellose erzielt werden. Auch diese Frage – sowie viele weitere zu dem Thema – wollte Ryanair ausdrücklich nicht beantworten. Transparenz? Fehlanzeige!
Millioneneinnahmen gehen offenbar fast komplett an die Airline selbst
In einem Bericht der britischen „Sun“ aus dem Jahr 2016 heißt es, Ryanair verkaufe 10 Millionen Lose im Jahr. Das wäre – sofern die Zahl stimmt – eine Summe von 20 Millionen Euro an Einnahmen jährlich. Im Vergleich dazu wären die 400.000 Euro, die gespendet werden, eine lächerliche Summe, gerade mal zwei Prozent der Gesamteinnahmen. Und die restlichen 19,6 Millionen Euro? Die dürften allem Anschein nach an Ryanair selbst fließen.
Ein britischer Ryanair-Passagier namens James McKelvie hat im Jahr 2015 nach eigenen Angaben errechnet, dass weniger als 1 Prozent je 2-Euro-Los gespendet würden. In einem Post bei Facebook erklärte der Brite, er habe herausgefunden, dass die Airline im Jahr 2013 Lose im Wert von 16 Millionen Euro verkauft habe und dass davon 55.000 gespendet worden seien. Damals bezeichnete Ryanair die Anschuldigungen McKelvies als „falsch und spekulativ“ – doch Zahlen nannte die Billigairline trotz Nachfrage mehrerer britischer Medien keine. Es liegt nahe, dass die Fluggesellschaft ihre Passagiere lieber im Glauben lassen möchte, es werde viel gespendet.
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Flugbegleiter sollen möglichst viele Lose verkaufen
Weil der Verkauf der Lose sich für die Airline offenbar sehr lohnt, werden die Flugbegleiter dazu angehalten, möglichst viele davon an die Passagiere zu bringen. Das geht aus einem Bericht der „Welt am Sonntag“ hervor, die aus einem Brief zitiert, den Ryanair an die eigenen Mitarbeiter geschickt haben soll und der der Zeitung vorlag: „Bitte denken Sie daran, dass jeder von Ihnen jeden Tag Folgendes verkaufen muss“, heißt es in dem Schreiben „an alle Crew-Mitglieder“: ein Parfüm, ein frisches Essen, ein weiterer frischer Artikel – und Rubbellose, „acht Stück pro Crew-Mitglied“.
Ob das der Crew auch gelinge, werde „streng überwacht“, zitiert die „Welt am Sonntag“ weiter. Mitarbeiter, die die Verkaufszahlen nicht erreichten, müssten sich erklären, und wer auf Dauer die Ziele nicht erreiche, müsse mit „weiteren Maßnahmen“ rechnen.
Zudem habe Ryanair die Crew-Mitglieder angewiesen, „ihr Bestes zu geben, um zunächst möglichst viele Passagiere auf den vorderen Plätzen zum Kauf der Rubbellose zu bewegen“, berichtet ein Ryanair-Mitarbeiter gegenüber TRAVELBOOK. Grund sei, dass die Passagiere in den hinteren Reihen dann nachzögen und ebenfalls Lose kauften. Crew-Mitglieder, die besonders viele Lose verkauften, so der Mitarbeiter weiter, würden anschließend mit kostenlosen Kurztrips nach Ibiza belohnt.
Dass die Flugbegleiter tatsächlich mit großem Nachdruck versuchen, die Lose im Flugzeug an den Mann oder die Frau zu bringen, hat auch TRAVELBOOK-Redakteurin Laura Graichen beobachtet: „Nachdem meine Sitznachbarn eine Flugbegleiterin angehalten und ihr Interesse an den Losen bekundet hatten, holte diese gleich ihre Kollegin dazu, um so viele Lose wie möglich verkaufen zu können. Über mehrere Minuten hinweg leisteten beide größte Überzeugungsarbeit, während sie ununterbrochen mit den Losen in ihren Händen herumwedelten. Eine größere Anzahl an Tickets würde sich doch viel mehr lohnen, immerhin gebe es dafür Rabatt UND die Gewinnchance sei viel höher. Letztendlich zahlte sich der Einsatz der beiden jungen Frauen aber aus: Die beiden Männer kauften gleich einen ganzen Stapel der Lose und rubbelten munter darauf los. Gewonnen haben sie am Ende allerdings nichts.“
Was bleibt am Ende zu sagen? Dass Ryanair überhaupt etwas spendet, ist natürlich durchaus lobenswert und für die begünstigten Organisationen sicherlich ein großer Gewinn. Allerdings zeigt sich die Airline gegenüber ihren Passagieren alles andere als transparent – sowohl was die Gewinnchancen bei den Rubbellosen angeht, als auch hinsichtlich des wahren Anteils der Spenden an den Gesamteinnahmen, die mit dem Los-Verkauf erzielt werden.