24. August 2023, 9:27 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Meldung klingt kurios: Eine Allergikerin kauft zum Selbstschutz alle Erdnusstüten in einem Flugzeug auf. Ist das übertrieben oder völlig richtig? Eine Expertin ordnet ein.
Es ist eine Horrorvorstellung für Menschen mit Erdnussallergie: Eine schwere anaphylaktische Reaktion im Flugzeug, hoch über den Wolken. Auch viele Airlines sind sich dessen bewusst: Einige richten Pufferzonen für Betroffene ein, wenn sie von einer Allergie wissen, andere verkaufen erst gar keine Erdnüsse an Bord.
Dennoch: Eine hundertprozentige Garantie für Erdnuss-Freiheit im Flieger kann es nie geben. Deshalb sollte man das Risiko richtig einschätzen können, sagt Sabine Schnadt vom Deutschen Allergie- und Asthmabund. Sie ist Ernährungswissenschaftlerin und berät seit 30 Jahren Patientinnen und Patienten mit Nahrungsmittelallergien. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf schweren allergischen Reaktionen, also Anaphylaxie.
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Sind als Allergiker alle Erdnüsse an Bord eine Gefahr?
Erst kürzlich gab es die Meldung, die Passagierin Leah Williams habe in einem Flugzeug das gesamte Erdnusstüten-Sortiment leergekauft haben – sie fürchtete eine allergische Reaktion schon dadurch, wenn jemand anderes eine Tüte aufmacht. Auf einem früheren Flug habe sie schon einmal einen anaphylaktischen Schock erlitten. Deshalb kaufte Williams alle an Bord aufzufindende Erdnuss-Tüten. 168 Euro zahlte sie für 48 Stück.
Doch war das wirklich nötig? Wie groß ist das Risiko für einen anaphylaktischen Schock? Sabine Schnadt: „Grundsätzlich ist es möglich, dass über Luft übertragenes Erdnussprotein bei sehr empfindlichen allergischen Patienten eine allergische Reaktion auslösen kann.“
Die Reaktion sei ähnlich zu einer Pollenallergie. Beim Einatmen der Allergene käme es zu ähnlichen Symptomen. „Die Nase läuft, es juckt und man muss niesen, manchmal können auch Hautrötungen oder Quaddeln auftreten.“ Dabei sei es vor allem relevant, wie nah die andere Person am Allergiker sitze. „Es macht einen Unterschied, ob jemand direkt neben einem eine komplette Erdnussflips-Tüte umfällt oder ob jemand ein paar Reihen weiter eine kleine Tüte aufreißt. Es gibt Messungen, wo man versucht hat, das Ganze nachzuvollziehen: Es kam heraus, dass Erdnussprotein nur in der unmittelbaren Umgebung und für sehr kurze Zeit nach dem Öffnen einer Tüte vorhanden ist“, so Schnadt.
Allerdings sei es in der Regel nicht notwendig, alle Tüten zu kaufen: „Wir bedauern es, wenn Allergikerinnen und Allergiker denken, sie könnten nur fliegen, wenn das Vorhandensein von Erdnüssen vollständig ausgeschlossen ist. Das führt dann zu solchen Reaktionen wie von der Frau, die alle Erdnusstüten aufkauft.“
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Wann es bei Erdnussallergie zu schweren Reaktionen im Flugzeug kommen kann
Schwere anaphylaktischen Reaktionen mit Kreislaufproblemen und Atemnot durch den Erdnussverzehr einer anderen Person, die an einem anderen Ort mit im Flieger sitzt, seien jedoch unwahrscheinlich. Allerdings kann es noch einen weiteren Grund für eine starke Reaktion geben, betont Schnadt.
„Was ein Problem sein kann und man nicht unterschätzen sollte: Manche Personen entwickeln Beschwerden, wenn sie Erdnuss riechen. Das ist im strengen Sinne keine allergische Reaktion, denn Erdnussgeruch an sich enthält kein Protein, auch wenn er intensiv ist“, so Schnadt. Die Erinnerungszellen im Gehirn würden den Geruch womöglich mit einer allergischen Reaktion aus der Vergangenheit verbinden. „So kann etwas ausgelöst werden, das wie eine allergische Reaktion aussieht.“ Zwar könne man keine echte allergische Reaktion bekommen, doch wer in solch einer Situation in Panik gerät, kann hyperventilieren und dadurch eventuell Atemnot bekommen.
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Sollten Airlines komplett auf Erdnüsse verzichten?
Es gibt bereits Airlines, die gar keine Erdnüsse an Bord anbieten. Zudem weisen teilweise die Fluggesellschaften daraufhin, dass ein Allergiker an Bord ist und bitten darum, dass niemand Erdnüsse verzehrt. Andere Fluglinien haben im Flugzeug sogenannte Pufferzonen eingerichtet, das heißt, in den Reihen vor und hinter der Person mit Erdnussallergie werden dann keine Nüsse verkauft. Auch in dem aktuellen Fall teilte Eurowings im Nachgang mit, ein Flugbegleiter habe Williams angeboten, die um sie herum sitzenden Passagiere über die Allergie zu informieren. Sie habe sich selbst entschieden, alle Nüsse zu kaufen und sei nicht dazu gezwungen worden, berichtete etwa der „General Anzeiger“.
Dennoch weiß auch Schnadt: Eine Fluggesellschaft wird nie eine hundertprozentige Garantie für Erdnuss-Freiheit geben können, „da auch jemand Erdnüsse dabeihaben und während des Flugs essen könnte.“
Generell sei es wichtig, das Risiko richtig einzuschätzen. „Vor allem gilt es, einen versehentlichen Verzehr von Erdnuss zu vermeiden, der zu einer anaphylaktischen Reaktion führen kann. Aus dem Grund würden wir jedem Nahrungsmittelallergiker empfehlen, auf längeren Flügen eigenes Essen mitzubringen und auf das Essensangebot an Bord zu verzichten“, betont Schnadt.
Mit Material der dpa