8. September 2021, 6:19 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Für viele ist Fliegen nur ein Mittel zum Zweck, um schnell von A nach B zu gelangen. Für unsere Autorin Laura Graichen ist es viel mehr als das. Ihr größter Traum: einmal selbst eine Maschine fliegen. Und den erfüllt sie sich jetzt. Ein Erfahrungsbericht aus dem Cockpit.
Als ich ein Jahr alt war, saß ich das erste Mal mit meinen Eltern in einem Flugzeug auf dem Weg in den Sommerurlaub. Daran kann ich mich natürlich nicht mehr erinnern, aber seitdem gehören Flugreisen zu meinem Leben wie der Kaffee am Morgen oder die Butter unter das Nutella. Ich hatte nie Angst davor, in einer großen Aluminiumröhre mit zig anderen Menschen zu sitzen und durch die Lüfte zu gleiten. Im Gegenteil – es hat mich sogar fasziniert. Und der Moment, wenn die Räder vom Rollfeld abheben und sich die Schnauze des Fliegers gen Himmel richtet, erfüllt mich immer wieder mit Glück.
Übersicht
Vom Dauer-Passagier zur Pilotin
Mittlerweile bin ich bestimmt schon über 300 Mal in Jumbo-Jets, Propellermaschinen oder auch Segelflugzeugen geflogen. Ich kriege dennoch nie genug vom Blick über die Landschaft aus großen Wolkentürmen oder das weite, glitzernde Meer und dem Gefühl, hoch oben in der Luft zu sein. Nur eines könnte beides noch toppen: Selbst im Cockpit hinter den Knöpfen, Schaltern und Knüppeln zu sitzen und das Flugzeug selbst zu steuern.
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Wie kann man Fliegen lernen?
Was erst wie eine verrückte Idee klang, ließ mich irgendwann nicht mehr los. Wieso eigentlich nicht? Meine Recherche ergab, dass jeder (der das 16. Lebensjahr erreicht hat) Fliegen lernen kann, sofern er die notwendige Zeit und das Geld dafür hat. Voraussetzung sind außerdem ein fliegerärztliches Tauglichkeitszeugnis, eine Auskunft aus dem Verkehrszentralregister beim Kraftfahrt-Bundesamt, ein polizeiliches Führungszeugnis sowie die Bescheinigung über einen absolvierten Erste-Hilfe-Kurs.
Am entscheidendsten sind wohl für die meisten Interessierten, so auch für mich, die Kosten. Ein Flugschein als europäischer Privatflugzeugführer (PPL-A) kostet um die 11.000 Euro, manchmal findet man auch günstigere Angebote. Der Preis ist abhängig davon, in welcher Flugschule man sich anmeldet, für welche Art von Schein man sich entscheidet und wie gut man sich dabei anstellt.
Theorie, Praxis und Kosten
Hat man eine passende Flugschule gefunden, startet die Ausbildung mit Theoriestunden zu Themen wie Luftrecht, Wetterkunde und Navigation. Auch die Technik des Flugzeugs wird in Fächern wie Aerodynamik, Sprechfunk sowie Flugzeugtechnik behandelt. Die etwa 30 Unterrichtsstunden inklusive der notwendigen Lehrmaterialien, dem Fragenkatalog und dem Abschlusstest kosten in der Regel zwischen 1000 und 1500 Euro.
Anschließend folgt die Praxis. Für den Erwerb des Flugscheins muss man mindestens 45 Flugstunden in einem 2-sitzigen oder 4-sitzen Flugzeug nachweisen können. Der Preis für diesen Teil der Ausbildung beläuft sich auf 8000 bis 9000 Euro. Er umfasst die Flugstunden, Landegebühren, Verwaltungsgebühren und die Kosten für ein notwendiges Sprechfunkzeugnis.
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Meine erste Flugstunde
Wie das häufig mit Träumen ist, so blieb auch meiner vom Fliegen lernen für lange Zeit genau das – bloß ein Traum. Bis zu meinem Geburtstag, an dem ich völlig unerwartet eine Flugstunde geschenkt bekam. Und plötzlich war mein Traum doch zum Greifen nah. In der Nähe von Berlin gibt es einige Flugplätze, an denen Flugschulen ihre Dienste anbieten. Ich entschied mich für eine in Eberswalde in Brandenburg.
An einem sonnigen, windstillen Spätsommertag im September war es dann endlich so weit: Ich sollte fliegen lernen. Nach einer 30-minütigen Einführung mit kurzer Theorie-Einheit sollte ich in einer Cessna (Ikarus C42) eine Stunde über die Uckermark fliegen. Ich stieg in das Flugzeug(chen) mit zwei Sitzen, Segeln und einem Propeller und mein Herz sprang fast aus der Brust. Zwischen „Ich möchte fliegen lernen“ und „Jut, Laura, hier haste die Pedale, da dit Jas und hier den Steuerknüppel und nu fliegen wa los“ gibt es eben doch einen gewaltigen Unterschied.
Und plötzlich fliegt man einfach
Ganz so ist es natürlich nicht abgelaufen. Ich habe die Anzeigen in dem kleinen Cockpit erklärt bekommen und mir wurden die Steuerung des Bugrades sowie die der Seitenruder, das Gasgeben und Bremsen demonstriert. Doch dann lautete die Devise: „Learning by doing“. Als der Motor anging, der Propeller sich zu drehen begann und wir an Fahrt aufnahmen, um endlich in die Lüfte zu steigen, machte sich ein breites Lächeln auf meinem Gesicht breit, das ich den ganzen Tag über nicht mehr loswerden sollte.
„Und Laura fliegt“, rief mein Fluglehrer bereits nach wenigen Minuten in der Luft stolz durch das Headset, über das wir kommunizierten und bedeutete mir, dass ich schon die ganze Zeit ohne sein Zutun fliegen würde. Wie selbstverständlich steuerte ich die Seitenruder über die Pedale am Boden und die Quer- und Höhenruder über den Knüppel zwischen den Sitzen. Als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Als würde ich nie wieder etwas anderes machen wollen.
Die Stunde verging, Sie ahnen, was kommt, wie im Flug. Wir flogen über die wunderschöne Landschaft, stellten den Motor ab und segelten einige Minuten geräuschlos durch die Lüfte. Wir flogen in Schleifen und Kreisen durch Wolkenberge – ich korrigiere, ich flog in Schleifen und Kreisen durch Wolkenberge und konnte mein Glück kaum fassen. Mein Körper wusste indes nicht recht, wie ihm geschieht. Zwischen angestrengter Konzentration auf die Geräte, Anzeigen und das Navigationssystem, dem unbeschreiblichen Blick hinaus auf den weiten Horizont, dem gleichermaßen beängstigenden und belebenden Gefühl bei Turbulenzen, die man in der kleinen Maschine sofort merkte und dem unbändigen Gefühl von Freiheit beschloss ich, dass dies nicht meine letzte Flugstunde gewesen sein kann – gewesen sein sollte.
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Mein Fazit: Ich hätte eher fliegen lernen sollen
Nach etwas mehr als einer Stunde, weil ich als großes Finale zur Landung ansetzen und noch einmal durchstarten durfte, setzten die Räder wieder final auf dem Boden auf und ich war zurück in der Realität. Mein Herz pochte immer noch wie wild, mein Grinsen reichte von Ohr zu Ohr und fühlte sich an wie festgetackert. Ich war überwältigt, reicher um Eindrücke, die ich nicht in Worte fassen kann und um Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Außerdem nun voller Überzeugung, meinen Wunsch wahr werden und mich zu einer privaten Pilotin ausbilden zu lassen.
Schon Peter Pan wusste, dass es nur einen wunderbaren Gedanken braucht, um fliegen zu lernen. Und meiner ist die Erinnerung an mein erstes Mal im Cockpit, in dem ich hoffentlich in naher Zukunft alleine sitzen und grinsend Schleifen um die Wolken drehen werde.