23. August 2022, 12:23 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Angesichts der zahlreichen Flugstreichungen in diesem Sommer sollen Reisende ihre Tickets künftig nicht mehr im Voraus, sondern erst kurz vor Abflug beim Check-in bezahlen müssen. So zumindest hatte es kürzlich die niedersächsische Regierung vorgeschlagen – und stößt bei der Lufthansa nun auf Ablehnung.
Flugstornierungen, -verspätungen und Airline-Streiks zogen sich durch diesen Reise-Sommer, mit der Folge, dass Verbraucher oft auf gepackten Koffern am Flughafen festsaßen. Zwar besteht oft Anspruch auf eine Rückerstattung, doch es kann dauern, bis das Geld dann wirklich da ist. Um diesem Problem zu begegnen, hatte die niedersächsische Regierung aus CDU und SPD dieser Tage vorgeschlagen, dass Reisende ihre gebuchten Flüge nicht mehr vorab bezahlen müssen, sondern erst am Flughafen. Sprich: wenn abzusehen sei, dass die Reise auch wirklich stattfindet. „Künftig müsste dann das Ticket erst beim Check-in bezahlt werden“, erklärte dazu Landesverkehrsminister Bernd Althusmann im Gespräch mit „Handelsblatt“.
Ein Vorschlag, den die Lufthansa nun entschieden abgelehnt hat. „Trotz der vielen Flugplanänderungen leisten wir die Erstattungen nahezu vollständig in der vorgegebenen Frist von nur sieben Tagen. Insofern gibt es für diese politische Initiative keinen Anlass“, sagte ein Unternehmenssprecher dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Dienstag. Zudem stelle sich die Frage, ob es im Interesse von Fluggästen sei, durch ein Verbot der Vorkasse-Praxis, de facto die günstigeren Frühbuchertarife einzuschränken.
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Flüge vorab bezahlen – wie würde ein solches Modell aussehen?
TRAVELBOOK hat bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die den Vorschlag der niedersächsischen Regierung unterstützt, nachgefragt. „Letztlich ist es das, was man auch von anderen Geschäften kennt: ein vereinbarter Preis, den Verbraucher erst zahlen müssen, wenn sie die Ware in der Hand halten“, erklärt Jurist Thomas Bradler. Aber wie genau würde das aussehen? Muss man dann am Check-in-Schalter das Zahlungsmittel zücken? Bradler: „Wir halten Lastschriftvereinbarungen für möglich. Der Preis würde dann erst später abgebucht.“
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Umstellung wäre mit Hürden verbunden
Noch handelt es sich allerdings nur um einen Vorschlag. Dessen Umsetzung hält Thomas Bradler zwar für realistisch, rechnet aber auch mit erheblichem Widerstand seitens der Wirtschaft. So seien die geplanten Umstellungen im System immerhin mit Hürden verbunden. „Derzeit nutzen die Anbieter das Geld, das bei abgeschlossenen Buchungen bei ihnen eingeht, für andere Leistungen“, veranschaulicht der Jurist. Wird das Vorkasse-Prinzip abgeschafft, also müssen Buchende ihre Flüge nicht mehr vorab bezahlen, fallen jene finanziellen Mittel weg. „Diese Lücke schließen zu müssen, bedeutet für die Anbieter sicherlich eine gewisse Herausforderung.“
Aus eben diesem Grund sieht etwa Sandra Dotan, Head of Content beim Online-Preisvergleichsportal Idealo, die Umsetzung des Vorschlags derzeit nicht. „Denn die Airlines werden alles dafür tun, dass er nicht umgesetzt wird“, glaubt sie.
Der niedersächsische Vorstoß wird frühestens am 16. September auf dem Programm der Bundestagssitzung stehen. Bis dahin bleibt auch noch abzuwarten, wie sich die anderen Bundesländer diesbezüglich positionieren.
Mit Material von Reuters