6. Februar 2024, 13:50 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die Hinterlassenschaften von Nutzern der Toiletten im Flugzeug lösen sich natürlich nicht in Luft auf. Was passiert mit ihnen? Vor wenigen Jahren machte ein Brite damit eine unerfreuliche Erfahrung: Ihm waren Fäkalien aus einem Flugzeug auf den Kopf gefallen. TRAVELBOOK hat einen Experten gefragt, wie wahrscheinlich ein solches Ereignis ist, und wie genau Flugzeugtoiletten eigentlich funktionieren.
Toiletten im Flugzeug funktionieren anders als solche am Boden. Schließlich sind sie nicht über ein Abwassersystem an die Kanalisation angeschlossen. Aber einfach Luke auf, Fäkalien rausschmeißen – das klingt nicht bloß etwas rustikal, es ist auch nicht (mehr) die gängige Praxis. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass Kot oder Urin aus dem Flugzeug in die Umwelt gelangen. Ein Brite hat das am eigenen Leib bzw. Kopf erfahren.
Mann fielen Fäkalien aus dem Flugzeug auf den Kopf
Im Juli 2021 waren Fäkalien aus einem Flugzeug in den Garten eines Mannes gefallen. Und da er sich dort selbst aufgehalten hatte, bekam er selbst eine Ladung ab. Davon berichtete damals unter anderem die Zeitung „Manchester Evening News“. Unerfreulich, aber auch sehr ungewöhnlich, stellte man wenige Wochen später auf einer Stadtratssitzung fest. Denn sollten Abwässer aus einer Maschine entweichen, hieß es da, so erreichen sie die Erde eigentlich im gefrorenen Zustand. Die Chancen für das erfolgte Ereignis stehen einem der Sitzungsteilnehmer zufolge bei „eins zu einer Milliarde“.
Dieser Wahrscheinlichkeitsrechnung würde Luftfahrt-Experte Heinrich Großbongardt nicht zustimmen. Doch er bestätigt im Gespräch mit TRAVELBOOK die Besonderheit des Geschilderten. Kot und Urin werden demnach schon seit Jahrzehnten nicht mehr aus dem Flugzeug ins Freie abgelassen. „Das war vielleicht mal in den Kindertagen der Fliegerei so“, erklärt der Fachmann. „Anders als zum Beispiel bei der Bahn, die bis vor wenigen Jahren die Fäkalien direkt über ein Fallrohr in die Umwelt ableitete.“
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Was passiert mit den Ausscheidungen aus Flugzeugtoiletten?
Stattdessen werden in Flugzeugen heutzutage spezielle Vakuum-Toiletten eingesetzt. Sie funktionieren anders als normale (Wasser-)Toiletten. „Eine Wasserspülung wie am Boden kann es aus Gewichtsgründen nicht geben. Dazu müssten Flugzeuge auf Langstreckenflügen viele Tonnen Wasser mitführen.“ Dies würde einen zusätzlichen Kerosinverbrauch bedeuten, so Großbongardt, und folglich eine hohe Umweltbelastung.
Bei Vakuum-Toiletten handele es sich um ein geschlossenes System. Es funktioniert ähnlich wie ein Staubsauger: Ein Ventil öffnet sich und der Inhalt der Kloschüssel wird mittels Unterdruck „eingesaugt“ – zu erkennen am lauten Geräusch kurz nach dem Betätigen der Spülung. „Man nutzt dazu den Umstand, dass der Luftdruck außerhalb des Flugzeugs sehr viel niedriger ist als in der Kabine“, weiß der Experte. Es wird nur wenig Wasser benötigt, um die Exkremente von der Toilettenschüssel abzuspülen. Der Vorgang dauert zwei bis drei Sekunden.
Aus den Augen, aus dem Sinn – zumindest für die Nutzer der Toiletten. Doch natürlich sind die Ausscheidungen nach dem Spülen nicht verschwunden. Sie gelangen aus der Bordtoilette in einen im Flugzeugrumpf befindlichen Sammeltank. Ist die Maschine gelandet, wird der Fäkalien-Tank mit einem Spezialfahrzeug entleert. Damit keine Exkremente in den Schüsseln anhaften, werden Chemiezusätze verwendet, deren Umweltverträglichkeit jedoch umstritten ist. Für die Hygiene an Bord sind diese Zusätze laut Großbongardt allerdings zwingend notwendig, um ein Übertragen gefährlicher Krankheiten zu verhindern. „Zumindest in Europa, Nordamerika und vielen anderen Ländern gibt es aber strenge Vorschriften für die fachgerechte, umweltverträgliche Entsorgung“, ergänzt er.
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Wie gefrorene Urin-Klumpen in die Umwelt gelangen
Ganz sicher vor Fäkalien-Abfällen aus der Luft sind wir trotz des beschriebenen Toilettensystems allerdings nicht. Neben dem Vorfall aus England kam es in der Vergangenheit schon häufiger vor, dass ganze Urin-Klumpen auf die Erde fallen. Etwa bei einer Familie in Nürnberg landete 2012 ein zwei Kilogramm schwerer Eisklumpen aus Urin im Garten. Im selben Jahr zerschlug ein handtellergroßer Eisbrocken die Ziegel eines Hausdachs in Fellbach (Baden-Württemberg). 2015 in Indien wurde eine Frau sogar lebensgefährlich von einem herabfallenden Urineisblock verletzt, wie damals u. a. das britische Nachrichtenportal „BBC“ berichtete.
Woher kommen solche gefrorenen Urin-Klumpen? „Dies passiert, wenn das Ventil, das am Boden genutzt wird, um die Abwassertanks zu entleeren, ein wenig undicht ist“, erklärt Luftfahrt-Experte Großbongardt. „Toilettenflüssigkeit, die heraus sickert, gefriert wegen der eisigen Temperaturen in Reiseflughöhe sofort. Über die vielen Stunden eines Langstreckenfluges bildet sich dann unter dem Heck ein Eisklumpen, der manchmal abfällt, wenn das Flugzeug beim Landeanflug wieder in wärmere Luftschichten kommt.“ So etwas komme aber nur sehr selten vor. Denn die Ablassventile würden aus Sicherheitsgründen regelmäßig auf Dichtigkeit überprüft.