20. März 2019, 10:11 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wenn ein Flugzeug abstürzt, hat die Auswertung der sogenannten Blackbox hohe Priorität. Jede kommerziell fliegende Maschine hat dieses Gerät an Bord, das essenziell ist, wenn es darum geht, Flugzeugunfälle zu untersuchen. TRAVELBOOK erklärt, wie das funktioniert – und was eine Blackbox eigentlich ist.
Blackboxes (z. Dt. Schwarze Kästen) sind Flugschreiber. Konkret handelt es sich um Speichergeräte ähnlich einer Festplatte, die verschiedene Daten eines Flugs aufzeichnen. Eigentlich heißt das Gerät aber gar nicht Blackbox – und schwarz ist es auch nicht.
Was kann eine Blackbox?
Auf TRAVELBOOK-Nachfrage erklärt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), was sich hinter dem Begriff verbirgt: „Bei der Blackbox handelt es sich einerseits um ein Stimmbandaufzeichnungsgerät und zum anderen um ein Parameteraufzeichnungsgerät.“
Ersteres nennt sich Cockpit Voice Recorder, kurz CVR, und zeichnet Gespräche im Cockpit, von der Kabine in das Cockpit oder die Gespräche vom Cockpit nach draußen auf. Das zweite ist ein Flight Data Recorder (FDR). Dieser zeichnet verschiedene Parameter im Flugzeug auf, wie unter anderem die Flugstrecke, Flughöhe, Geschwindigkeit, Lage des Flugzeuges und Drehzahlen. Fast jeder Knopf im Flugzeug kann mithilfe des Geräts wiedergegeben werden.
Blackboxes sind gar nicht schwarz
Bei der Blackbox handelt es sich also eigentlich um zwei Geräte. Sie können aber auch in einem zusammengefasst sein. Farblich sind sie übrigens nicht schwarz, sondern immer leuchtend orange. Diese Farbe wurde extra gewählt, damit sie leichter auffindbar sind. Warum die Geräte trotzdem als Blackbox bezeichnet werden, wird im Netz mit mehreren Theorien begründet. Eine besagt, dass die Geräte früher tatsächlich einmal schwarz gewesen sein sollen. Eine andere führt die Namensgebung darauf zurück, dass als Blackbox auch etwas bezeichnet wird, dessen „Aufbau und innerer Ablauf erst aus den Reaktionen auf eingegebene Signale erschlossen werden können“ (Duden). Demnach ist das Verhalten eines Flugzeugs in bestimmten (Unfall-)Situationen mit einer Blackbox vergleichbar, das heißt: Erst die aufgezeichneten Daten geben Rückschlüsse darauf, was passiert sein und den Unfall provoziert haben könnte.
Wo befinden sich die Geräte?
Gemäß des internationalen ICAO-Luftfahrtabkommens müssen Flugzeuge ab einem Gewicht von 5,7 Tonnen oder zwölf Sitzplätzen im internationalen gewerblichen Luftverkehr mit einem FDR und einem CVR ausgestattet sein. „Die sind in der Regel immer ganz hinten im Flugzeug verbaut, um einen größtmöglichen Schutz bei einem Aufprall eines Flugzeuges zu gewährleisten“, so das BFU. Die Aufzeichnung der Gespräche im Cockpit ist dennoch problemlos möglich: Da sich die Piloten über Mikrofone unterhalten, können die Gespräche über Kabel an den CVR geleitet werden. Hier werden die Daten schließlich abgespeichert.
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Warum sind die Geräte trotz Absturz oftmals intakt?
Das Verstauen im hinteren Teil eines Flugzeuges allein reicht nicht, damit der Flugschreiber einen Crash oder Absturz (nahezu) unbeschadet übersteht. Vor dem Einsatz der Geräte im Flugverkehr werden sie deshalb unter extremen Bedingungen getestet.
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1. Aufpralltest
Die Datenkapsel muss eine Beschleunigung von 3400 G-Kraft für 6,5 Millisekunden überstehen. Das entspricht etwa einem Aufprall des Rekorders auf eine Betonwand bei einer Geschwindigkeit von etwa 750 km/h. Dieser Test wird laut Angaben des BFU tatsächlich mit einer Kanone durchgeführt.
2. Eindringtest
Das gepanzerte Modul muss einen Aufprall eines Körpers mit einer Masse von 227 Kilogramm überstehen. Damit nicht genug: Dieser Körper muss mit einer gehärteten stählernen Spitze aus einer Höhe von drei Metern auf das Modul herabfallen.
3. Belastungstest
Aus verschiedenen Richtungen für jeweils fünf Minuten wird das Gerät statischen Lasten von circa 2,5 Tonnen ausgesetzt. Danach darf die Datenkapsel nicht so beschädigt sein, dass die aufgezeichneten Daten bei den noch folgenden Tests gefährdet wären.
4. Hochtemperatur-Feuertest
Die Datenkapsel muss 60 Minuten lang 1100 Grad Celsius standhalten. Das entspricht der Brenntemperatur von Kerosin.
5. Niedrigtemperatur-Test
Die Datenkapsel muss zehn Stunden lang 260 Grad Celsius überstehen.
6. Tiefseedrucktest
Die Kapsel muss 30 Tage lang Tiefseebedingungen (Salzwasser, Tauchtiefe von 6.000 Metern) standhalten.
7. Flüssigkeiten
Die Datenkapsel muss gegen alle im Flugzeugbereich verwendeten Flüssigkeiten (Laugen, Säuren, Kraftstoffe, Öle, Hydraulikflüssigkeiten) für 48 Stunden und gegen Feuerlöschmittel acht Stunden lang resistent sein.
Durch die hohen Kräfte, die bei einem Flugzeugabsturz wirken, ist es aber trotz der Tests möglich, dass die Recorder einen Schaden davontragen.
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Nach einem Flugzeugabsturz können „Blackboxen“ trotz extremer Tests beschädigt werden, wie dieses Gerät nach dem Crash der Germanwings-Maschine im März 2015 zeigt
Foto: dpa picture alliance
Wie genau helfen FDR und CVR nach einem Flugzeugabsturz?
Zuerst einmal müssen die Geräte nach einem Flugzeugabsturz erfolgreich geborgen werden. Das soll nicht nur durch die auffällige Farbe vereinfacht werden. Um auch die Suche unter Wasser zu erleichtern, verfügen die Rekorder über einen Ultraschallsender, der beim Eintauchen in Meerwasser ein Signal zur Ortung für mindestens 30 Tage sendet.
Können die Rekorder gefunden werden, müssen sie erst in ein Labor gebracht werden. Dafür ist die entsprechende Behörde des Landes verantwortlich, in dem das Flugzeug verunfallt ist. „Dann wird der Inhalt ausgelesen, das wird über Speicherkarten gemacht“, erläutert das BFU auf TRAVELBOOK-Nachfrage. „Die Geräte haben einen speziellen Schutz, wir brauchen aber nur das, was innen auf Speichermedien gespeichert wird. Wenn wir das haben, dann fangen wir an, die Daten, die darauf gespeichert sind, wieder zuzuordnen.“
Konkret geht es bei der Auswertung um die Frage, ob die Daten des Voice-Recorders zu den durchgeführten Handlungen passen, die vom Parameteraufzeichnungsgerät erfasst wurden. Wichtig zu betonen ist aber, dass auf diese Weise nicht etwa die konkrete Unfallursache festgestellt werden kann. Die Daten der Geräte sind einfach nur große Puzzleteile, die für die Ermittlung des genauen Unfallhergangs notwendig sind.
Bislang hatte das BFU nach einem Unfall noch keinen Datenspeicher, der so nachhaltig zerstört wurde, dass Daten nicht mehr ausgelesen werden konnten.
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Gibt es Alternativen zu Blackboxes?
Ein gravierendes Problem neben der möglichen Beschädigung ist, dass es bei einigen Blackboxes oft Tage, wenn nicht sogar Wochen dauert, bis sie nach einem Flugzeugabsturz über dem Meer gefunden werden. Dafür stellte Airbus bei der Luftfahrtmesse in Paris eine Lösung vor, wie das „Handelsblatt“ berichtete: schwimmfähige Blackboxes. Flugzeuge sollen zukünftig mit jeweils zwei FDR und CVR ausgestattet werden. Ein schwimmfähiges Rekorder-Paket werde in der Heckflosse der Flieger untergebracht und bei einem Notfall automatisch per Federkraft abgestoßen. Sollte es zu einem Zwischenfall über Wasser kommen, könnte das Paket auf der Oberfläche schwimmen, was die Ortung erleichtern würde.
Ab Ende 2019 sollen Langstreckenjets des Konzerns mit derartigen Blackbox-Paketen ausgestattet werden. Airbus würde aber auch anderen Flugzeugunternehmen die neue Technik zur Verfügung stellen.
Eine weitere Alternative zu der klassischen Auswertung der Rekorder stellt eine Echtzeitdatenübertragung dar. Es gibt bereits die Möglichkeit, über sogenannte Onboard Network Systeme (ONS) die Zustände der Flieger in Echtzeit zu überprüfen. Auf Wunsch von Airlines sei auch eine Hochgeschwindigkeitsübertragung der Flugdaten mithilfe von Satelliten möglich. Diese Variante bedeutet allerdings Kosten für die Fluggesellschaften, außerdem sind ausreichend Übertragungskapazitäten zu Satelliten notwendig.