29. Mai 2015, 10:25 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Stellen Sie sich vor, es gebe ein Gerät, mit dem Sie sich einfach mit Energie aufladen könnten. Und wann könnte man dieses besser gebrauchen als bei einer Reise von einer Zeitzone in die andere – also dann, wenn uns der Jetlag plagt? Was unglaublich klingt, will eine finnische Firma nun tatsächlich entwickelt haben: den Human Charger, das Aufladegerät für den Menschen. Die Funktionsweise ist so einfach, dass Zweifel an der Wirksamkeit durchaus berechtigt sind.
Der sogenannte Human Charger sieht aus wie ein schicker MP3-Player, doch was da aus den Ohrstöpseln kommt, ist nicht etwa Musik, sondern: Licht. Spätestens hier wird der ein oder andere das Ganze wohl eher in die Welt der Esoterik verorten, doch Valkee, das finnische Unternehmen, welches den Human Charger entwickelt und nun zur Marktreife geführt hat, zitiert eine in der Fachzeitschrift „Aerospace Medicine und Human Performance“ erschienene Studie, die die Wirksamkeit des Geräts belegen soll.
So sollen sich Transatlantik-Reisende durch die Nutzung des Gadgets wesentlich schneller erholt haben als die entsprechende Placebo-Kontrollgruppe. Der positive Effekt bei der Linderung von Jetlag-Symptomen werde, so Valkee, durch die „zeitgenaue Kanalisierung von 12 Minuten Lichttherapie mit UV-freiem, blau angereichertem hellem Licht, über den Ohrkanal zu den Chronobiologischen Zentren des Gehirns“ erreicht. Allerdings stellt sich durchaus die Frage, wie aussagekräftig die Studie wirklich ist? Nur 55 Personen nahmen an der Untersuchung teil, wobei 30 mit Licht über den Ohrkanal therapiert wurden und 25 der Placebogruppe waren. Auf Nachfrage von TRAVELBOOK, ob Valkee in irgendeiner Form bei der Beauftragung oder Finanzierung der Studie involviert war, gab es keine Antwort.
Dass Licht eine wichtig Rolle im Biorhythmus des Menschen spielt, ist hinlänglich bekannt. Ob jedoch auch der Weg über das Ohr funktioniert, lässt sich aufgrund der unzureichenden Studienlage nicht zweifelsfrei belegen. So kommt eine 2013 veröffentlichte Untersuchung – auch hier waren lediglich 20 Männer und Frauen in der Versuchsgruppe – etwa zu dem Schluss, dass die Lichttherapie durchs Ohr keinen „unmittelbaren Effekt“ bei der Reduzierung der empfundenen Müdigkeit und Abgeschlagenheit habe.
2012 testete das Valkee das Gadget einen Monat lang auf Finnair-Flügen zwischen Helsinki und Shanghai, wie auch Joseph Knowles, Sprecher der Airline, TRAVELBOOK bestätigte. Passagiere in der Business Class hätten die Möglichkeit gehabt, den Human Charger auszuprobieren. Es sei, so „Die Fluggäste schienen es zu mögen“, erinnert sich Knowles. Doch es sei bei dem kurzen Test geblieben. Auch widersprach Knowles Berichten, wonach das Bordpersonal das Gerät von der Airline offiziell zur Verfügung gestellt bekomme.
Neben Finnair-Passagieren sollen auch Profi-Sportler – bekanntermaßen Vielreisende – das Gadget getestet haben: Valkee behauptet, ein Fußballteam der britischen Premier League, eine NBA-Basketballmannschaft und ein Tennisspieler „mit hohem Ranking in der ATP-Weltrangliste“ zählten zu den Testnutzern. Merkwürdig ist jedoch, dass auch hier keine konkreten Namen genannt werden, sodass Zweifel an der Glaubwürdigkeit berechtigt sind.
Jedenfalls soll der Human Charger nach Jahren der Entwicklung nun für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, gleichzeitig mit einer App, die Reisende gezielt bei der Bekämpfung des Jetlags unterstützen soll, indem sie etwa den idealen Zeitpunkt für die 12-minütigen Lichteinheiten mithilfe des Human Charger vorschlägt. Für 199 Euro ist das Gerät inklusive Kopfhörern und App auch auf dem deutschen Markt bereits erhältlich.
Ob das Gadget letztlich so revolutionär ist, wie von den Machern beschrieben, wird sich noch zeigen – eines jedoch lässt sich jetzt schon sagen: Abgesehen davon, dass der Human Charger ziemlich stylisch aussieht und man ihn an Airports zukünftig wohl häufiger im Einsatz sehen könnte, ist die Idee des Aufladegeräts für Menschen vor allem eins – eine spannende und irgendwie auch düstere Vision.