8. Januar 2019, 7:38 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Flugbegleiter sorgen für das Wohlergehen der Passagiere während des Flugs, verteilen Essen und Getränke, helfen bei Beschwerden und haben die Sicherheit an Bord im Blick. Immer nett, immer hilfsbereit, immer lösungsorientiert. Doch was passiert, wenn sie selbst zum Passagier werden? Jana Heinisch, seit drei Jahren Flugbegleiterin, erzählt auf TRAVELBOOK, warum sie nie richtig abschalten kann und was sie „undercover“ an Bord am meisten nervt.
von Jana Heinisch
Eine Germania-Maschine irgendwo über den Balearen auf dem Weg nach Deutschland. Ich hatte zwei Wochen Urlaub und bin auf dem Rückweg nach Hause. Natürlich fliege ich mit meinem Arbeitgeber zurück, schließlich kenne ich schon vorher Passagierzahlen und Auslastung des Flugmodells und weiß, welche Kollegen mich nach Hause bringen werden.
Das Fliegen als Passagier ist für mich immer etwas anstrengend, ich muss die ganze Zeit ruhig auf meinem Platz sitzen und kann die Cabincrew nicht bei ihrer Arbeit unterstützen. Stillhalten, während die anderen wie fleißige Ameisen hin- und herlaufen, macht mich unruhig. Ungewollt achte ich auf alle Details, jedes Klingeln, Piepen, Summen und Aufleuchten wird auf meiner imaginären Checkliste abgehakt.
»Warum dauert das so lange?
Ein Blick auf die Uhr: Warum dauert das heute so lange? Eigentlich müsste der erste Getränkeservice schon vor zehn Minuten begonnen haben. Wirklich abschalten kann ich nie.
Ich kenne die Maschine. Ein Airbus, der erst ein halbes Jahr in unserer Flotte ist. Ich weiß, dass einer der hinteren Wasserkocher immer sehr langsam durchläuft und dass das Fach mit den Eiswürfeln quietscht. Ich kenne das Geräusch und den Geruch des Triebwerks, jede Abweichung würde ich sofort bemerken. Jedes Fach und jede Klappe könnte ich mit verbundenen Augen finden.
Als meine Kollegin mit dem Getränketrolley neben mir hält, holt sie mich aus meinen Gedanken zurück. Sie ist auch an meiner Homebase stationiert, wir fliegen oft zusammen. Ich weiß, wie sie ihren Kaffee trinkt, wie ihre Katze heißt und in welches Fitnessstudio sie geht. Sie sieht total frisch und erholt aus und verrät mir, dass es ihr erster Dienst nach dem Urlaub ist. Sie stellt mir ungefragt einen Tomatensaft mit doppelt Pfeffer hin und huscht zur nächsten Sitzreihe. Man kennt die Gewohnheiten des anderen.
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Kleingeistige Witze und ungeduldige Passagiere
Aus dem Cockpit ertönt die Stimme des Kapitäns. Einige Leute schauen erstaunt, als sie die Frauenstimme hören. Ich grinse – immer noch dieses veraltete Schubladendenken. Manche begreifen es eben nie. Weibliche Piloten leiden häufig genauso unter der „Wenn Gott gewollt hätte, dass Frauen fliegen, wäre der Himmel rosa“-Floskel wie wir unter dem „Flugbegleiter sind nur Kellner in der Luft“-Klischee. Man lernt, diese Sprüche wegzulächeln, aber gerade wenn man „undercover“ an Bord unterwegs ist, fällt es schwer, nichts zu sagen, wenn über Kollegen kleingeistige Witze gemacht werden.
Als wir meine Heimatstadt Bremen, erreichen, bleibe ich sitzen, bis die Menschen aus den Sitzreihen vor mir ausgestiegen sind. Nichts finde ich schlimmer als Menschen, die ihr Handgepäck herauszerren und dann dicht an dicht wie in einer Sardinenbüchse in der Kabine stehen, obwohl noch nicht einmal die Fluggastbrücke herangefahren wurde, geschweige denn die Türen geöffnet sind. Jedes Mal frage ich mich: Was haben die Passagiere davon, als Erste das Flugzeug zu verlassen? Spätestens am Gepäckband müssen sie sowieso auf ihre aufgegebenen Koffer warten, auch die Loader haben nur zwei Hände.
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Ich schnappe mir meinen kleinen Koffer aus dem Gepäckfach ein paar Sitzreihen weiter. Ja, ich habe es tatsächlich überlebt, dass mein Koffer nicht direkt über mir verstaut war. Dann verabschiede ich mich von den Kollegen und verlasse das Flugzeug.
Morgen werde ich wieder an Bord sein. Diesmal nicht in Jeans und Hoodie, sondern in Uniform. In meinen Augen ist das die angenehmere Variante.
Noch mehr Infos zu Janas Alltag als Flugbegleiterin findet ihr auf ihrem Blog oder bei ihrem Flight-Fact-Friday auf Instagram.