4. Juli 2018, 14:36 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Es ist das Horror-Szenario aller Flugreisenden: Man steht am Gepäckband, nach und nach nimmt jeder der Mitreisenden seinen Koffer in Empfang – nur man selbst wartet am Ende vergeblich. Genau das ist TRAVELBOOK-Autorin Angelika Pickardt passiert. Viel schlimmer als der nicht angekommene Koffer aber war das, was danach folgte …
Das Gepäckband tut einen letzten Ruck – dann steht es still. Alle anderen Passagiere, die mit mir im Eurowings-Flieger von Palma de Mallorca nach Berlin-Tegel saßen, sind mit ihren Koffern, Reisetaschen, Rucksäcken und Kinderwägen bereits durch den Ausgang verschwunden und vermutlich längst auf dem Nachhauseweg. Nur mein schwarzer Trolley ist bislang nicht aufgetaucht und wird es heute auch nicht mehr, das ist mir nun klar.
Also ab zum „Baggage Service Center“, das ironischerweise ziemlich versteckt am anderen Ende des Flughafens liegt, aber ich finde es schließlich und gebe einen Suchauftrag für meinen vermissten Koffer auf. Ich verfluche die Tatsache, dass ich mich einst für ein so unauffälliges Exemplar entschieden habe, denn besonders viele Angaben kann ich dem Servicemitarbeiter der zuständigen Firma „Wisag“ nicht geben, nicht mal an die Marke des Koffers kann ich mich erinnern. Die Firma kümmert sich im Auftrag verschiedener Airlines um die Aufnahme und Dokumentation von Gepäckverlust und Gepäckbeschädigung.
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Trotzdem beruhigt mich der Wisag-Mann: „In der Regel tauchen 95 Prozent der verlorenen Koffer wieder auf, nach ein bis zwei Tagen sollten Sie ihn wieder haben.“ Zwei Tage, das kann ich verkraften. Auch wenn ich dummerweise meinen Kulturbeutel mit sämtlichen Kosmetika und Medikamenten im Koffer verstaut habe, genauso wie meinen Schmuck und meinen E-Book-Reader. Nächstes Mal bin ich schlauer, verspreche ich mir selbst, und fahre schließlich mit der Referenznummer für mein vermisstes Gepäckstück nach Hause.
Noch ahne ich zu diesem Zeitpunkt nicht, wie oft ich diese Referenznummer in diversen Telefongesprächen und Emails werde nennen müssen …
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Warten, warten, warten
Als sich nach 48 Stunden immer noch niemand bei mir gemeldet hat, rufe ich bei der Wisag an. „Es tut uns leid, Ihr Koffer wurde noch nicht gefunden“, erklärt eine Mitarbeiterin. Ich solle mir aber keine Sorgen machen, am Flughafen Palma dauere die Suche immer etwas länger. Am nächsten Tag erhalte ich die gleiche Antwort, genauso wie am Tag darauf. Ich verbringe gefühlte Stunden in der Warteschleife der Wisag, nur um am Ende immer wieder diesen Satz zu hören: „Ihr Koffer wurde noch nicht gefunden.“
Am Samstag, es ist inzwischen Tag vier nach meiner Ankunft in Berlin, hat eine der Wisag-Mitarbeiterinnen ein Erbarmen und nennt mir eine E-Mailadresse, an die ich eine genaue Beschreibung meines Kofferinhalts schicken soll. So könne man das Gepäckstück unter Umständen identifizieren, falls der Gepäckabschnitt abgerissen sein sollte.
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Hurra, mein Koffer wurde gesichtet!
Und siehe da: Ich bekomme prompt eine Antwort auf meine E-Mail, und erstmals keimt echte Hoffnung in mir auf, meinen Koffer doch noch zurückzubekommen: „Auf dem Flughafen ORK (Irland) hat sich ein Koffer mit Ihrem Namen angefunden. Wir werden nun prüfen, ob es sich dabei um den von uns gesuchten handelt.“ Bis dahin bittet man mich noch um etwas Geduld.
Zwei weitere Tage vergehen. Ich rufe nochmals bei der Wisag an. Inzwischen sei der Koffer als offiziell gefunden registriert, teilt man mir mit. Er befinde sich nun am Flughafen London Heathrow und werde mit einer der nächsten Maschinen nach Berlin geflogen.
Am selben Tag, ich kann es kaum fassen, kommt der vermeintlich erlösende Anruf einer Kurierfirma: Man wolle mir meinen Trolley am Abend zustellen. Das großzügige Zeitfenster von 17 bis 23 Uhr nehme ich anstandslos in Kauf, zu groß ist die Vorfreude auf meinen Koffer, in dem sich neben den oben genannten Dingen übrigens auch ein paar neue Sommerklamotten befinden, auf die ich sehnsüchtig warte.
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Und dann kam der Zoll…
Ab 17 Uhr also sitze ich zu Hause und warte. Und warte. Und warte. Um 21 Uhr bekomme ich einen Anruf der Kurierfirma: Mein Koffer sei noch nicht vom Zoll freigegeben, man könne ihn nun doch noch nicht zustellen. Wieso das nicht schon vorher bekannt war, kann man mir nicht mitteilen, ebensowenig, was nun von meiner Seite aus zu tun ist. Um diese Uhrzeit erreiche ich natürlich weder bei der Wisag noch beim Zoll jemanden. Es heißt also weiter: abwarten.
Am nächsten Tag, es ist nun genau eine Woche her, seit ich aus Mallorca zurück bin, befinde ich mich wieder einmal in der Warteschleife der Wisag. Die nervige Dudel-Musik summe ich schon automatisch mit und rattere, ohne die Aufforderung der Servicemitarbeiterin noch abzuwarten, die Referenznummer und zum Datenabgleich meinen Vor- und Nachnamen, meine Adresse und E-Mail-Adresse runter. Inzwischen ist es immer die gleiche Dame am anderen Ende Leitung, sie ist sehr nett und kann meine Verzweiflung gut nachvollziehen. Sie verspricht, umgehend den Zoll zu informieren, dass dieser sich mit mir in Verbindung setzen möge.
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Nichts zu verzollen, aber…
Es passiert: nichts. Erst am nächsten Tag, nachdem ich nochmals nachgehakt hatte, schickt man mir endlich eine Zollerklärung zu, in der ich erklären soll, dass ich nichts zu verzollen habe. Jedoch versteht im Nachhinein nicht mal die Zollbehörde selbst, weshalb dies überhaupt nötig war: „Wieso die Wisag in Ihrem Fall eine Zollerklärung von Ihnen verlangt hat, ist mir und auch den Kollegen aus Tegel leider nicht bekannt und nachvollziehbar“, erklärt ein Sprecher vom zuständigen Hauptzollamt Potsdam dazu auf offizielle Nachfrage von TRAVELBOOK. Schließlich sei das nur notwendig, wenn das Gepäck aus einem Drittland nachgeschickt werde, das nicht dem Zollgebiet der europäischen Union angehöre. Das war bei meinem Koffer aber nicht der Fall.
Ich warte weiter…
Es vergeht also nach dem Verschicken der eigentlich überflüssigen Zollerklärung ein weiterer Tag, mein Koffer steht nun wohlgemerkt seit vier Tagen nur wenige Kilometer von mir entfernt am Flughafen Berlin-Tegel, aber ich komme einfach nicht ran. Selbst zum dortigen Zollamt gehen, davon rät die Wisag mir ab, das bringe in der Regel nichts. Und gerade, als ich genau das trotzdem tun will, ruft die Kurierfirma an: Heute Abend werde mein Koffer zugestellt.
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Der Koffer ist da!
Am Donnerstagabend um 20 Uhr ist es soweit: Mit diversen Anhängern und Aufklebern versehen steht mein schwarzer Trolley, der eine halbe Europareise hinter sich hat, endlich vor mir. Und es ist tatsächlich noch alles drin, sogar der E-Book-Reader und mein Schmuck!
Auf TRAVELBOOK-Nachfrage bei Eurowings, wieso der Koffer nicht gleich mit meinem Flieger aus Mallorca mitkam, sagt eine Sprecherin: „Der Koffer wurde von PMI nach ORK fehlverladen, da Cork keine Tag-Nummer im Verfolgungssystem hinterlegt hat.“ Da es keine Direktflüge von Cork nach Berlin gebe, sei der Koffer dann nach seiner Lokalisierung über London Heathrow nach Tegel geschickt worden. Man entschuldige sich für den Vorfall. „Eurowings konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ihren gewohnten Service bieten, der für uns höchste Priorität hat.“
Was ich aus der Erfahrung gelernt habe? Wichtige und/oder wertvolle Dinge gehören definitiv nicht ins Aufgabegepäck. Beim nächsten Mal fliege ich vielleicht sogar nur noch mit Handgepäck.