24. November 2019, 13:18 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Zahl klingt unglaublich: Seit 2008 hat es in Deutschland mehr als 400 Fälle gegeben, bei denen Flugzeug-Schrott von Himmel fiel. TRAVELBOOK hat mit Experten über die Ursachen gesprochen – und erfahren, dass die Dunkelziffer wohl sogar noch höher liegt…
Es klingt wie ein Szenario aus einem Thriller – und doch passiert es in Deutschland schockierend häufig, dass sich von einem Flugzeug Teile lösen und vom Himmel fallen. Wie die „Deutsche Welle“ berichtet, ist dies seit 2008 mehr als 400 Mal passiert. Bei 351 dieser Fälle habe es sich laut Aufzeichnungen des Luftfahrtbundesamtes (LBA) um Teile gehandelt, die sich von Militärmaschinen gelöst hätten, in 57 Fällen seien Passagierflugzeuge betroffen gewesen.
Meistens handele es sich um Kleinteile, doch seien auch schon einmal ein 6 Meter langer Ersatztank und auch ein 12 Kilogramm schweres Teil einer Motorabdeckung herab gefallen. Beunruhigend: Von den 57 „zivilen“ Fällen datieren alleine 13 aus dem Jahr 2017. Die Zahlen wurden jetzt publik, weil die Grünen-Politikerinnen Tabea Rössner und Daniela Wagner dazu eine Anfrage gestellt hatten. Doch wie kann es überhaupt dazu kommen? Und wie gefährlich ist es? TRAVELBOOK hat nachgehakt.
Wieso lösen sich Flugzeugteile?
Der renommierte Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth sagte dazu TRAVELBOOK: „Ein Flugzeug hat ja sehr viele Einzelteile, da muss man so etwas einkalkulieren.“ Der Experte glaubt aber auch, dass die Dunkelziffer bei herabgefallenen Flugzeugteilen noch deutlich höher liegen dürfte als bekannt: „Es werden ja vermutlich nicht alle Fälle gemeldet.“
Zudem müsse man die Fälle in Relation setzen, betont Carola Scheffler, Pressesprecherin des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e. V. (BDL) gegenüber TRAVELBOOK: „Vor dem Hintergrund von jährlich mehr als 3 Millionen Flugbewegungen im deutschen Luftraum handelt es sich bei den Vorfällen um eine geringe Zahl von Einzelfällen. Zu den konkreten Fällen liegen uns keine Informationen vor – weder zu den Gründen noch zu den betroffenen Fluggesellschaften.“
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Zumindest einen Grund schließt sie allerdings aus: Die Häufung der Vorfälle in der zivilen Luftfahrt sei kein Ergebnis des Preiskampfes unter den Airlines. „Es gibt im Luftverkehr international abgestimmte Standards, an die sich alle Fluggesellschaften halten müssen – unabhängig davon, welches Geschäftsmodell sie verfolgen. Darüber wachen auch die staatlichen Aufsichtsbehörden. Die Wartungs- und Instandhaltungsvorschriften für ein Flugzeug werden vom Hersteller erarbeitet und durchlaufen bei den Behörden einen Prüf- und Genehmigungsprozess. Dies geschieht unabhängig davon, welches Geschäftsmodell die Fluggesellschaft verfolgt und zu welchen Preisen sie ihre Tickets verkauft.“
Wie gefährlich ist es?
Laut der Regierungsanfrage sei trotz den mehr als 400 Zwischenfällen aber noch kein solcher bekannt geworden, bei dem Flugzeug-Schrott auf ein Wohngebiet gestürzt wäre oder gar jemanden verletzt hätte – eine Einschätzung, die Spaeth teilt. „Ich würde sagen, dass in einem solchen Fall normalerweise weder für die Zivilbevölkerung noch für die Passagiere Gefahr besteht.“ Prof. Dr.-Ing. Andreas Strohmayer, der am Institut für Flugzeugbau an der Universität Stuttgart lehrt, sieht das ähnlich: „Es müsste schon sehr viel zusammenkommen, das bei so einem Vorfall jemand Schaden nimmt – es wird ja auch alles getan, um so etwas zu vermeiden.“
Dennoch berichtet zum Beispiel die „Deutsche Welle“ von einem Mainzer, auf dessen Garten ein 1,5 Meter langes Gummistück von einem Flugzeug gefallen war. „Hätte ein solches Stück mich erwischt, wäre die Folge mindestens eine schwere Verletzung gewesen, wenn nicht gar der Tod“, zitiert der Rundfunksender den Mann. Ebenfalls bekannt ist ein Fall aus dem Jahr 2014: Damals verlor ein Flugzeug eine 4,5 mal ein Meter große Landeklappe, die im Frankfurter Stadtwald einschlug.
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Wie vermeidet man die Häufung solcher Fälle?
Laut Carola Schaeffler gäbe es staatlich geprüfte Vorgaben für die Instandhaltungsverfahren von Flugzeugen. Sollten bei einem bestimmten Flugzeug oder Flugzeugmuster Mängel festgestellt werden, die die Flugsicherheit gefährden können, dann würden auch die entsprechenden Wartungsvorschriften angepasst.