14. September 2017, 12:11 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Jeder, der mal geflogen ist, hat das womöglich schon beobachtet: Plötzlich wird es leiser in der Kabine. Was ist passiert – sind die Triebwerke ausgefallen? TRAVELBOOK fragte bei einem nach.
Das Wichtigste vorweg: In dem Fall, wenn es in der Kabine leiser wird, sind NICHT die Triebwerke ausgefallen, es besteht keine Gefahr! Moderne Technik macht dieses Szenario mehr als unwahrscheinlich. Denn nur, wenn die Triebwerke komplett ausfallen würde, hieße das noch lange nicht, dass ein Flugzeug sich gleich im freien Fall befindet. Erst einmal kommt es sehr selten vor, dass beide Triebwerke auf einmal ausfallen. Sofern nur eines nicht mehr funktioniert, kann dieser Verlust problemlos vom Piloten ausgeglichen werden. Falls aber doch einmal beide Triebwerke gleichzeitig ausfallen, sind die heutigen Luftfahrzeuge so gebaut, dass sie für eine gewisse Zeit ohne die Kraft der Triebwerke weiter fliegen können.
Was die wenigsten Menschen wissen: Piloten schalten die Triebwerke ihres Flugzeugs auch absichtlich auf Leerlauf. Und das sogar bei ziemlich vielen Flügen.
Kerosin sparen im Leerlauf
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Den Grund für das Abschalten und wie das genau funktioniert, weiß der Berufspilot Patrick Biedenkapp. Er fliegt aktuell einen Airbus A300 und bloggt über seinen Job, seine Reisen und Ernährung.
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„Ein modernes Passagierflugzeug kann gleiten”, erklärt Biedenkapp auf TRAVELBOOK-Nachfrage. „Dafür werden die Triebwerke auf Leerlauf gestellt. Das bedeutet: Das Triebwerk produziert den minimalen Schub und verbraucht dementsprechend wenig Kerosin. Optimalerweise werden die Triebwerke beim Beginn des Sinkfluges auf Leerlauf gestellt und erst wenn Landeklappen und Fahrwerk ausgefahren werden, wieder erhöht. Das ist zum einem ökonomisch und auf der anderen Seite werden die Geräuschemissionen reduziert. Solche Anflüge lassen sich leider meist nur nachts realisieren, wenn der Flugverkehr niedrig ist. Bei hohen Flugaufkommen blockieren andere Flugzeuge oder kreuzen den Flugweg.
Wenn das Fluggetöse leiser wird
Im Klartext: Jeder, der schon öfter nachts mit einem Linienflugzeug gelandet ist, hat den Gleitflug wahrscheinlich schon erlebt. Wenn man genau hinhört, kann man im Inneren des Flugzeuges sogar hören, wie die Triebwerke heruntergefahren werden: Auf einmal wird das Fluggetöse bedeutend leiser.
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Was aber, wenn die Triebwerke wirklich einmal ausfallen, wie etwa beim „Wunder vom Hudson”, der spektakulären Landung des US-Airways-Flugs 1549, bei dem die Turbinen ausfielen, weil sie beim Start Wildgänse angesogen hatten? Der heute als Held verehrte Kapitän landete das Flugzeug sicher im Gleitflug auf dem New Yorker Hudson River und alle 155 Passagiere überlebten.
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Alle Piloten müssen den Gleitflug trainieren
Auch diesen Fall trainieren Piloten, sagt Biedenkapp. „In der Ausbildung werden Triebwerksausfälle auf Schulungsflugzeugen trainiert. Dabei wird in ca. 3000 Fuß Höhe über einem Flugplatz der Motor auf Leerlauf gestellt und man landet nur durch Segeln wieder sicher am Boden.”
Dieses Manöver sei zwar nicht gerade einfach, aber durchaus machbar. Es hängt immer davon ab, wie hoch das Flugzeug fliegt. Im Fall des Hudson Rivers zum Beispiel war der Gleitflug deshalb so schwierig, weil das Flugzeug gerade erst abgehoben war. Beim Start benötigt das Flugzeug aber den größten Schub: keine gute Voraussetzung für einen Gleitflug. Daher war die Notlandung auf dem Hudson River eine herausragende Piloten-Leistung.