14. Oktober 2024, 6:09 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Von tiefen Gefühlen kann vielleicht nicht immer die Rede sein. Und doch ist es schon vielen Menschen passiert, dass sie am Flughafen ein gesteigertes romantisches Interesse für einen wildfremden Menschen entwickelt haben. Das Phänomen ist als „Airport Crush“ gerade ein großes Thema auf Social Media – und aus wissenschaftlicher Sicht tatsächlich nachvollziehbar. TRAVELBOOK geht genauer darauf ein.
Grundsätzlich ist an dem Phänomen nichts neu. Der US-amerikanische „Business Insider“ berichtete im vergangenen Jahr davon, und grundsätzlich war eine Flughafen-Verliebtheit schon lange vorher möglich – vom Prinzip her auch an anderen Orten. Dazu später mehr.
Schockverliebt in Fremden am Flughafen: ein „Airport Crush“
Aktuell jedenfalls scheinen besonders viele junge Menschen die Erfahrung zu machen. Oder zumindest haben sie einen geeigneten Kanal (und Hashtag) gefunden, um davon zu erzählen. Unter dem Schlagwort „Airport Crush“ berichten vor allem auf TikTok immer mehr Nutzer davon, sich z. B. beim Warten am Gate, an der Sicherheitskontrolle oder im Zubringer zum Flieger Knall auf Fall in eine fremde Person verschossen zu haben. Meist zeigen sie sich dabei selbst im Video, mit vor Begeisterung strahlendem Gesicht, und schwenken möglichst unauffällig auf das (meist ahnungslose) Objekt der Begierde.
Wie entsteht ein „Airport Crush“?
In dem „Business Insider“-Beitrag erklären Experten den Umstand, dass man am Flughafen Menschen häufig in ausgeprägterem Maße attraktiv findet, mit mehreren Faktoren. Einerseits spiele die unbeabsichtigte Nähe mit der fremden Person eine Rolle. Diese sei ebenso ein Grund dafür, dass man sich beispielsweise am Arbeitsplatz schneller verliebt oder zumindest zueinander hingezogen fühlt. Weiterhin verbindet die Beteiligten eine Gemeinsamkeit: Sie verreisen – womöglich ja gar an dasselbe Ziel. Und dadurch kann sich auf Gefühlsebene einiges ergeben.
So erklärt es die Expertin
TRAVELBOOK sprach über das Thema mit der Paartherapeutin Susanne Brümmerhoff. Sie führt das Phänomen „Airport Crush“ in erster Linie auf das psychologische Konzept der Affektübertragung zurück. Dieses haben die US-amerikanischen Psychologe Art Aron und Donald Dutton in einem Experiment in den 1970er-Jahren aufgezeigt. Zusammenfassend steht Affektübertragung dafür, dass man die starken Gefühle in Nervenkitzel-Situationen auf Personen, mit denen man sie erlebt hat, überträgt.
„In als gefährlich oder aufregend eingeschätzten Situationen schüttet der Körper mehr Adrenalin aus“, führt die Expertin genauer aus. Dadurch werde man emotional empfänglicher – auch für einen „Airport Crush“. „Die freudige Aufregung und der leichte Gefahrenkitzel, der immer noch mit einer Flugreise verbunden ist, wird auf eine fremde Person übertragen.“ Diese erscheine plötzlich aufregender, attraktiver und anziehender, erklärt Susanne Brümmerhoff. Aus einem ähnlichen Grund sei es auch keine Seltenheit, dass sich Menschen in Rettungsstationen im Wartebereich „oder in den Dienst habenden Sanitäter“ verlieben.
Flughäfen sind ohnehin romantisierte Orte
Speziell am Flughafen dürfte auch das Kopfkino eine entscheidende Rolle spielen. Flughäfen sind von Natur aus emotional aufgeladene Orte: Menschen verabschieden sich unter Tränen von ihren Lieben und andere fallen einander überschwänglich in die Arme. Und die Handlungen verschiedener Filme haben zu einer Romantisierung von Flughäfen weiter beigetragen. Man ist sozusagen auf Emotionen programmiert. Und nicht zuletzt geht Reiseaufregung bei vielen Menschen mit Abenteuerlust einher. Der „Airport Crush“ ist dann jemand, auf den man den Erlebnishunger projizieren kann.
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Hält ein „Airport Crush“?
Natürlich ist ein „Airport Crush“ nicht automatisch zum Scheitern verurteilt. Wobei man wohl einräumen muss: Die Voraussetzungen für den Aufbau einer Beziehung mit jemandem, der schlimmstenfalls am anderen Ende der Welt lebt, sind nicht die allerbesten. So zeigt auch eine Umfrage der Reisesuchmaschine Skyscanner, dass von 6 Prozent der Flughafen-Verliebtheiten, aus denen eine Liebesbeziehung wurde, nur die wenigsten hielten. Trotzdem kann es sich natürlich lohnen, es zu probieren!
Ein „Airport Crush“ kann im Übrigen auch der langjährige Partner sein, beziehungsweise werden. Anders gesagt, kann das mit dem Adrenalin und der gesteigerten emotionalen Empfänglichkeit helfen, wenn sich die Leidenschaft aus einer Beziehung scheinbar verabschiedet hat. „Deshalb empfiehlt man Paaren, bei denen ein wenig die Luft raus ist, mal gemeinsam etwas Neues, Ungewohntes und Herausforderndes zu tun“, berichtet die Therapeutin.