28. Juni 2018, 11:34 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Man sollte meinen, es sei umgekehrt. Doch tatsächlich sind die reinen Flugzeiten heute länger, als es noch vor 40 Jahren der Fall war – teilweise deutlich. TRAVELBOOK hat mit Experten gesprochen.
Fluggesellschaften investieren viel Geld in die Instandhaltung und regelmäßige Modernisierung ihrer Flotten. So sind die heutigen Flugzeuge dank technischem Fortschritt leiser als früher – fliegen in der Regel jedoch nicht schneller. Im Gegenteil: Einige Flugverbindungen dauern sogar länger als noch in den 70ern. So hat man vor 45 Jahren mit dem Flieger von New York nach Houston, Texas, etwa zweieinhalb Stunden gebraucht. Heute sind es auf derselben Strecke circa vier.
Die reine Flugzeit ist länger
Der Flugverkehr nimmt zu, weshalb es bei der Abfertigung und bis zur endgültigen Starterlaubnis immer einmal etwas länger dauern kann. Aber unabhängig von diesen Extra-Minuten oder gar -Stunden, die man heutzutage für das Reisen einplanen sollte, hat sich die reine Flugzeit verlängert. Auch auf Kurzstrecken, wie der britische „Telegraph“ ausgerechnet hat. Noch vor 20 Jahren verbrachte man etwa 10 Minuten kürzer in der Luft, wenn man von London nach Edinburgh in Schottland flog. Ein Inlandsflog von Madrid nach Barcelona soll heute rund 20 Minuten länger sein.
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Sparmaßnahmen kosten Zeit
Verschiedene Medien führen das langsamere Fliegen auf die deutlich gestiegenen Kerosinpreise zurück. Um diese Entwicklung zu kompensieren – und Passagieren weiterhin kostengünstiges Reisen zu ermöglichen –, würde der Treibstoff quasi rationiert. Laut „Business Insider“ sollen US-Airlines in den vergangenen Jahren so mehrere Millionen Euro gespart haben.
„Natürlich wird auf Effizienz geachtet“, bestätigt Wirtschafts- und Luftfahrtexperte Cord Schellenberg im Gespräch mit TRAVELBOOK. Auch deutsche Fluggesellschaften gingen so vor. Das habe ökonomische, ebenso wie ökologische Hintergründe. Während Kapitäne früher noch – etwa um verlorene Zeit durch einen verspäteten Abflug aufzuholen – Vollgas gegeben hätten, sei dies heute nicht mehr üblich. „Man fliegt nicht mehr bei Höchstgeschwindigkeit“, weiß der Fachmann. Etwa hat Lufthansa die Boeing 727, die im Reiseflug mit bis zu 965 km/h unterwegs war, durch den Airbus A320 und A321 ersetzt. Hier werden 828 km/h in der Regel nicht überschritten. Das kostet vielleicht ein paar Minuten mehr, dafür aber weniger Kerosin und somit Geld.
Schellenberg weist auch auf aktuelle politische Umstände hin. So könne es immer zu Sperrungen im Luftraum kommen, also Fällen, in denen (Kriegs-)Gebiete weiträumig um- oder auf extremen Höhen überflogen werden müssten. Und apropos Luftraum. Durch den wachsenden Flugverkehr komme es zu längeren „Holdings“, also Warteschleifen in der Luft. „Beim Anflug auf große Flughäfen, wie etwa Frankfurt oder London, kann man immer von mehreren Minuten Holding ausgehen. Diese rechnen sich logischerweise zur Flugzeit dazu.“
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Auch der Klimawandel hat Auswirkungen
TRAVELBOOK sprach auch mit Heinrich Großbongardt, ebenfalls Luftfahrtexperte. Dass Flüge in Richtung Westen tendenziell länger dauerten, hängt seiner Einschätzung nach nicht zuletzt mit dem Klimawandel zusammen. Neueren meteorologischen Erkenntnissen zufolge werde der Jetstream (oder Strahlstrom) immer stärker, „ein Starkwindband, das je nach Wetterlage zwischen 40 und 60 Grad geografischer Breite in etwa 8.000 und 10.000 Metern die Polarregion umspannt.“ Der Jetstream wehe von Westen nach Osten, weshalb Maschinen mehr Gegenwind hätten.
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Großbongardt gibt zu bedenken, dass die „vorsichtigere Planung der Fluggesellschaften“ einen Einfluss hat. Nicht zuletzt gefühlt seien Flugzeiten länger geworden. Weil Verzögerungen durch das wachsende Passagier- und Maschinenaufkommen immer wahrscheinlicher seien, gäben Airlines heutzutage grundsätzlich eine längere Reisedauer an. „Schließlich kommt es besser an, eine vorzeitige Ankunft zu verkünden als eine Verspätung,“ so der Experte.